Anna-Lena Wiechern

Mit einer Arbeit über intelligente Sensoren beendete Anna vor kurzem ihr Masterstudium an der University of Leeds, UK. Um die Grundlage für ihre Promotion zu schaffen, widmet sie sich während ihrer Zeit am MECS nun dem historischen Wechselspiel zwischen Sensor- und Simulation. Die Frage, wie das menschliche Bewusstsein für die kaum wahrnehmbaren Operationen und Kalkulationen – als Folge von immer automatisierteren »Anwender«-Situationen und aktive Umgebungen – sensibilisiert werden kann, bildet dabei Rahmen und Ziel der Überlegungen.

Der Weg zu diesem Forschungsinteresse verlief über einen Bachelor in Kulturwissenschaften (Leuphana Universität), vertieft in Medienkultur und Kommunikation, sowie einen Aufenthalt an der University of South Wales (Cardiff, UK), welchen sie mit einer Bachelorarbeit über das chaotische Potential digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien abschloss.

 

FORSCHUNGSPROJEKT

Capturing Presences. Eine Genealogie des Verhältnisses von Sensoren zu Simulation  

Im Rahmen meines Projekts möchte ich die historischen Pfade erforschen, die zu den »fühlenden« Geräten der Gegenwart geführt haben. Im Mittelpunkt steht dabei die »zehrende« Rolle des Sensors in intelligenten Umgebungen und die konzeptuelle Notwendigkeit, die Figur des Users in einen gezielt initiierenden Bediener und einen passiven Versorger digitaler Sensortechnologien aufzuspalten.

Vernetzte Sensoren funktionieren als technologische Entsprechung menschlicher Sinnesorgane und sind Grundbaustein jeder Automation – vom semiautonomen Fahrzeug bis hin zur pulsmessenden Smartwatch. Einerseits lassen sie sich damit als Erweiterung der Kapazitäten des menschlichen Körpers denken, andererseits aber auch als ausgelagerte Simulation von Sinneswahrnehmung, die wiederum diesen Körper wahrnehmen. Um Automatisierungsmechanismen zu optimieren, werden Sensoren darüber hinaus im Rahmen der Forschung selbst simuliert (RWTH Aachen, 2016).

Durch intelligente Sensortechnologien ausgelöste Automationen sind Simulationen eines Befehls, der jedoch nie bewusst und gezielt an das reagierende System adressiert wurde. Schaltet sich das Display eines Handys ab, während das Gerät zum Ohr geführt wird, erfasste zuvor ein optischer Näherungssensor diese Bewegung und stellte sie dem »smarten« Telefon zur Interpretation bereit. Sensoren sind »selbstauslösende Schalter«, welche die rein körperliche Anwesenheit in zunehmend selbstaktiven Umgebungen zu einer informationsgenerierenden Handlung werden lassen, die jedoch unterhalb der Wahrnehmungsgrenze stattfindet. Ungesteuertes, welches vorher unbemerkt blieb, wird so zum auffordernden Signal. Damit weisen intelligente Sensoren auf eine Problematik hin, die als das Gegenstück zur Frage der medialen Teilhabe gedacht werden kann, denn als »Erfassungsmaschinen« (Hörl und Parisi, 2013)  konfrontieren sie uns mit einem unvermeidlichen Immer-Bereits-Teilsein – und zwar Teil einer von ihnen (den Sensoren) wahrgenommenen »Welt«.

Da die Verfassung der User-Figur so stark von dieser Entwicklung betroffen ist, erscheint es insbesondere auch für den Begriff der »digital literacy« oder »Medienkompetenz« dringend notwendig, zu einer theoretischen Rahmung der zweiten Rolle des Benutzers zu gelangen, welche den vorherrschenden Gedanken vom Menschen als Verfasser und Verteiler von Information um den Aspekt ergänzt, eine Ressource für Daten zu sein und die Umwelt jener Sensoren zu bilden, die er ununterbrochen »versorgt«. Denn auch wenn ubiquitous computing (Weiser, 1991 und 1993) und das Internet der Dinge (Greengard, 2015; Ashton, 2009) oft noch als Science-Fiction-Vision der eher fernen als nahen Zukunft wahrgenommen werden, sind die zugrundeliegenden Mechanismen längst am Werk.