Soziologie

Kultursoziologie

 

Kultursoziologie wird am Institut für Soziologie und Kulturorganisation (ISKO) als eine grundlegende Theorie- und Forschungsperspektive der Soziologie verstanden, die ‚Kultur’ stets mit in die Analyse des Sozialen einbezieht. Die Beschäftigung mit einzelnen Bereichen des Kulturellen (Kultur im engeren Sinn) bringt einerseits spezielle Soziologien’ hervor (z.B. Soziologie des Theaters, der Musik oder der Kunst), kultursoziologisches Denken und Forschen heißt aber auch, die soziale Welt aus einem bestimmten (eben „kulturellen“) Blickwinkel zu betrachten. Hierin liegt das besondere Profil der Lüneburger Kultursoziologie. Sie geht davon aus, dass die soziale Welt mit Bedeutungen ausgestattet ist, die wir mit anderen Menschen teilen – sonst erschiene sie uns chaotisch und sinnlos. Aufgrund dieser Prämisse – das Soziale sei eben keine objektive Realität, sondern immer auch Ergebnis kulturbedingter Wahrnehmung und Konstruktion – lässt sich Kultursoziologie auch als eine allgemeinsoziologische Perspektive begreifen. Der Arbeit aller Kolleginnen und Kollegen am ISKO ist gemein, diese Voraussetzung des analytischen Zugriffs auf die soziale Welt und dessen methodologische Konsequenzen zu berücksichtigen.

Kulturtheorie und (kultur)soziologische Grundlagen werden auf dem Lehrstuhlen ‚Kultursoziologie’ von Prof. Günter Burkart vermittelt, der in speziellen Teildisziplinen der allgemeinen Soziologie und Kulturwissenschaft (s.u.) lehrt und forscht.

Mediensoziologie

Technische Medien übernehmen nicht erst seit dem Aufkommen des Internet, „interaktiver“ Formate und der Digitalisierung wichtige gesellschaftliche Funktionen und prägen den Alltag in der modernen Gesellschaft. Schon Buchdruck, Kupferstich, Fotografie, Tageszeitung, Film, Radio und Fernsehen brachten Weisen der Kommunikation und Wahrnehmung hervor, die nicht an die Anwesenheit von Personen gebunden sind und deshalb die Herausbildung komplexerer Formen der Vergesellschaftung ermöglichen. Wir interessieren uns vor allem für die Wechselbezüge zwischen (technologischen) Medieninnovationen und ihrer (gesellschaftlichen) Aneignung sowie für ihre die Kultur der Moderne prägenden Effekte, und zwar vom Beginn der Moderne bis in die Gegenwart. Ein besonderer Akzent liegt dabei auf der vergleichenden Analyse von Leitmedien-Umbrüchen und dem darin zutage tretenden Spannungsverhältnis zwischen kritischen und funktionalen Medientheorien.

Kultur und Technik

Im Alltagsdenken herrscht die Auffassung vor, dass sich „Technik“ gemäß einer eigenen Rationalität linear weiter entwickelt („technischer Fortschritt“) und mit jeder dieser Entwicklungsschritte das Leben des Menschen in geradezu deterministischer Weise verändert. In dieser Perspektive ist bspw. die Uhr eine technische Errungenschaft des Menschen, „der schon immer wissen wollte, wie spät es ist“. Demgegenüber untersuchen wir in der kultursoziologischen Perspektive auf Technik auch die Gegenrichtung: wie die Kultur die technische Entwicklung beeinflusst und wie sich technische Innovationen oft erst dann durchsetzen, wenn sie in der Kultur auf Resonanz stoßen. So lässt sich die Bedeutung der Uhr erst mit der Durchsetzung des modernen Betriebskapitalismus („Stechuhr“) plausibel erklären.

Familie, Paare, Liebe und Geschlechterverhältnisse

Familie und Liebe, Sexualität und Geschlecht gelten oft als Naturgegebenheiten. Demgegenüber untersucht die Soziologie die privaten Lebensverhältnisse und die Beziehungen zwischen den Geschlechtern als „soziale Konstruktionen“, als Ausprägungen kultureller Verhältnisse und als Konsequenz gesellschaftlicher Veränderungen. Diese Perspektive lässt sich sowohl im historischen als auch im interkulturellen Vergleich gut nachvollziehen, weil diese Vergleiche eine große kulturelle Variabilität scheinbar natürlicher Gegebenheiten zum Vorschein bringen.

Konsumsoziologie

Moderner Konsum ist Warenkonsum. Mit dem Warenkonsum wird der Alltag von Konsumentinnen und Konsumenten (und das sind wir alle) auf die Mechanismen der Geldwirtschaft und des Marktes eingestellt, ein Prozess, der seit Entstehung der modernen Gesellschaft, also spätestens im 18. Jahrhundert soziologisch beobachtet wird. Der Konsum ist zugleich aber, ebenfalls seit dieser Zeit, Gegenstand kritischer Auseinandersetzungen, die einen Verfall von Werten oder Sitten, die ungleiche Verteilung der Konsumchancen, die Manipulation der Konsumenten oder – in neuerer Zeit – die Umweltschädlichkeit des Massenkonsums beklagen. Konsumsoziologie in dem von uns vertretenen Sinne umfasst die Untersuchung der strukturellen Effekte des Konsums in der modernen Gesellschaft, die ihn ausmachenden alltäglichen Praktiken sowie die diese begleitenden Diskurse. Diese kultursoziologische Perspektive auf den Konsum unterscheidet sich von der empirischen Verbraucherforschung: Sie zielt nicht auf die Prognose neuer Trends, sondern sucht den Konsum als eine von jeder und jedem von uns jeden Tag praktizierte, in der Soziologie aber nur am Rande berücksichtige soziale Wirklichkeit zu erfassen.

Methoden

Für die Soziologie ist der empirische Nachweis theoretischer Annahmen eine wichtige Basis der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Dabei lassen sich zwei Grundrichtungen unterscheiden: „quantitative“ und „qualitative“ Methoden. Die erste Richtung begreift die soziale Welt als prinzipiell messbar und quantifizierbar, die zweite Richtung interessiert sich für Sinnzusammenhänge und Bedeutungsstrukturen, die es zu erfassen gilt. Die typischen „Daten“ der beiden Ansätze sind mathematische Relationen zwischen Variablen (gewonnen aus statistischen Zahlen oder Skalen in Fragebögen) respektive Texte und audiovisuelles Material (bspw. narrative Interviews, Zeitungsartikel oder Fotographien). Das Forschungsinteresse bestimmt die Wahl des geeigneten – quantitativen oder qualitativen – „Handwerkszeugs“ der Sozialforschung. Am Institut werden quantitative Studien v.a. im Fachbereich Kulturorganisation durchgeführt. Die Ausrichtung der Lehrstühle „Kultursoziologie“ und „Kultur- und Mediensoziologie“ geht genuin mit qualitativen Erhebungs- und Auswertungsmethoden einher, die in Forschungslehrseminaren und in Zusammenarbeit mit dem Methodenzentrum vermittelt werden.