Psychonik

Allgemeines zum Forschungsschwerpunkt

Die Psychonik ist eine neue, in­no­va­ti­ve und in­ter­dis­zi­plinäre Wis­sen­schafts­dis­zi­plin. Ihr Ge­gen­stand ist die Über­tra­gung von Er­kennt­nis­sen der na­tur­wis­sen­schaft­lich ori­en­tier­ten Psy­cho­lo­gie auf tech­ni­sche Sys­te­me. Der Trans­fer von Ge­setzmäßig­kei­ten der Wahr­neh­mungs-, Mo­ti­va­tions,- Ko­gni­ti­ons-, Lern- und Ver­hal­ten­s­psy­cho­lo­gie auf tech­ni­sche Sys­te­me ermöglicht die Kon­struk­ti­on von Geräten, de­ren funk­ti­ons­ge­bun­de­ne Me­cha­nik durch psy­cho­lo­gi­sche In­ter­pre­ta­ti­ons- und Steue­rungs­pro­zes­se er­wei­tert wird.

Die Psychonik hat enge Berührungs­punk­te zur klas­si­schen Bio­nik und der „künst­li­chen In­tel­li­genz­for­schung“. Während in der Bio­nik Er­kennt­nis­se der Bio­lo­gie zur Op­ti­mie­rung me­cha­ni­scher Kon­struk­ti­ons­prin­zi­pi­en her­an­ge­zo­gen wer­den, lie­fert die „künst­li­che In­tel­li­genz­for­schung“ Al­go­rith­men zu ko­gni­ti­ven Pro­zes­sen, die durch ent­spre­chen­de Soft­ware die au­to­no­me Steue­rung von Ma­schi­nen ermöglicht. Ihr we­sent­li­ches An­wen­dungs­ge­biet liegt im Be­reich der Ro­bo­tik. Im Un­ter­schied dazu ver­sucht die Psychonik ein­zel­ne tech­ni­sche Sys­te­me mit ge­zielt funk­ti­ons­ge­bun­de­nen psy­cho­lo­gi­schen Steue­rungs- und In­ter­pre­ta­ti­ons­pro­zes­sen aus­zu­stat­ten. In­ter­pre­ta­ti­ons­pro­zes­se be­zie­hen sich auf den Um­stand, dass die In­ter­ak­ti­on zwi­schen Mensch und Ma­schi­ne um den As­pekt der In­ter­pre­ta­ti­on des mensch­li­chen Ver­hal­tens er­wei­tert wird. Ma­schi­nen wer­den da­mit nicht nur zu „Be­fehls­empfängern“, die in kon­stan­ter Wei­se auf Kom­man­dos re­agie­ren, son­dern zu Sys­te­men, die sich „kon­text­ad­ap­tiv“ und teil­au­to­nom ver­hal­ten. So können bei­spiels­wei­se durch die Im­ple­men­tie­rung von Emo­ti­ons­in­ter­pre­tern Fahr­zeu­ge den emo­tio­na­len Zu­stand des Fah­rers er­ken­nen und im Be­darfs­fall, etwa bei Übermüdung des Fah­rers, die Si­cher­heits­sys­te­me in Alarm­be­reit­schaft ver­set­zen. Um­ge­kehrt können Fahr­zeu­ge durch Ver­mitt­lung emo­tio­nal ein­gefärb­ter Rück­mel­dun­gen dem Fah­rer si­gna­li­sie­ren, dass die­ser sein Fahr­zeug nach­hal­tig, d.h. bspw. um­welt- und ma­te­ri­al­scho­nend be­treibt.
 

Struktur des Forschungsschwerpunktes, Teilprojekte und Entwicklungsziele

Da die Ein­bin­dung emo­tio­na­ler Pro­zes­se in tech­ni­sche Sys­te­me für die Denk­wei­se der Psychonik be­son­ders cha­rak­te­ris­tisch ist, be­zieht sich ein we­sent­li­cher Teil der For­schungs­ak­ti­vitäten auf die­sen Be­reich.

Ein ers­ter in­halt­li­cher Schwer­punkt liegt im Be­reich der Emo­ti­ons­er­ken­nung und Emo­ti­ons­in­ter­pre­ta­ti­on durch tech­ni­sche Sys­te­me (Teilprojekt 1). Hier geht es um psy­cho­lo­gi­sche Er­kennt­nis­se und Ver­fah­ren zur Emo­ti­ons­er­ken­nung und –klas­si­fi­ka­ti­on (Psy­cho­lo­gie) so­wie um die Al­go­rith­men zur au­to­ma­ti­schen  Er­ken­nung von Emo­tio­nen (In­for­ma­tik). For­schungs­zie­le sind die Ent­wick­lung ei­nes Ge­sichts­mi­mik­scan­ners, der die au­to­ma­ti­sche Be­stim­mung von Emo­tio­nen er­laubt, so­wie die Ent­wick­lung ei­nes Sprech­pa­ra­me­ter­ana­ly­zers, der aus Cha­rak­te­ris­ti­ka des sprach­li­chen Aus­drucks Rück­schlüsse über den emo­tio­na­len Zu­stand ei­ner Per­son er­laubt.

Der zwei­te in­halt­li­che Schwer­punkt beschäftigt sich mit der Er­ken­nung und In­ter­pre­ta­ti­on der Emo­tio­nen von Fahr­zeugführern so­wie der Steue­rung von Fahr­zeu­gen durch die au­to­ma­ti­sche (psy­cho­lo­gi­sche) In­ter­pre­ta­ti­on von In­for­ma­tio­nen aus Quel­len außer­halb und in­ner­halb des Fahr­zeugs (Teilprojekte 2 und 3).

Zu den Da­ten über die Fahr­si­tua­ti­on gehören u.a. auch In­for­ma­tio­nen, die sich auf die Ver­kehrsum­welt be­zie­hen. Ein we­sent­li­cher As­pekt ist da­bei die Po­si­ti­on des ei­ge­nen Fahr­zeugs im Verhält­nis zu den wei­te­ren Fahr­zeu­gen im Ver­kehrs­strom und die da­mit zu­sam­menhängen­de Ab­stands­re­gu­la­ti­on. In ei­nem wei­te­ren Schwer­punkt wird ver­sucht, ein ka­me­ra­ba­sier­tes Sys­tem der Ab­stands­re­gu­la­ti­on zu ent­wi­ckeln (Teilprojekt 4).

Ein vier­ter in­halt­li­cher Schwer­punkt beschäftigt sich mit der Fra­ge, wie Ma­schi­nen ihre Zustände be­son­ders ef­fek­tiv dem Ope­ra­teur/​Be­die­ner mit­tei­len können. Der Fo­kus liegt da­bei auf emo­tio­nal ein­gefärb­ten Rück­mel­dun­gen. Aus der psy­cho­lo­gi­schen For­schung ist be­kannt, dass emo­tio­nal be­haf­te­te In­for­ma­tio­nen ei­ner­seits zu ei­ner erhöhten Auf­merk­sam­keits­zu­wen­dung führen und an­de­rer­seits bes­ser be­hal­ten wer­den. Hier wer­den Mo­del­le ent­wi­ckelt, die die Be­triebs­zustände von Ma­schi­nen in Emo­tio­nen über­set­zen. Hier­bei ist es not­wen­dig zu un­ter­su­chen, wie die­se emo­tio­nal getönten In­for­ma­tio­nen aus­se­hen müssen, da­mit sie (noch) auf Ak­zep­tanz des Be­die­ners stoßen (Teilprojekt 5).

Sprecher des Forschungsschwerpunktes

  • Prof. Dr. Rainer Höger

Kooperationspartner

Volks­wa­gen AG, Wolfs­burg, Kon­zern­for­schung

ADAC Fahr­si­cher­heits­zen­trum Lüne­burg