Studierende im Porträt: Katharina Benz – Plötzlich Wissenschaftlerin

28.10.2019 Die Stu­den­tin schrieb im ma­the­ma­tisch-in­for­ma­ti­schen Kom­ple­mentärse­mi­nar von Pao­lo Mer­co­rel­li eine so gute Haus­ar­beit, dass sie zu ei­ner wis­sen­schaft­li­chen Kon­fe­renz ein­ge­la­den wur­de und dort so­gar den Best-Pa­per-Award ge­wann. Mit die­ser Ent­wick­lung hat­te die Stu­den­tin zu Be­ginn des Kur­ses kaum ge­rech­net.

Studierende Katharina Benz ©Leuphana/Patrizia Jäger

Ka­tha­ri­na Benz zwei­fel­te. Soll­te sie zur Kon­fe­renz nach Leip­zig fah­ren? Dort würden Wis­sen­schaft­ler*in­nen aus al­ler Welt über For­schungs­er­geb­nis­se in Com­pu­ter Sci­ence dis­ku­tie­ren. Sie selbst stu­diert im Ba­che­lor Um­welt­wis­sen­schaf­ten und war sich nicht si­cher, ob sie vor ei­ner in­ter­na­tio­na­len wis­sen­schaft­li­chen Ge­mein­schaft be­ste­hen könnte. Da­bei hat­te die 22-Jähri­ge al­len Grund, op­ti­mis­tisch zu sein: Im Kom­ple­mentärse­mi­nar „Ba­sic tech­ni­ques in esti­ma­ti­on and in con­trol using Mat­lab/​Si­mu­link for not en­gi­neers“ hat­te sie eine so her­aus­ra­gen­de Haus­ar­beit ge­schrie­ben, dass sie zur „Fe­dera­ted Con­fe­rence on Com­pu­ter Sci­ence and In­for­ma­tics“ ein­ge­la­den wur­de. Ihre Ar­beit soll­te in­ter­na­tio­nal pu­bli­ziert wer­den. 

Zu Be­ginn des Se­mi­nars hat­te sie sich ei­nen sol­chen Ver­lauf nicht vor­stel­len können. „Mir fiel die kom­ple­xe Ma­the­ma­tik zunächst sehr schwer. Ich war mir nicht ein­mal si­cher, ob ich die Prüfung über­haupt be­ste­hen würde“, er­in­nert sich Ka­tha­ri­na Benz. Doch die Stu­den­tin biss sich fest, schrieb al­les mit, was erklärt wur­de und frag­te im­mer wie­der nach. „Lang­sam ent­wi­ckel­te ich ein Gefühl für die Glei­chun­gen und wel­che Pro­ble­me da­mit gelöst wer­den können.“ Pao­lo Mer­co­rel­li, Pro­fes­sor für Re­ge­lungs- und An­triebs­tech­nik, bot das Se­mi­nar im WS 2017/​18 an. Dem In­ge­nieur ging es nicht nur um ma­the­ma­ti­sche Mo­del­lie­run­gen. Viel­mehr soll­ten die Stu­die­ren­den ein kon­kre­tes Pro­blem lösen. Ka­tha­ri­na Benz beschäftig­te sich mit Über­fi­schung. „Wir ha­ben ei­nen Al­go­rith­mus ent­wi­ckelt, der die an­ge­mes­se­ne An­zahl ak­ti­ver Fi­scher und ei­nen ge­eig­ne­ten Zeit­raum für das Fi­schen be­stim­men kann. Die­ses Werk­zeug kann nach­hal­ti­ges Ma­nage­ment er­leich­tern“, erklärt Ka­tha­ri­na Benz. 

Grund­la­ge war die Lot­ka-Vol­ter­ra-Glei­chung. Die­se be­schreibt die Räuber-Beu­te-Be­zie­hung in ei­nem ge­schlos­se­nen Sys­tem. Im Mo­dell des Se­mi­nars war der Räuber der Mensch und die Beu­te der Fisch. Das Sys­tem wur­de mit „Sli­de Mode Con­trol“ kom­bi­niert. Das ma­the­ma­ti­sche Ver­fah­ren wird häufig in der Re­ge­lungs­tech­nik an­ge­wen­det, dem For­schungs­ge­biet von Pao­lo Mer­co­rel­li. „Er hat­te in der Se­mi­n­ar­be­schrei­bung erklärt, dass sich Glei­chun­gen aus dem tech­ni­schen Be­reich auch auf le­ben­di­ge Sys­te­me an­wen­den las­sen. Da ich Um­welt­wis­sen­schaf­ten stu­die­re, in­ter­es­sier­te mich das“, er­in­nert sich Ka­tha­ri­na Benz. 

Trotz her­aus­for­dern­der The­ma­tik be­reut Ka­tha­ri­na Benz die Wahl des Se­mi­nars nicht: „Pro­fes­sor Mer­co­rel­li war un­glaub­lich en­ga­giert. Ich habe sehr viel ge­lernt.“ Als sie sich für das Se­mi­nar ein­schrieb, hoff­te sie auch ihre Soft­ware-Kennt­nis­se zu ver­bes­sern. Im Kurs wur­de mit zwei ma­the­ma­ti­schen Pro­gram­men ge­ar­bei­tet: Mat­lab und Si­mu­link. Zusätz­lich muss­te sie ihre Haus­ar­beit im Stil ei­ner wis­sen­schaft­li­chen Pu­bli­ka­ti­on ein­rei­chen. Dazu soll­te sie die Soft­ware La­tex be­nut­zen. „Auch das war nicht ganz ein­fach, aber ich bin froh, dass ich mich in die Pro­gram­me ein­ar­bei­ten konn­te“, sagt Ka­tha­ri­na Benz. 

Ka­tha­ri­na Benz er­hielt für ihre Se­mi­nar­leis­tung nicht nur eine sehr gute Note, am Ende wur­de auch ihr Mut zum Kon­fe­renz­be­such be­lohnt: Die Stu­den­tin setz­te sich in ih­rem Be­reich ge­gen rund 20 Vor­tra­gen­de durch und er­hielt den Best-Pa­per-Award: „Das war wirk­lich un­glaub­lich. Da­bei hat­te ich vor­her rie­si­ge Angst vor sehr kri­ti­schen Fra­gen.“ Die ka­men aber nicht, denn Ka­tha­ri­na Benz war gut vor­be­rei­tet, hat­te den eng­lisch­spra­chi­gen Vor­trag vor Mit­be­woh­ne­rin­nen und El­tern geübt. Auch abends im Ho­tel hat­te sie noch ein­mal laut ge­probt. „Ich war sehr auf­ge­regt, aber auf Einwände bezüglich der Va­li­dität des Al­go­rith­mus gut vor­be­rei­tet. Wir ha­ben ein stark ver­ein­fa­chen­des Mo­dell ent­wi­ckelt, dies habe ich klar dis­ku­tiert.“ Ka­tha­ri­na Benz teilt sich die Aus­zeich­nung mit ih­ren Co-Au­to­ren, Pao­lo Mer­co­rel­li so­wie ei­nem Kom­mi­li­to­nen. 

„Mit Al­go­rith­men können vie­le wis­sen­schaft­li­che Pro­ble­me be­schrie­ben und auch gelöst wer­den“, erklärt Mer­co­rel­li. In dem Kurs ist noch ein wei­te­res Con­fe­rence Pa­per ent­stan­den. “Con­trol­ling a Bank Mo­del Eco­no­my by Sli­ding Mo­del Con­trol with Help of Kal­man Fil­ter“ ver­bin­det Be­triebs­wirt­schaft mit Al­go­rith­men. Die Stu­die­ren­den Hel­ge Ro­nald Sam­son, Claus Rech, Ka­tha­ri­na Benz sind Co-Au­to­ren von Pao­lo Mer­co­rel­li. Die Ar­beit soll demnächst auf ei­ner Kon­fe­renz in Bo­lo­gna vor­ge­stellt wer­den. Mer­co­rel­li befürwor­tet die in­ter- und mul­ti­dis­zi­plinären Ein­satz von Al­go­rith­men, der für ihn bis in die Geis­tes­wis­sen­schaf­ten rei­chen kann. Des­halb wird der Wis­sen­schaft­ler wei­te­re Kom­ple­mentärse­mi­na­re an­bie­ten, die sich so­wohl an In­ge­nieur*in­nen als auch an Nicht-In­ge­nieur*in­nen wen­den.