„Die Zahlungspflicht besteht weiter“

30.03.2020 Leuphana-Alumna Dr. Melanie Weber-Moritz ist Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes (DMB), der Dachorganisation für mehr als 300 örtliche Mietervereine in Deutschland mit rund 1,3 Millionen Mitgliedern. Im Interview erklärt sie, welche Rechte Mieter*innen in Zeiten von Corona haben, was insbesondere für WGs gilt und warum ein Fonds fürs Wohnen nötig ist.

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1 ©Katrin Eismann
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Frau Dr. Weber-Moritz, in der vergangenen Woche haben Bundestag und Bundesrat u.a. eine Gesetzesänderung zum Mieterschutz beschlossen. Was ist der wichtigste Punkt?

Die Mieter*innen kann zwischen dem 1.4. und 30. Juni 2020 Corona-bedingt nicht gekündigt werden. Dies lässt sich etwa durch einen Beleg des Arbeitsgebers über den Verdienstausfall nachweisen. Die nicht-gezahlten Mietschulden müssen aber spätestens bis 30. Juni 2022 zurückgezahlt werden. Wir hören im Moment häufig das Gerücht, es müsse keine Miete mehr gezahlt werden. Das stimmt aber nicht.
 

Viele Studierende leben in WGs. Ergibt sich für sie eine andere Situation als für Einzelmieter*innen?

Grundsätzlich nein. Studierende, die sich bisher durch Mini-Jobs finanziert haben, könnten beispielsweise nachweisen, dass etwa die Kneipe, in der sie bisher gekellnert haben, schließen musste. Sie sind dann genauso vor Kündigung geschützt. Aber außer der Mietstundung ändert sich im Mietrecht nichts. Im Mittelpunkt steht der Vertrag. Gerade bei WGs kann das zu unterschiedlichen Konstellationen führen. Gibt es einen Hauptmieter, muss er zahlen, wenn die anderen Mieter*innen ausfallen. Wenn mehrere Hauptmieter im Vertrag stehen und ein weiterer Mitbewohner nicht mehr zahlen kann, weil er beispielswiese seinen Kellnerjob durch Corona verloren hat, müssen die Hauptmieter dafür einstehen. Sie werden also auch in Zeiten von Corona die finanzielle Last tragen. Bin ich Untermieter und die Hauptmieterin kann nicht mehr zahlen, könnte ich im Einverständnis mit dem Vermieter den Mietausgleich zahlen. Hier kann eine schriftliche Vereinbarung mit dem/der Vermieter*in Sicherheit schaffen. Grundsätzlich empfehlen wir bei Zahlungsschwierigkeiten, schnell Kontakt mit dem Vermieter aufzunehmen.
 

Möglicherweise verschiebt die Mietstundung für viele nur finanzielle Probleme. Nicht jede/r Mieter*in wird die Schulden später begleichen können.

Wir schlagen deshalb gemeinsam mit dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. (GdW) einen steuerfinanzierten Solidarpakt vor. Noch im April soll der Sicher-Wohnen-Fonds im Bundestag eingebracht werden. Nicht zahlbare Mieten würden dann zunächst als unbürokratische Soforthilfe in Form eines zinslosen rückzahlbaren Darlehens vom Staat übernommen. Später sollte geprüft werden, ob die Mieter*innen mittlerweile wieder in der Lage sind, ihre Mietschuld zu begleichen oder ob sie das Darlehen in Form eines nicht-rückzahlbaren Zuschusses erstattet bekommen. Damit wären auch die Vermieter*innen abgesichert. Große Wohnungsgesellschaften haben Rücklagen, aber gerade kleine Vermieter*innen können durch die Mietstundung in eine finanzielle Schieflage geraten.

Die Politik- und Sozialwissenschaftlerin Dr. Melanie Weber-Moritz promovierte bei Harald Heinrichs, Professor für Nachhaltigkeit und Politik am Institut für öffentliche Nachhaltigkeitssteuerung der Fakultät Nachhaltigkeit zu ‚Alltagsbildern des Klimawandels‘.