Lehrpreis 2020: Camilla Cassidy - „Herausfinden, wie man Dinge herausfindet“

06.11.2020 Dr. Camilla Cassidy von der Fakultät Nachhaltigkeit wird mit dem Lehrpreis 2020 ausgezeichnet. Die Ausschreibung dieses mit 2000 Euro dotierten Lehrpreises bezog sich auf exzellente Leistungen einschließlich des Wintersemesters 19/20. Bereits seit 2007 würdigt die Leuphana auf diese Weise herausragende Leistungen in der Lehre und Lehrentwicklung.

Dr. Camilla Cassidy ©Marvin Sokolis
Camilla Cassidy studierte Literaturwissenschaft und schloss 2015 mit einer Promotion über Romane des 19. Jahrhunderts ab. Nach Stationen an der University of Oxford (UK) und am Middlebury College (USA) kam sie 2017 an die Leuphana.

Camilla Cassidy ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin des Studiengangs „Studium Individuale“. Das Studium Individuale hat kein vorgegebenes Curriculum. Studierende setzen es sich selbst zusammen. Dies bringt für die Studierenden große Freiheitsgrade mit sich, erfordert zugleich aber auch ein erhöhtes Maß an Selbstverantwortung sowie an Begleitung und Unterstützung seitens der Lehrenden. In ihrem Vorschlag für den Lehrpreis 2020 hebt die Fachgruppenvertretung Studium Individuale insbesondere auch die von Camilla Cassidy entwickelten und umgesetzten Advising-Angebote hervor. Diese gingen weit über klassische Sprechstunden hinaus. In ihrem stetigen Feedback zeige Camilla Cassidy, dass sie sich mit Expertise und Offenheit dem Lernprozess jeder/jedes einzelnen widme, anstatt den einfachen Weg von „‚one fits all‘ Lösungen“ zu gehen.

„Die Auszeichnung mit dem Lehrpreis erfolgt für Camilla Cassidys herausragendes Engagement für das Studium Individuale und ihre innovative und forschungsorientiere Lehre im Sinne einer selbstverantwortlichen und selbstgesteuerten aber zugleich optimal begleiteten Bildung“, erläutert Dr. Judith Gurr vom Lehrservice die auf den Nominierungen von Studierenden und Studienkommissionen basierende Entscheidung des Präsidiums. In ihrem interdisziplinären Methodenseminar „Ways of Knowing“ für Erstsemester des Studium Individuale legt Camilla Cassidy Wert auf selbstbestimmtes Lernen und eigenständiges Experimentieren mit wissenschaftlichen Methoden: „Dieser Kurs erforscht gewöhnliche Objekte und zeigt, indem er sie einer Reihe von 'Handlungen' oder Forschungsmethoden unterzieht, scheinbar einfache Dinge aus mehreren und überraschenden Perspektiven“, erklärt Camilla Cassidy. Zum Beispiel wählte eine Gruppe von Studierenden „Fahrräder“ als Gegenstand und wollte mehr über Nutzerverhalten und -einstellungen herausfinden: „Warum werden Fahrräder in Lüneburg genutzt und in welchen Zusammenhängen steht diese Nutzung?“ Zentral war dann die Frage, welche Methode zur Bearbeitung dieser Fragestellung geeignet ist und dass man bei der Wahl der Methode sehr vorsichtig und gezielt vorgehen muss. Die Fahrrad-Gruppe entschied sich für Umfragen mit Personen, die in der studentischen Werkstatt „KonRad“ ihre Fahrräder reparieren.
Eine andere Studentin, die ihre Fächerwahl innerhalb des Studium Individuale am Thema „Alternative Bildung“ ausrichtet, wählte als Kursobjekt „(Sitz-) Bänke“. In dem Seminar besuchte und interviewte sie Lehrer*innen an Schulen und erarbeitete ein Konzept, wie andere Anordnungen von Sitzbänken den Unterricht verbessern können.

Camilla Cassidy ist sich bewusst, dass das Seminar durchaus fordernd ist: „Die gesamte Struktur des Kurses besteht darin, dass die Studierenden sehr aktiv sein müssen. Sie werden aufgefordert, unabhängig zu sein. Aber wir führen viele Gespräche und sie probieren Ideen miteinander und mit mir aus. Wir diskutieren ihre laufenden Arbeiten. Das Prinzip des Kurses ist, dass von niemandem erwartet wird, dass er bzw. sie in einer einzigen Woche perfekt in einer Methode ist. Wichtig ist vielmehr, dass sie einen Lernprozess zeigen, verschiedene Methoden kennenlernen und diese in Hinblick auf eine gegebene Fragestellung reflektieren können. Das Ziel des Kurses ist erreicht, wenn die Studierenden sozusagen wissen, wie man an Wissen kommt – es geht darum herauszufinden, wie man Dinge herausfinden kann.” Zur Reflexion des eigenen Lernprozesses verfassten die Studierenden Forschungstagebücher, in denen sie dokumentierten, was gut lief, was nicht so gut lief und wie sie ihre Methode in Zukunft aufgrund ihrer Erfahrungen ändern würden.

„Je ein Nachmittag in der Woche war für Besprechungen von laufenden Arbeiten vorgesehen und einer für die Erörterung von Rückmeldungen für abgeschlossene Arbeiten“, erläutert Camilla Cassidy ihr umfangreiches Beratungsangebot. Für den Kurs hat  Camilla Cassidy außerdem ein bemerkenswertes, umfangreiches Handbuch zusammengestellt, in dem sie Aufbau und Struktur, Lernziele, Prüfungsleistungen und -kriterien verständlich und detailliert darlegt, so dass  die Studierenden ihren eigenen Weg durch den Kurs entwickeln können. „Studierendenvorschlag und Evaluation zeigen, dass es sich um ein wissenschaftlich sehr anspruchsvolles und forderndes Seminar handelte, dazu mit der Herausforderung einer heterogener Studierendenschaft”, kommentiert Judith Gurr. „Die positive Resonanz der teilnehmenden Studierenden und der Fachgruppenvertretung ist daher umso bemerkenswerter.”