Vorlesungsverzeichnis

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Lehrveranstaltungen

Anachronismus-Verdacht!? Zeitmodelle in der Geschichtsschreibung (Seminar)

Dozent/in: Matthias Koch

Termin:
wöchentlich | Dienstag | 12:15 - 13:45 | 06.04.2021 - 06.07.2021 | Online-Veranstaltung

Inhalt: Das Seminar behandelt einige grundlegende Aspekte und Fragestellungen der Geschichtsschreibung und konzentriert sich dabei auf die Funktionen, den Wandel und die Vielfalt von Zeitmodellen im Kontext historischer Forschung. Wir befassen uns insofern auch mit dem Wandel der Auffassungen davon, was Geschichte ist und wie Geschichte geschrieben wird. Zeit bzw. Temporalität hat für historische Forschung eine doppeldeutige Bedeutung: Geschichtsschreibung befasst sich mit Zeit, sie beschreibt bspw. diachrone Prozesse (d.h. Wandel über längere Zeit hinweg) oder sie zeigt Wandel über den Vergleich unterschiedener synchroner Zustände. Was und wie auch immer sie beschreibt, Geschichtsschreibung benötigt dazu gleichzeitig eine Vorstellung von der Form dieser Verläufe. Sie bedarf also eines Modells. Solche Modelle liegen jeder historiografischen Beschreibung notwendigerweise immer schon zugrunde, sie sind ihre Voraussetzung und strukturieren den entstehenden Text sowie den darin beschriebenen historischen Prozess. Als Beispiele ließen sich hier Ereignisgeschichte, Strukturgeschichte oder die Modellierung von Geschichte nach dem Konzept von Evolution, Revolution, Kontinuität oder Diskontinuität nennen. In diesem Sinne hat Geschichtsschreibung Zeit also genauso zum Gegenstand, wie sie diesen Gegenstand allererst fabriziert. Als Einstieg und Bezugspunkt dient dem Seminar das temporale Konzept des Anachronismus, das wir historisch-theoretisch einordnen und kritisch diskutieren werden: Der Anachronismusbegriff verweist zum einen auf den methodischen Anspruch der Geschichtsschreibung, vergangene Wirklichkeiten im Horizont der in ihnen geltenden Begriffe, Mentalitäten oder Praktiken zu beschreiben. Zum anderen verweist der Anachronismusbegriff auf die unausweichliche Situation der Forschung, dass sie aus ihrer Gegenwart heraus operiert, d.h. im Horizont von Begriffen, Mentalitäten oder Praktiken, die mit denen vergangener Wirklichkeiten nicht identisch sind. Armbanduhren in Sandalenfilmen? Von Medien im heutigen Sinne sprechen, wenn es um den Buchdruck in der frühen Neuzeit geht? Rabelais einen Atheisten nennen, obwohl er im 15./16. Jahrhundert lebte und die zeitgenössische Mentalität eine atheistische Einstellung gar nicht erlaubte? Das ist doch anachronistisch! „Das Problem ist also, [ ... ] nicht in die schlimmste, die unverzeihlichste aller Sünden, den Anachronismus, zu verfallen.“ (Lucien Febvre: Das Problem des Unglaubens. Die Religion des Rabelais, 1942) Als anachronistisch wird bezeichnet, was als überholt oder als vorwegnehmend angesehen wird, i.S.v.: Es hatte sein Zeit oder seine Zeit ist noch nicht gekommen. Der Ausdruck dient zweitens der Feststellung, etwas sei zeitlich falsch eingeordnet, wie etwa die Armbanduhr im Sandalenfilm oder die Verwendung des Konzepts ‚Atheismus‘ -- s. das Lucien Febvre-Zitat -- für eine Zeit, von der angenommen wird, dass sie dieses Konzept noch nicht kannte. Wird etwas als anachronistisch bezeichnet, so entspricht dies der Absicht, eine als Fehler betrachtete Verwechslung der Zeiten (griechisch ‚ana-‘: gegen und ‚chrónos‘: Zeit) bzw. eine Unvereinbarkeit von Vergangenem, Gegenwärtigen und Zukünftigem zu korrigieren. Der Annales-Historikers Lucien Febvre bringt den methodischen Anspruch, historische Wirklichkeiten zu ihrem Recht kommen zu lassen und sie in ihrer Eigengesetzlichkeit zu erfassen, prägnant auf den Punkt, wenn er sagt, Historiker hätten Anachronismen unter allen Umständen zu vermeiden. Das Konzept ‚Anachronismus‘ und damit verbundene Auffassungen von Geschichte und historischer Forschung haben jedoch ihrerseits eine Geschichte. Sie haben also nicht immer existiert, sondern sind Resultat spezifischer historischer Entwicklungen. Im Besonderen stehen sie mit einem westlichen, neuzeitlichen, an die Idee der Chronologie geknüpften Geschichtsbegriff in Verbindung, über den wir sprechen werden. Die Debatten darüber, was unter Anachronismen zu verstehen ist, inwiefern sie problematisch sind, inwiefern sie aber produktiv und ggf. sogar unvermeidbar sind, lassen sich zwischen den beiden Polen "Historismus" und "Präsentismus" einordnen – eine Leitdifferenz auch für unser Seminar.

Einführung in die Geschichtsdidaktik und Geschichtskultur (Seminar)

Dozent/in: Marco Dräger

Termin:
wöchentlich | Dienstag | 18:15 - 19:45 | 06.04.2021 - 09.07.2021 | Online-Veranstaltung

Inhalt: Diese Einführung richtet sich an angehende Lehrerinnen und Lehrer und behandelt zentrale Fragestellungen, Arbeitsbereiche und Methoden der Geschichtsdidaktik. Der Schwerpunkt der Veranstaltung liegt auf der Thematisierung und Problematisierung von schulstufen- und altersspezifischen Besonderheiten bei der Planung und Durchführung von Unterricht. Sie führt ein in Grundfragen der schulischen Geschichtsvermittlung. Es geht u.a. um die Aufgaben der Geschichtsdidaktik, fachspezifische Schüler- und Lehrerkompetenzen, Strukturierungskonzepte von Geschichtsunterricht, geschichtsdidaktische Unterrichtsprinzipien sowie den Umgang mit unterschiedlichen Quellen und Darstellungen.

Verborgene Gründungstexte der Kulturwissenschaften: Martin Heidegger – Sein und Zeit (Seminar)

Dozent/in: Florian Huber

Termin:
wöchentlich | Dienstag | 10:15 - 11:45 | 06.04.2021 - 09.07.2021 | C 5.311 Seminarraum

Inhalt: Mit der 1927 erschienenen Abhandlung "Sein und Zeit" von Martin Heidegger (1889–1976) nimmt das Seminar einen der einflussreichsten und zugleich problematischsten Texte der Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts in den Blick, der nicht nur Denker_innen wie Hannah Arendt, Hans Jonas, Herbert Marcuse, Jean-Paul Sartre, Maurice Merleau-Ponty, Jacques Lacan, Jacques Derrida, Emmanuel Levinas oder Judith Butler entscheidend prägte, sondern auch in der Literatur, Kunst und Politik der Moderne seine Spuren hinterließ. Neben Grundbegriffen der Gegenwartsphilosophie rücken im gemeinsamen Close Reading daher auch die historischen Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen von Heideggers Hauptwerk in den Fokus. Die dabei formulierte Kritik an Autor und Werk mündet letztlich in eine Diskussion der dem Denken zugrundeliegenden Beziehungen zwischen Theorie und Politik und ihrer Relevanz für die Geschichte und Gegenwart kulturwissenschaftlicher Forschungspraxis.