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Lehrveranstaltungen

Politische Ökonomie des Geldes. Strukturen und Krisen monetärer Ordnungen (Seminar)

Dozent/in: Aaron Sahr

Termin:
wöchentlich | Montag | 10:15 - 11:45 | 06.04.2021 - 09.07.2021 | C 40.146 Seminarraum

Inhalt: Inspiriert von traditionellen Wirtschaftstheorien haben auch die Sozialwissenschaften das Geld häufig als unpolitisches Werkzeug behandelt; es galt (und gilt) als neutrales Tauschmittel und funktionales Kommunikationsmedium. „Politisch“ schien allenfalls die Verteilung von Geldvermögen, nicht aber die Architektur und Steuerung der Institution selbst. Im 20. Jahrhundert setzten sich deswegen Idealvorstellungen monetärer Ordnungen durch, in der die Rolle der Politik auf die Gewährleistung von Preisstabilität reduziert und diese Aufgabe an möglichst unabhängige Zentralbanken delegiert wurde. Teile der Sozialwissenschaften haben die traditionellen Wirtschaftstheorien aber auch wiederholt dafür kritisiert, die genuin politische Qualität des Geldes zu übersehen. Während Geld in der volkswirtschaftlichen Tradition – vereinfacht gesagt – als Werkzeug für Marktwirtschaften konzipiert wurde, das findige Händler*innen aus Gründen der Bequemlichkeit erfanden, ist das Geld für diese Teile der Sozialwissenschaften ganz grundsätzlich eine politische Institution. Weder lässt sich nämlich die Entstehung und Entwicklung des Geldes mit einer rein funktionalistischen Sprache verstehen noch eine Theorie des Geldes auf dieser Basis schreiben. Lang gehegte Zweifel an dieser Hypothese eines an sich unschuldigen Geldes befeuern jüngste Forschungen und Debatten in den Sozialwissenschaften. Sie nehmen die Funktion des Geldes zusammen mit seiner Produktion in den Blick und verweisen darauf, dass monetäre Ordnungen durch gesellschaftliche Konfliktlagen geprägt sind und auf diese Einfluss nehmen – also genuin politisch verfasst sind. Anlass dafür bieten das unkontrollierte Wachstum privat geschöpfter Geldmengen, die anhaltende Notwendigkeit „unkonventioneller“ Zentralbankpolitiken, die Unterfinanzierung der öffentlichen Hand, die Persistenz einer globalen Dominanz des Dollars, monetäre Verwerfungen in der Eurozone oder das Aufkommen digitaler Konkurrenzwährungen. Im Seminar werden unterschiedliche empirische und theoretisch Stellungnahmen zum Verhältnis von Geld und Politik gelesen und kritisch diskutiert. Behandelt werden Themen wie die Entstehung des Geldes und die Verknüpfung von Geldgeschichte und Geldtheorie, die Mechanismen und Machtverhältnisse privater und öffentlicher Geldschöpfung, Inflation als Klassenkonflikt, die umstrittene Unabhängigkeit von Zentralbanken oder Konstellationen und Spannungen monetärer Souveränität auf globaler und europäischer Ebene. Damit verknüpft das Seminar akademische Debatten mit politisch-gesellschaftlicher Aktualität.