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Lehrveranstaltungen

Narrative als Mittel zur Verbesserung von Intergruppenbeziehungen (Seminar)

Dozent/in: Birte Siem

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 08:15 - 09:45 | 04.04.2022 - 08.07.2022 | C 4.215 Seminarraum

Inhalt: Narrative, also in Form einer Geschichte vermittelte Informationen, sind allgegenwärtig: Wir rezipieren Fernsehsendungen, schauen Youtube-Videos, hören Podcasts, lesen Bücher oder schauen uns Comics an. Immer häufiger werden Narrative auch gezielt eingesetzt, um bestimmte Botschaften an die Rezipient*innen zu vermitteln. So wird beispielsweise eine spezifische narrative Form, Entertainment Education (EE; auch: Edutainment), bereits seit einigen Jahren erfolgreich dazu eingesetzt, um verschiedene positive Verhaltensweisen zu fördern. EE hat das Ziel, edukative Botschaften so zu gestalten und in Medienangebote einzubinden, dass den Rezipient*innen Wissen, Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen auf eine unterhaltsame Art und Weise vermittelt werden. Bisher wurde der Ansatz primär im Gesundheitsbereich (z.B. HIV-Aufklärung, Familienplanung) genutzt. Ziel des übergeordneten Forschungsprojekts, an das das Lehrforschungsprojekt angebunden ist, ist es, systematisch zu untersuchen, inwieweit EE auch dazu geeignet ist, Beziehungen zwischen sozialen Gruppen zu verbessern. Erste Befunde aus dem übergeordneten Forschungsprojekt sind recht vielversprechend. So konnten wir z.B. in einer unserer Studien zeigen, dass eine auf der Entertainment-Education-Idee aufbauende Intervention, bei der die Teilnehmenden einen kurzen unterhaltsamen Videoclip über verschiedene muslimische Personen schauten, zu einer Reduzierung von Vorurteilen gegenüber muslimischen Personen beitragen konnte, und darüber hinaus wirksamer war als herkömmliche Interventionen zur Reduzierung von Vorurteilen. Zudem finden sich in unserer Forschung erste Hinweise, dass Entertainment Education insbesondere diejenigen Personen erreichen könnte, die herkömmlichen Ansätzen zur Reduzierung von Vorurteilen (z.B. Diversity-Trainings) eher ablehnend gegenüberstehen. Ziel des Lehrforschungsprojekts ist es, an einer oder mehreren sich aus dem übergeordneten Projekt ergebenden offenen Fragestellungen anzusetzen und diese empirisch zu untersuchen. So ist beispielsweise derzeit noch unklar, warum EE-basierte Interventionen überhaupt zur Reduktion von Vorurteilen beitragen können, ob EE-basierte Interventionen auch dazu geeignet sind, Vorurteile gegenüber anderen, stärker vorurteilsbehafteten sozialen Gruppen zu reduzieren, oder welche Einstellungen Expert*innen und Praktiker*innen (z.B. Lehrkräfte) zur Verwendung EE-basierter Interventionen (z.B. im Rahmen des Unterrichts) haben. Idealerweise bilden sich im Rahmen des Lehrforschungsprojekts interessengeleitet Kleingruppen heraus, die jeweils eine eigene (Unter-)Fragestellung bearbeiten. Die empirischen Studien, die bisher im Rahmen des übergeordneten Forschungsprojekts durchgeführt wurden, sind dem quantitativen Paradigma zuzuordnen (z.B. Experimente, Einsatz standardisierter Fragebögen). Erste eigene Erfahrungen mit und/oder Interesse an quantitativen Forschungsmethoden sind daher wünschenswert (aber nicht notwendig für die Teilnahme). Gern können auch Fragestellungen eingebracht werden, die mit qualitativen Forschungsmethoden adressiert werden können. Ein Großteil der im Seminar behandelten Literatur wird englischsprachig sein.

Schweigen, geheimhalten, unsichtbarmachen: Informationskontrolle in der Kinder- und Jugendhilfe (Seminar)

Dozent/in: Lars Alberth

Termin:
Einzeltermin | Do, 07.04.2022, 10:15 - Do, 07.04.2022, 11:45 | C 12.006 Seminarraum | .
wöchentlich | Donnerstag | 10:15 - 11:45 | 14.04.2022 - 08.07.2022 | C 12.010 Seminarraum | .
Einzeltermin | Do, 07.07.2022, 10:15 - Do, 07.07.2022, 11:45 | C 12.006 Seminarraum | C 12.006

Inhalt: "Die Absicht des Verbergens nimmt aber eine ganz andre Intensität an, sobald ihr die Absicht der Entschleierung gegenübersteht. Dann entsteht jenes tendenziöse Verstecken und Maskieren, jene sozusagen aggressive Defensive gegen den Dritten, die man erst eigentlich als Geheimnis bezeichnet." (Simmel 1992, S. 405) "Manchmal ist ein Zielperson jedoch nicht ganz bereit, ihren Verlust als Erfahrungsgewinn zu akzeptieren und nichts zu ihrem Vorhaben zu sagen und zu tun. Sie kann sich veranlasst sehen, sich bei der Polizei zu beschweren oder den Missetätern nachzujagen. In der Fachsprache kann das Ziel "meckern" oder "durchkommen". Aus Sicht der Missetäter ist ein solches Verhalten schlecht für das Geschäft. Es verschafft den Mitgliedern der Bande einen schlechten Ruf bei der Polizei, die noch nicht feststeht, und bei den Zielen, die noch nicht anvisiert wurden. Um diese negative Publicity zu vermeiden, wird am Ende des "Stücks" manchmal eine zusätzliche Phase eingefügt. Nach dem Wutablassen bleibt einer der Agenten bei der Zielperson und bemüht sich, die Wut der Zielperson in einem überschaubaren und vernünftigen Rahmen zu halten. Der Operator bleibt hinter seinen Mannschaftskameraden als so genannter Cooler zurück und übt die Kunst des Tröstens auf das Opfer aus. Es wird versucht, die Situation für das Opfer so zu definieren, dass es ihm leicht fällt, das Unvermeidliche zu akzeptieren und in Ruhe nach Hause zu gehen. Die Zielperson wird in der Philosophie geübt, einen Verlust zu akzeptieren." (Goffman 1952, 451 f.) Die Viktimisierungsforschung betrachtet Offenlegung erlebter Gewalt gegenüber Dritten (Familienmitglieder, Freunde, Kinder- und Jugendhilfe, Beratungsstellen usw.) noch immer als unwahrscheinliches Ereignis, das davon abhängt, ob (a) Opfer überhaupt erkennen, dass sie zu Opfer geworden sind und (b) Opfer bereit sind, die sozialen, psychischen und u.U. materiellen Folgekosten einer Offenlegung zu tragen. Einige Studien zeigen jedoch, dass Kinder, die Gewalt erlebten, sich wiederholt im Laufe der Zeit an Freunde, Familie oder öffentliche Stellen wenden um Hilfe zu suchen. Diese wird jedoch häufig genug nicht geboten. In der Konsequenz heißt das, dass Kinder und Jugendliche bereit sind, die Kosten zu tragen, dass sie aber vielmehr daran scheitern, dass das familiäre und institutionelle Umfeld nicht bereit ist, die Situationsdefinition der Gewalt zu teilen: Sie glauben den Aussagen des Kindes nicht, werten diese ab oder sind aktiv daran beteiligt, die Situationsdefinition des Kindes abzuwehren, zu beschweigen oder gegenüber Dritten umzudeuten. In diesem Sinne soll die Lehrforschung dazu dienen, zu untersuchen, wie es den Beteiligten im Kinderschutz denn gelingt, von Situationsdefinitionen der Gewalt abzusehen. Der Fokus soll dabei auf den Strategien sowohl der Kinder (wann sie schweigen und wann sie etwas sagen) als auch der Familienmitglieder (wie sie auf solche Statusbedrohungen durch das Kind reagieren) und der sozialen Dienste (wie sie darauf eintreten und wie sie gegebenenfalls Definitionsangebote des Kindes zurückweisen) liegen. Als analytischer Zugang sollen unterschiedliche theoretische Konzepte aus der Professions- und Organisationssoziologie genutzt werden, u.a. Albert O. Hirschmanns Unterscheidung von "Exit", "Voice" und "Loyalty", die "Bewussheitskontexte" von Anselm Strauss und Barney Glaser, sowie "Techniken der Imagepflege" und "Cooling Out"-Prozesse von Erving Goffman. Über Auswahl und Ehrhebung der Daten wird im Seminar entschieden.

Schweigen, geheimhalten, unsichtbarmachen: Informationskontrolle in der Kinder- und Jugendhilfe (Seminar)

Dozent/in: Claudia Equit

Termin:
Einzeltermin | Do, 07.04.2022, 10:15 - Do, 07.04.2022, 11:45 | C 12.006 Seminarraum | .
wöchentlich | Donnerstag | 10:15 - 11:45 | 14.04.2022 - 08.07.2022 | C 5.310 Seminarraum | .
Einzeltermin | Do, 07.07.2022, 10:15 - Do, 07.07.2022, 11:45 | C 12.006 Seminarraum | C 12.006
Einzeltermin | Do, 07.07.2022, 12:00 - Do, 07.07.2022, 14:00 | C 5.310 Seminarraum | C 5.310

Inhalt: Arnd: „wenn es mal tatsächlich sein sollte was ich (...) dass man hier akute Kindeswohlgefährdung hat, weil n Betreuer irgendwie irgendwer ausgerastet ist und irgendwer irgendwen absolut mobbt oder asoziale Kommentare macht oder weiß Gott zu Handgreiflichkeiten gekommen ist (..) wen sollen wir ansprechen? unsere Eltern? […] manche von uns haben überhaupt gar keinen Kontakt zu ihren Eltern. Was sollen wir sagen?“ (Interview mit einem Jugendlichen in der Heimerziehung) In der Kinder- und Jugendhilfe gibt es vielfältige Ansätze, die Perspektiven der Nutzer*innen wie Kinder, Jugendliche, Eltern etc. in den Blick zu nehmen. Zu nennen sind beispielsweise die Nutzer*innenforschung, Adressat*innenorientierung, Lebensweltorientierung und Partizipation, die Einführung und Umsetzung der Kinderrechte in der Jugendhilfe und die Umsetzung der Konvention für Menschen mit Behinderungen. Im Zentrum dieser sehr unterschiedlichen theoretischen Ansätze und Gesetzesnormen im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe steht die Perspektive oder besser noch die Stimme (voice) der Adressat*innen. Diese Stimme soll gehört werden. Die Wünsche und Perspektiven der Betroffenen sollen zum Ausgangspunkt der Hilfegestaltung gemacht werden. Insbesondere in der Heimerziehung wird Orientierung an der Stimme der Adressat*innen inzwischen zu einem wichtigen Thema angesichts der Aufarbeitung der Gewalt- und Missbrauchsvorfälle in stationären Einrichtungen. Dabei sollen beispielsweise Beschwerdeverfahren für Kinder und Jugendliche in den Einrichtungen sowie Verfahren, die ihre Partizipation fördern, dazu beitragen, Kinderrechte in den Einrichtungen zu sichern und Minderjährige vor Gewalt und Missbrauch schützen. Dabei zeugen die bisherigen Gutachten und Untersuchungen zu Gewalt und Missbrauch in stationären Einrichtungen, dass der Verdeckungszusammenhang nach wie vor sehr hoch ist. Das Schweigen über Missbrauchs-, Mobbing- und Gewalttaten von Seiten der Fachkräfte, von Seiten der Leitung und von Seiten der Betroffenen ist häufig persistent. Betroffene, die versuchen dieses Schweigen zu durchbrechen, sind mit enormen Widerständen konfrontiert. Es gibt bisher nur wenige systematische Arbeiten, die sich mit Formen und Strategien des zum Schweigen bringens, des Verschweigens etc. in der Kinder- und Jugendhilfe auseinandersetzen. Allerdings verweisen Arbeiten etwa von Spyrou (2015) auf die These, dass neben der Untersuchung der Stimmen von Betroffenen (voice), ihren Wünschen und Anliegen zur Vollständigkeit ihr Schweigen, das Ver- und Beschweigen von Inhalten ebenso zu untersuchen ist. Vor diesem Hintergrund wird es im Seminar darum gehen, unterschiedliche Praktiken und Strategien des Schweigens aufzuspüren. Auf der Grundlage des Forschungsprojekts „Partizipation in Organisationskulturen der Heimerziehung“ gefördert durch die DFG werden Interviewmaterialien und Materialien zur Einarbeitung in die Thematik bereitgestellt, die für eine Analyse der Formen des „silencing“ genutzt werden können. In der Auseinandersetzung mit dem Forschungsprojekt, zugrundeliegenden Forschungsbefunden und Forschungsdiskursen erfolgt eine systematische Einarbeitung sowohl in den Forschungsstand als auch in die Forschungsmethoden.