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Ressourcen / Good Practice

„Schöne-Radrouten“­-Karte zur Uni

Leuphana Universität Lüneburg

Inhalt

Kontext

Nachhaltige Mobilität ist bereits seit den 1990ern ein Thema in Forschung und Lehre am Institut für Stadt- und Kulturraumforschung (IfSK). Unser Fokus früherer Seminare, Sicherheit, Schnelligkeit und Attraktivität des Radverkehrs zwischen Universität und Wohnbereichen zu stärken, führte letztlich zu einer Radschönrouteninitiative unter apl. Prof. Dr. Peter Pez und Dr. Antje Seidel vom IfSK. Auf der Basis eigener Ortskenntnis und langjähriger Forschungsarbeit kannten beide nicht nur zahlreiche Radelstrecken, sondern auch die Diskrepanz von realen Wegestrukturen und den Kenntnissen hierüber bei Verkehrsteilnehmer*innen (mental maps – Abbild der Wegestrukturen im Kopf). Hieraus entstand die Idee der interaktiven „Schöne-Radrouten“-Fahrradkarte. Damit wollen wir Mitarbeitenden und Studierenden, die in den Dörfern bis zu 15 km Entfernung wohnen, eine Alternative zum Auto aufzeigen. Die Routen aus den Stadtteilen und Vororten aller Richtungen zum Campus sind lärm- und abgasfrei sowie fast ampelfrei. Wir haben diese Routen elektronisch und als Broschüre entwickelt und veröffentlicht. Alle Interessierten können die Routen direkt im Internet oder via GPS-Koordinaten auf ihr Smartphone laden.

Ziele

  • Förderung der klimaschonenden Mobilität und Minderung des motorisierten Individualverkehrs im Rahmen der Nachhaltigkeitsorientierung der Leuphana Universität Lüneburg
  • Hinauswachsen des Radschönroutenkonzepts über den Universitätsverkehr
  • Umsetzung Konzept in Stadt und Landkreis
  • Erneute kartographische Dokumentation der identifizierten schönen Radrouten (Print- und auch wieder Onlinekarte), zusätzlich aber auch Ausschilderungen im verkehrlichen Umfeld
  • Erkennung und Ausweisung der Schön-Wege von Radler*innen-Navigations-Apps

Beitrag nachhaltige Mobilität

In der Nachhaltigkeitsforschung sind die Diskrepanzen bekannt, die zwischen Umweltwissen, -einstellungen und -verhalten auftreten. Die interaktive Fahrradkarte versucht, auf allen Ebenen zu wirken. Zunächst wollen wir das Wissen um Strecken abseits unattraktiver Radwege entlang von Hauptverkehrsstraßen durch Routenalternativen erweitern. Es geht um die Angleichung und damit Verdichtung der mental maps an das real existierende Wegenetz. Die Radschönrouten sind zudem kurz erklärt und mit fotografischen Landschaftseindrücken der zu durchradelnden Umgebung hinterlegt. Dies spricht die Einstellungskomponente an – genauer die Motive von Entspanntheit, Gesundheit, Fitness durch eigene Bewegung. Wir verstehen den Ausbildungs- bzw. Berufsweg als Teil von Lebensqualität, was letztlich die Handlungsbereitschaft initiiert, diese Wegstrecken auch auszuprobieren. Die Verkehrsmittelwahlforschung hebt dabei die Pull-Komponente eines Push-Pull-Konzepts hervor: Wir wollen Radfahren als schneller, sicherer und schöner erleben, als es die durch die Verkehrsplanung favorisierten (= ausgeschilderten) Wege erlauben und als es das Autofahren jemals sein kann.

Aufbau und Inhalt

Dr. Antje Seidel entwickelte die technische Darstellung und Implementierung. Sie und Prof. (apl.) Dr. Pez lieferten auch den größten Teil der Routenvorschläge bezüglich Strecken, fotografischer Illustrationen und Präsentationstexten. Weitere Kolleg*innen erweiterten die Vorschläge.

Ergebnisse

  • Hinauswirken des Radschönroutenkonzepts über den Campus hinaus
  • Projekt ist Bestandteil einer wissenschaftlichen Initiative zur Weiterentwicklung der Radverkehrsförderung „3.0“; durch Flächendeckung, Barrierefreiheit, analoge und digitale Netztransparenz gekennzeichnet
  • Nominierung des Konzepts für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2019
  • Gegenstand eines Fördermittelantrags der Bundesinitiative Modellvorhaben Rad des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur
  • Bislang keine systematische Nutzungserhebung zur interaktiven Fahrradkarte, weil zum Zeitpunkt des Aufbaus nicht vorhersehbar war, dass sich die Grundgedanken als Teil einer neuen Radverkehrsförderstrategie (RVF 3.0) ausweiten und verselbstständigen würden
  • Zahlreiche persönliche und positive Rückmeldungen (Anerkennung, Lob und Dank sowie Bemerkungen eines persönlichen Umstiegs vom Auto auf das Fahrrad bzw. Pedelec) gegenüber Initiator*innen

Verstetigung

Die interaktive Fahrradkarte ist fest in den Webauftritt und die Kommunikation der Leuphana integriert. Nicht nur, aber eben auch durch dieses Engagement benannte der Präsident den Mobilitätsexperten Prof. (apl.) Dr. Pez zum Präsidiumsbeauftragten für Verkehr und Mobilität der Universität. In dieser Eigenschaft unterstützt er bei allen verkehrlichen Themen, welche die Universität und die Stadt Lüneburg betreffen.

Studentische Partizipation

Studierende arbeiten seit 2018 in Projektseminaren an der Eruierung von Hindernissen im Radverkehrsnetz sowie an der Hinterlegung von Wegedaten in OpenStreetMap (OSM) speziell für die Radschönrouten. Ersteres dient der Optimierung von Wegezuständen und der Ausräumung von Beschilderungshindernissen (z.B. Nur-Gehwege, Einbahnstraßen, Zufahrtsverbote für alle Fahrzeuge statt nur Kfz). Die OSM-Arbeit soll dazu dienen, dass die Algorithmen der Radnavigations-Apps die Radschönrouten als attraktiv und schnell befahrbar erkennen und demgemäß ausweisen.

Umsetzung

Einblicke

Vielen Dank für die tollen Routenvorschläge! Ich nutze sie nicht nur für meinen Arbeitsweg, sondern auch für die Freizeit. Wirklich beeindruckend, was man in und um Lüneburg erradeln kann.

Mitarbeiterin Verwaltung

Diese Arbeit an den Radrouten hat mich fasziniert. Das ist wirklich ein ganz zentrales Element für die Stärkung des Radverkehrs. Vielleicht gelingt es mir ja, hier auch beruflich mal einzusteigen.

Umweltwissenschaftsstudent und Projektseminarteilnehmer 2019

Bisher fuhr ich vom Bahnhof zur Uni immer entlang der Willy-Brandt-Straße, jetzt nehme ich immer den Weg entlang des Lösegrabens und Wilschenbruch. Das geht schneller und ist so viel schöner.

Studentin

Zukunftsideen

Kaum zu glauben, aber in den 1960er Jahren wurde vielfach spekuliert, wie lange es noch dauere, bis der Radverkehr analog zu den USA aus dem Straßenbild verschwinden würde. Inzwischen gab es eine große Renaissance des Zweirades, die durch Elektrifizierung und Digitalisierung weiteren Aufwind erfährt. Es ist durchaus möglich, dass in Kombination mit restriktiven Maßnahmen für den Autoverkehr zumindest die Mobilität in Städten eines Tages dahin kommt, wo sie in den 1930er Jahren (in Europa) schon einmal war: einer Dominanz des Stadtverkehrs durch Fahrräder. Die Radverkehrsförderung 3.0, die ihre Wurzel in der interaktiven Fahrradkarte der Leuphana Universität Lüneburg hat, stellt bei einer solchen Entwicklung eine (wichtige) Teilstrategie dar: Radverkehr barrierefrei sowie (analog und digital) netztransparent gestalten. Nötig sind aber zusätzlich auch deutlich verbesserte Mitnahmemöglichkeiten des Rades im öffentlichen Personenverkehr (Nah- und Fernverkehr) sowie Maßnahmen der Verkehrsberuhigung bis hin zum Ausschluss von Autoregelverkehr aus zentralen Bereichen von Innenstädten, Wohngebieten (zentralisiertes Quartierparken) und größeren Betriebs- und Institutionsarealen. Letzteres betrifft auch die Hochschulen – in Lüneburg bewegen wir uns mit dem verkehrsberuhigten Campus bereits in diese Richtung.

Bisherige Erfolge

  • Mit der interaktiven „Schöne-Radrouten“-Karte zeigen wir, wie aus dem Arbeitsweg ein Gewinn für Körper und Seele wird. Die ausgewiesenen Wege sind nicht nur schön, sondern durch den wenigen bis fehlenden Kfz-Verkehr auch sicherer und oftmals schneller als die Wegeverbindungen, welche die Verkehrsplanung entlang der Hauptverkehrsstraßen ausweist.