Von Pflanzen, Bällen und einem pünktlichen Semesterstart

08.06.2020 Nichts los wegen Corona? Keineswegs. Kleine Geschichten aus dem Alltag Studierender und Lehrender zeigen, wie gut Universität auch in Pandemie-Zeiten funktionieren kann.

Blumenstrauß vor einer Wiese. ©Leuphana
Master-Studentin Lisa Boenke. ©privat
Julia Webersik, Leiterin des Lehrservice. ©Leuphana/Marietta Hülsmann
Prof. Dr. Patrick Velte ©Patrizia Jäger/Leuphana
Der Universitäts-Chor bei einer digitalen Probe. ©Leuphana
Master-Studentin Anne Quadflieg ©Norman Quadflieg | Leuphana

BWL und Nachhaltigkeit – Lehre und Forschung in Zeiten der Pandemie

„Die Corona-Krise zeigt uns deutlich, dass BWL und Nachhaltigkeit zwei Seiten ein und derselben Medaille sind“, sagt Patrick Velte. Der Professor für Betriebswirtschaftslehre, insb. Accounting, Auditing & Corporate Governance an der Fakultät Wirtschaft fährt fort: „Die Bundesregierung investiert derzeit Milliarden in den Aufschwung der deutschen Wirtschaft in der Corona-Krise. Wir sollten diese Steuergelder möglichst nicht in Geschäftsmodelle stecken, die es in ein paar Jahren aufgrund der Einhaltung der Klimaschutzziele nicht mehr geben wird.“ Auch der vor der Krise beschlossene „Green Deal“ der EU-Kommission läuft schließlich trotz Corona weiter. Nachhaltige Unternehmensberichterstattung und -überwachung sind seit Jahren zentrale Themen seiner Forschung und Lehre. Der Wirtschaftswissenschaftler vergibt dazu auch vorzugsweise aktuelle Forschungsthemen für Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten. So untersucht ein Masterstudent von ihm derzeit den Einfluss von Nachhaltigkeitsausschüssen und Chief Sustainability Officers (CSOs) auf die Umweltperformance von Unternehmen. Bereits im Major BWL gehören nachhaltig ausgerichtete Lehrforschungsprojekte zum Curriculum. „Für unsere Studierende bieten wir vielfältige Möglichkeiten für empirisch-quantitative Nachhaltigkeitsforschung in der rechnenden BWL, z.B. Datenbanken zu CO2-Emissionen für europäische börsennotierte Unternehmen.“ Der Professor unterstützt seine Studierenden per ZOOM-Sprechstunde in ihren Forschungsarbeiten. 

Im Wintersemester startet an der Leuphana der neue Master „Management & Sustainable Accounting and Finance“, den Velte als Majorbeauftragter leitet. Bewerbungen sind noch bis 1.7. möglich. Das Programm ist in englischer Sprache studierbar, international ausgerichtet und stark forschungsorientiert: „Die kritische Reflexion des nachhaltigen Rechnungs- und Finanzwesens mit einem fundierten theoretischen und empirischen Background ist ein Schwerpunkt unseres Curriculums“, sagt Velte. Auch wenn er in Pandemiezeiten den persönlichen Kontakt zu den Studierenden über Präsenzlehre sehr vermisst, sieht er digitale Lehre als zukunftsfähig: „Ich befürworte auch nach der Krise eine sinnvolle Kombination aus vor- und nachbereitenden E-Learning-Angeboten und Präsenzveranstaltungen als Diskussionsforen zwischen Lehrenden und Studierenden. Unterschiedliche Lehrformate sind ein deutlicher Gewinn für die forschungsorientierte BWL-Lehre an der Leuphana.“

lunatic Festival - Im Netz geht es weiter

Das lunatic fehlte. Wegen der Corona-Pandemie fiel das Festival in diesem Jahr aus. Die gute Nachricht: Das studentische Organisationsteam ist dennoch sehr aktiv – und zwar im Netz. Um Künstler*innen zu unterstützen, verkaufen die lunatics auf ihrer Webseite unter anderem Pakete mit Kunst oder nachhaltigen Lebensmitteln. „Der Lockdown kam auch für uns überraschend. Wir hatten schon sehr viel organisiert“, berichtet Isabel Reichert von lunatic e.V. 2003 gründeten rund 25 Lüneburger Studierende im Rahmen des Praxisseminars „Festivalorganisation“ den gemeinnützigen Verein lunatic e.V. Ziel war die Organisation und Durchführung eines Musikfestivals auf dem Universitätscampus. Seitdem organisieren Studierende das lunatic im Rahmen des Komplementärstudiums. 2018 wählte Isabel Reichert das Seminar und sammelte noch Credit Points. In diesem Jahr engagiert sich die Studentin der Kulturwissenschaften auch außerhalb ihres Studiums in der Initiative: „Das lunatic Festival ist eine wichtige Praxiserfahrung für mich. Ich möchte später gern im Bereich der Kulturorganisation arbeiten“, sagt sie. Zum lunatic gehört nicht nur Musik. Das Festival bietet auch freien Künstler*innen oder Nachhaltigkeitsinitiativen eine Plattform. Es gibt Diskussionen, Lesungen oder Vorträge. Vieles davon möchte die studentische Initiative ins Netz retten. „Wir planen unter anderem ein Zine und einen Podcast“, sagt Isabel Reichert. Das Team ist sich einig: Das lunatic wird weiterleben. 

Online-Praktikum im Lehramt-Studium

Von der Innenseite des Stücks Baumrinde grinst ein Waldzwerg mit roten Haaren und weißem Bart. Dieses kleine Kunstwerk ist ein Ergebnis des Unterrichtsprojekts „Fundstücke“. Anne Quadflieg hat es für eine Grundschulklasse entwickelt. Die Studentin absolviert gerade das 18-wöchige Praktikum im Master Lehramt Kunst. Wegen der Pandemie läuft das Praktikum online. Die Studierenden entwickeln Unterrichtsvorschläge, die die Lehrer*innen in den Klassen umsetzen können. Zwar wird in Niedersachsen teilweise wieder in den Schulen unterrichtet: „Aber Kunst gehörte bisher als Nebenfach immer noch zu den Home-Schooling-Fächern“, berichtet Anne Quadflieg. Sie lobt die Betreuung der Lehrenden im Begleitseminar. Trotz der plötzlichen Umstellung durch die Pandemie sei es ein sehr produktives Semester: „Wir Studierenden laden alle unsere Ideen und Unterrichtsentwürfe in Mystudy hoch. Auch eigene Erprobungen der Konzepte teilen wir mit den anderen. Dadurch entsteht ein wertvoller Materialpool für den späteren Präsenzunterricht.“ Beispielsweise sollen die Kinder Aquarellfarbe auf Papier klecksen und in den willkürlichen Formen Monster suchen und diese umranden. „In der Kunst kann die ursprüngliche Sinnhaftigkeit eines Objektes verändert werden: Aus einer Baumrinde kann etwa ein verschrobener Zwerg werden. Die Kinder sollen im Kunstunterricht ästhetische Erfahrungen machen und wegkommen von den vielerorts noch üblichen Bastelstunden. Auf diesen didaktischen Grundsatz wird auch an unserem Institut sehr viel Wert gelegt“, sagt Anne Quadflieg, die zudem als freiberufliche Illustratorin tätig ist.

Digitales Musizieren – Chor, Orchester und Big Band

Nach und nach erscheinen die Sänger*innen des Universitätschors auf dem Bildschirm. Einige tragen Kopfhörer, andere bewegen sich im Takt zur Musik oder formen ein Herz mit den Händen. Zwei Sängerinnen halten ein Plakat mit der Aufschrift „We love Chorantäne“ in die Kamera. „Gerade in diesen schwierigen Zeiten ist Musik sehr wichtig“, sagt Universitätsmusikdirektorin Rebecca Lang. Sie ist im YouTube-Video nicht zu sehen, aber singt bei den zusätzlichen Probenvideos die einzelnen Stimmen vor. Alle Sänger*innen üben dann für sich allein. „Das ist ein wunderbares und ehrliches Lernwerkzeug.“, sagt die Dirigentin, die auch in den Kulturwissenschaften und dem Unterrichtsfach Musik lehrt. Das erste Stück aus der Serie ist Coldplays „A Sky Full Of Stars“. „Die Studierenden bekommen die Noten über myStudy und senden ihre aufgenommenen Tracks an mich.“ Gemeinsam mit ihrem studentischen Team ermöglicht Rebecca Lang den Studierenden auch in Pandemie-Zeiten, das Gefühl zu haben gemeinsam musizieren zu können. Claudia Thao spielt beispielsweise Klavier auf der Aufnahme und schneidet die Videos zusammen. Pia Metzing und Noa da Costa Henriques koordinieren die Big Band und Orchester Projekte – die Musiker*innen nehmen ihre jeweiligen Stimmen nacheinander auf. Lehramt-Student Timo Neuhausen mischt die Big Band Tracks. Der Kammerchor (Administration: Samira Schmidt) ist bei wöchentlichen Zoomproben auch fleißig dabei. Das nächste Video, „You Will Be Found" aus dem Musical "Dear Evan Hansen", wird von Tenor und Digital-Media-Student Marvin Sokolis geschnitten. 

Digitale Bestimmungsübung

Wenn Dr. Agnes Friedel und Dr. Andreas Fichtner zurzeit mit dem Fahrrad unterwegs sind, halten sie manchmal an und filmen eine Pflanze. Sie achten darauf, typische Merkmale der jeweiligen Art gut sichtbar mit der Kamera einzufangen. Das Video zeigen sie später den Lehramtsstudierenden des Fachs Biologie und angehenden Umweltwissenschaftler*innen. Gemeinsam haben die Lehrenden die botanische Bestimmungsübung im Modul „Einführung in die biologische Formenkenntnis“ digitalisiert. Eigentlich ist der Kurs eine praktische Laborübung. Jetzt senden Agnes Friedel und Andreas Fichtner beispielsweise aus dem Biotopgarten, sind in virtuellen Arbeitsräumen unterwegs oder bieten eine digitale Pflanzensprechstunde an. „Die Umstellung der Übung in ein Online-Format ist zeitintensiv. Die Darstellung von Pflanzen mithilfe kleiner Lehrfilme macht aber auch Spaß und wir freuen uns über das positive Feedback der Studierenden“, sagt Agnes Friedel. Trotz Digitalisierungsschubs bewegen sich die Studierenden dennoch viel in der Natur: „Wir verteilen kleine Beobachtungsaufgaben“, berichtet Andreas Fichter. Ganz analog sind auch die Pflanzen, die die Studierenden bestimmen: Sie stehen vor jedem Kurstag in Gefäßen vor dem Uni-Gebäude zur Abholung bereit.

Digitaler Semesterstart im Master-Studium

Lisa Boenke studiert das europäische Programm „International Joint Master of Research in Work and Organizational Psychology“. Es wird an drei europäischen Universitäten gelehrt: der Leuphana, der Maastricht University und der Universitat de València. Studierende schließen mit einem Joint Degree ab. Gerade hat die 21-Jährige das erste Semester in den Niederlanden beendet. Mittlerweile ist Lisa Boenke wieder in Deutschland und studiert nun an der Leuphana. Besonders positiv war sie vom Semesterstart überrascht, der trotz der Corona-Pandemie reibungslos verlief: „Das hat richtig gut geklappt! Durch die kleine Gruppengröße in unserem Studium sind auch die Online-Seminare per Video-Konferenz sehr gut umsetzbar.“

Lehrservice – Umstellung auf digitale Formate

Dr. Julia Webersiks Smartphone brummt. Nachdem sie die eingegangene Nachricht gelesen hat, schaut sie auf den blinkenden Computerbildschirm in ihrem Büro. Dann klingelt das Festnetz-Telefon: „Ein Kollege braucht eine Unterschrift und gleich habe ich noch eine Video-Konferenz. Im Moment fühlt sich meine Arbeit wie eine Jonglage mit ganz vielen Bällen an“, sagt die Leiterin des Lehrservice. Die Zeit zu Beginn des Semesters sei aber stressiger gewesen: „Die Hochschulleitung hatte mit den Dekanaten und Leitungen aller zentralen Einheiten abgestimmt, dass wir pünktlich am 6. April mit einer kreativen Einstiegsphase anfangen wollten. Wir haben alles drangesetzt und es hat geklappt. Warum sollten wir also warten?“, fragt sie. Ihr Team und der technische Support des MIZ sowie Kolleg*innen vom Kooperationsservice und viele SHKs haben die Lehrenden darin unterstützt, das digitale Semester auf die Beine zu stellen angefangen vom moderierten Selbststudium bis zu Moodle-Kursen, Video-Seminaren oder virtuellen Vorlesungen. „Die nächste Herausforderung werden Online-Prüfungen sein – aber auch das werden wir schaffen“. Rund 1600 digitale Veranstaltung gibt es in diesem Semester. „Wir sammeln wichtige Erfahrungswerte, die auch für die Lehre nach der Pandemie wichtig sein werden“, sagt Julia Webersik.

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