Neue Perspektiven für die Entwicklungshilfe

Weltweit erste Studie zur Wirkung von Gründer-Schulungen in Entwicklungsländern – Wichtiger Baustein für die Armutsbekämpfung

Lüneburg. Praxisnahe Existenzgründer-Programme könnten ein effektives Mittel sein, um die Wirtschaftsleistung von Entwicklungsländern anzukurbeln. Diesen Schluss legt eine Feldstudie in Uganda nahe, die von einem Forscherteam aus der Leuphana Universität Lüneburg, aus Singapur und aus Uganda unter Leitung von Prof. Michael Frese vorgelegt wurde. Die Wissenschaftler luden Studenten zu einem Training ein. Ein Jahr später lag die Zahl der Firmengründungen bei den Teilnehmern um die Hälfte höher als bei nicht geschulten Kommilitonen. Es ist weltweit der erste wissenschaftlich belastbare Beleg für die Wirksamkeit derartiger Programme.

Existenzgründer-Programme gibt es wie Sand am Meer. Doch belastbare Belege dafür, wie gut oder schlecht sie funktionieren, gibt es kaum. Die Daten, die das Forscherteam nun vorlegt, ändern das: Zum ersten Mal haben Wissenschaftler in einem kontrollierten Experiment untersucht, wie sich die Teilnahme an einer derartigen Schulung auf die Zahl der Firmengründungen auswirkt.

Ihre Probanden waren mehr als 300 junge Männer und Frauen aus Uganda, die sich im Abschluss-Semester ihres Studiums befanden. Die Teilnahme war nicht auf ein bestimmtes Fach beschränkt. Lediglich Wirtschafts-Studenten waren ausgeschlossen, da sie ohnehin als überdurchschnittlich gründungsbereit gelten.

Die Forscher konzipierten ihr Experiment nach denselben Prinzipien, die auch in der Medizin bei Medikamenten-Tests üblich sind: Sie teilten die potentiellen Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen ein. Die Studenten in der ersten Gruppe durchliefen ein handlungsorientiertes Trainingsprogramm: In zwölf je dreistündigen interdisziplinären Lehreinheiten erhielten sie das nötige Rüstzeug für den Start in die Selbstständigkeit.  Bereits am ersten Tag des Training wurden die Teilnehmer gebeten, in kleinen Teams eine eigene Firma zu gründen. Ziel war es, diese bis zum Abschluss in die schwarzen Zahlen zu führen.

Kern des Programms war die Vermittlung so genannter „Handlungsprinzipien“: Nutze deine persönlichen Stärken! Analysiere den Markt! Wähle die passende Rechtsform für dein Unternehmen! Kurzformeln wie diese bringen auf den Punkt, was beim Start eines Unternehmens zu beachten ist.

„Handlungsorientierte Programme gelten zur Förderung des Unternehmertums als besonders effektiv“, erklärt Professor Michael Frese von der Leuphana Universität Lüneburg. „Wir konnten nun zeigen, dass sie tatsächlich erstaunlich gut wirken: Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die keine Schulung erhalten hatte, erhöhte das Training die Wahrscheinlichkeit einer Firmengründung um die Hälfte.“

Viele Absolventen betonten in der Abschlussbefragung ein Jahr später, die Schulung habe ihnen die Angst vor der Selbstständigkeit genommen. „Ich fürchtete mich vor den Herausforderungen, mit denen sich Unternehmer konfrontiert sehen“, erinnerte sich eine Teilnehmerin. „Ich hatte mich daher nie ernsthaft mit dem Gedanken befasst, selbst eine Firma zu gründen.“

Im Kurs habe sie die Erfahrung gemacht, dass sie diesen Herausforderungen gewachsen sei und tatsächlich ein Unternehmen zum Erfolg führen könne. „Das hat mir die Augen geöffnet“, sagte sie. Nach Abschluss der Schulung gründete sie eine Geflügelfarm; ein Jahr später beschäftigte sie dort fünf Vollzeit-Mitarbeiter.

Natürlich sei die Situation in Uganda nicht mit der in Industrieländern zu vergleichen, räumt Frese ein: Die Jugend-Arbeitslosenquote in dem ostafrikanischen Land liegt bei etwa 90 Prozent; hoch qualifizierte Jobs sind rar. Entsprechend verlockend ist die Idee, sich mit einer pfiffigen Geschäftsidee selbstständig zu machen.

Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern können mehr Gründungen jedoch ein wichtiger Schlüssel zu mehr Wohlstand sein. Denn Unternehmen schaffen Arbeitsplätze. Das hat auch die Regierung erkannt: Vor acht Jahren hat sie einen nationalen Aktionsplan zur Armutsbekämpfung verabschiedet, der unter anderem die Erhöhung des Unternehmertums zum Ziel hat.

Trainingsprogramme scheinen auf diesem Weg ein aussichtsreicher Schritt, wie die Studie zeigt.„Um weiter gehende Aussagen zu treffen, müssen wir unsere Datenbasis aber noch verbreitern“, betont Frese. Die Geldgeber des Projekts sehen das genauso: Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) sowie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) haben die Arbeiten zwischen 2008 und 2011 mit rund 100.000 Euro finanziert. Noch einmal die doppelte Summe wollen sie nun in Anschlussprojekte in Tansania, Ruanda und anderen Ländern Ostafrikas stecken. Die deutsche UNESCO Kommission hat mit Hilfe der BASF Sozialstiftung das Training ebenfalls in weitere afrikanische Länder gebracht. Dort sind dieselben positiven Effekte zu verzeichnen.

Frese begrüßt das. „Wir benötigen mehr kontrollierte Experimente, um die Wirksamkeit derartiger Trainings besser beurteilen zu können“, sagt er. „Ähnlich wie in der evidenzbasierten Medizin, wo man mit Hilfe von kontrollierten Vergleichsstudien die Wirksamkeit von Medikamenten und Therapien misst.“ In einem Punkt ist er sich aber schon jetzt mit vielen Experten einig: „In Afrika entscheidet es sich, ob wir die Millennium-Ziele der UN – die Bekämpfung von Kindersterblichkeit und Armut sowie mehr Bildung für alle – erreichen können.“