Dr. Katharina Rein

Katharina Rein studierte Kulturwissenschaft, Alte Geschichte und Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo sie auch ihre Promotion zur Kultur- und Mediengeschichte der Zauberkunst im späten 19. Jahrhundert abschloss. 2013–2020 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Internationalen Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie (IKKM) an der Bauhaus-Universität Weimar; 2015-2018 Mitglied im internationalen, interdisziplinären Forschungsprojekt Les Arts Trompeurs. Machines, Magie, Médias (Paris). Ihre wissenschaftlichen Arbeiten sind in vier Sprachen erschienen. Ihre Dissertation wurde 2019 mit dem Nachwuchspreis für Kultur- und Medienwissenschaftler_innen des Büchner Verlags ausgezeichnet.

Forschungsprojekt

From Performance Magic to Augmented Reality

„Pepper's Ghost“, der paradigmatische „Spiegeltrick“, wurde 1862 in der Royal Polytechnic Institution in London vorgestellt. Die Illusion erzeugte eine großformatige Glasplatte, die vor der Bühne installiert und zum Publikum hin geneigt war. Sie reflektierte mit einem Scheinwerfer angestrahlte Darstellende, die sich schräg unter der Bühne, parallel dazu befanden, blieb aber selbst für das Publikum unsichtbar. Wurde bei der Phantasmagorie um 1800 auf semi-transparente Leinwände oder Rauch projiziert, so nutzte „Pepper’s Ghost“ ein Trägermedium, das nunmehr ganz unsichtbar war. Spiegelungen lassen nämlich nicht nur etwas da erscheinen, wo es nicht ist, sie lassen zugleich etwas anderes verschwinden – sich selbst. Diese Erkenntnis konnte aus „Pepper’s Ghost“ extrapoliert werden und inspirierte ihrerseits eine ganze Reihe von Bühnenillusionen, die maßgeblich das illusionistische Repertoire der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts veränderten. Im Bereich der optischen Effekte markiert „Pepper’s Ghost“ den Beginn eines technisierten Illusionismus der Moderne, der wissenschaftliche Erkenntnisse und neueste Technik mit einer Ästhetik des Okkultismus und des Mystizismus vereinte.

Ihr Bildträger, Glas, ist im heutigen Medienalltag nicht nur eine ubiquitäre, interaktive Schnittstelle zwischen Realität und virtuellen Welten, in Form von (Touch-) screens – ein Begriff, der im Oxford English Dictionary erstmals im Kontext der Phantasmagorie auftrat. Wie wahr gewordene Science-Fiction-Visionen anmutende Projekte wie Googles Brille Glass (2014) oder Microsofts Mixed-Reality-Brille HoloLens (2015) verschmelzen zudem den realen Raum der Nutzenden mit einem virtuellen, indem sie letzteren auf transparente Bildschirme projizieren, durch die hindurch die reale Umgebung gesehen wird. Im Unterschied zu Virtual-Reality-Brillen im Bereich der Computerspiele, deren Displays auf eine Immersion in der Spielumgebung zielen, stehen sie damit in der Tradition von „Pepper’s Ghost“. In neuester Augmented-Reality-Technologie treffen also Zaubertechniken, physiologische Forschung und neueste Technik auf Science-Fiction, um neue Wirklichkeiten zu simulieren.

Sofern Immersion als medientechnische Praxis eine notwendig simulativ-illusionistische ist, überrascht es nicht, dass sie apparativ wie konzeptionell unmittelbar in der Tradition bühnenmagischer Verfahren des 19. Jahrhunderts steht. Dieser Umstand wurde jedoch bislang in der Forschung übersehen. Mein Forschungsprojekt am MECS nimmt diesen Blickwinkel ein und fragt nach Kontinuitäten, Brüchen und den Konsequenzen für Illusionismus, Unterhaltung und Medien.