Neu an der Leuphana: Prof. Dr. Ricardo Usbeck – „KI ersetzt den Menschen nicht“

11.03.2024 Der Professor für Wirtschaftsinformatik, insb. Künstliche Intelligenz und Erklärbarkeit, macht Maschinen verständlich, was Menschen sagen und schreiben. Damit kann der Forscher in wenigen Minuten Quellen erschließen, die bisher nur händisch und zeitraubend ausgewertet werden konnten. Fachwissenschaften profitieren enorm.

Neu an der Leuphana: Prof. Dr. Ricardo Usbeck – „KI ersetzt den Menschen nicht“ ©Leuphana/Teresa Halbreiter
Neu an der Leuphana: Prof. Dr. Ricardo Usbeck – „KI ersetzt den Menschen nicht“ ©Leuphana/Teresa Halbreiter
Neu an der Leuphana: Prof. Dr. Ricardo Usbeck – „KI ersetzt den Menschen nicht“ ©Leuphana/Teresa Halbreiter

Bisher brüteten Promotionsstudierende oft monatelang über Nachhaltigkeitsberichten, Archivtexten oder Publikationen. Heraus kam ein Datensatz, gerade passend für die eigene Doktorarbeit. Mittlerweile kann die Künstliche Intelligenz diese Aufgabe in Minuten - und sogar umfänglicher - erledigen. Beispielsweise sucht die KI Daten etwa zum CO2-Ausstoß von Autobauern weltweit über Jahre hinweg aus PDFs und überführt sie in eine einfach verständliche und vernetze Datenstruktur. Fachwissenschaftler*innen werten dann statistisch aus: „Wir sprechen von Wissensgraphen, die wir den Forscher*innen zurückgeben“, erklärt Prof. Dr. Ricardo Usbeck.

Große Datenbanken in der BWL etwa enthalten bis jetzt weitgehend quantitative Daten, also beispielsweise Bilanzzahlen. Mit der Textanalyse können qualitative Daten im großen Stil ausgewertet werden, etwa zum Green Washing. „Wir machen Maschinen verständlich, was Menschen sagen und schreiben. Wir erstellen strukturierte Datenbanken aus unstrukturierten Langtexten“, erklärt Ricardo Usbeck.

KI kann den kompletten Forschungsprozess vereinfachen. Ricardo Usbeck ist Teil des DFG-Verbundprojekts „NFDI4DataScience“. NFDI4DS will Forscher*innen unterstützen beim Sammeln, Verarbeiten, Analysieren, Publizieren, Archivieren und Wiederverwenden von Ressourcen in den Datenwissenschaften und der Künstlichen Intelligenz. Das übergreifende Ziel von NFDI4DS ist die Entwicklung, der Aufbau und die Aufrechterhaltung einer nationalen Forschungsdaten-Infrastruktur. Insgesamt kooperieren 14 Universitäten bei NFDI4DS. Die Anwendung soll für Wissenschaftler*innen im Internet zugänglich gemacht werden. Forscher*innen können dann nicht nur nach Publikationen suchen, sondern sie auch inhaltlich prüfen. „Es wird dann möglich sein, beispielsweise nach einer speziellen Methode, nach einem bestimmten Medikament oder Nebenwirkungen zu suchen, auch wenn sie nicht im Titel oder Abstract explizit erwähnt werden“, erklärt Ricardo Usbeck. Die zeitraubende Literaturrecherche fällt damit weg.

Die KI-Modelle von Ricardo Usbeck basieren nicht nur auf statistischen Wahrscheinlichkeiten wie bei ChatGPT, sondern auf Wissensgraphen. Diese verbindet Wissensknoten miteinander und kennt auch die Bedeutung ihrer Relation zueinander. „Das System generiert aus den Daten eine verlässliche Wissensgrundlage“, sagt Ricardo Usbeck.

Er hofft, dass NFDI4DataScience verstetigt wird und allen Wissenschaftler*innen weltweit für immer zugänglich sein wird. Im nächsten Schritt könnte das Programm nicht nur Wissen zusammentragen, sondern auch Vorschläge generieren, also beispielsweise einer Chemikerin den Katalysator für das nächste Experiment nennen.

Künstliche Intelligenz kann aber auch für mehr Sicherheit sorgen. Im BMBF-geförderten Projekt „Rescue-Mate“ möchten Ricardo Usbeck und sein Team der Feuerwehr helfen, Bürger*innen in bspw. Wilhelmsburg besser vor Springfluten zu schützen. „Durch KI können Einsatzkräfte koordiniert werden“, erklärt Ricardo Usbeck. Dazu durchsucht die KI Soziale Medien nach relevanten Posts. Hat also jemand ein Auto fotografiert und kommentiert, dass es nach einer Springflut wegschwimmt, kennt die Feuerwehr sofort die Koordinaten des Unglücksorts und kann ausrücken.

Im Projekt „CoyPu“ arbeitet Ricardo Usbeck an einer KI-basierten Informationsplattform für effizientes Krisenmanagement in der Wirtschaft. Auf Basis von vernetzten Wissensgraphen und KI-Analysewerkzeugen überwacht das System beispielsweise Lieferketten. „Steht im Suez-Kanal etwa ein Frachter quer, haben Unternehmen genaue Informationen darüber, wo ihre Lieferung ist und ob sie eine neue Bestellung aufgeben müssen, da ihr Auftrag nicht rechtzeitig ankommen wird.“ Die CoyPu-Plattform richtet sich an kleine und mittelständische Unternehmen, wird aber auch für komplexere wirtschaftliche Systeme nutzbar sein. CoyPu wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

„Wir sind in der Zukunft angekommen“, resümiert Ricardo Usbeck: „Dank der KI können wir umfängliche und mächtige Analysen fahren. Ja, wir müssen auch über den Wegfall bestimmter Arbeitsplätze sprechen. Aber die KI ersetzt den Menschen nicht. Sie macht nur Vorschläge. Die Validierung muss Menschen obliegen. Es ist kein Geist in der Maschine.“

Ricardo Usbeck studierte Computer Science (B.Sc.) und Informatik (M.Sc.) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. 2017 wurde er an der Universität Leipzig promoviert. In Leipzig war er zudem als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am InfAI – Institut für Angewandte Informatik tätig, wo er mehrere nationale und europäische Projekte betreute. Bis 2019 forschte er als Postdoktorand an der Universität Paderborn in der Data Science Group. Später wurde er Teamleiter am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS Bonn mit neuem Standort in Dresden. 2021 übernahm er die Juniorprofessur für Semantische Systeme an der Universität Hamburg. 2023 wurde er zum Professor für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Künstliche Intelligenz und Erklärbarkeit, an die Leuphana Universität Lüneburg berufen.

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  • Prof. Dr. Ricardo Usbeck