Außenhandel verschärft internationale Ungleichheiten

17.09.2020 Durch internationalen Handel erzielen reichere Länder nicht nur einen monetären Überschuss, sondern eignen sich zudem die natürlichen Ressourcen und Arbeitskraft ärmerer Länder an. Die dem internationalen Handel strukturell zugrunde liegende Ungleichheit hat jetzt ein Team aus Wissenschaftler*innen von mehreren Universitäten empirisch untersucht.

Erdöl, Eisen, Kraftfutter für die Viehwirtschaft, Komponenten für den Fahrzeugbau, Geräte für den Endverbrauch: Importe sind aus unseren Konsummustern kaum noch wegzudenken. Zur Herstellung importierter Güter (und auch Dienstleistungen) müssen anderswo Arbeitskraft, Energie, Land und materielle Ressourcen aufgebracht und eingesetzt werden. Obwohl ohne diese Inputs weitere Produktion und letztlich auch der Konsum undenkbar wären, erzielen sie nur einen geringen Anteil des ökonomischen Mehrwerts, der entlang einer gesamten Lieferkette erzielt wird. Erstaunlicherweise hat es jedoch bisher keine wissenschaftliche Studie gegeben, die den "ökologisch ungleichen Tausch" auf globaler Ebene umfassend empirisch untersucht hätte.

Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass der internationale Handel und die Umverteilung von Ressourcen, die er darstellt, manche Ungleichheiten eher verschärft als mildert.Im Handel fließen Geld und Ressourcen in entgegengesetzte Richtungen: Wer Güter verkauft, bekommt dafür Geld, wer Güter kaufen will, muss Geld dafür zahlen. Dadurch, dass sich manche reiche Länder auf höherwertige Verarbeitung spezialisiert haben, während in anderen Ländern die Expansion der Rohstoffextraktion forciert wird, kommt es international zu asymmetrischen Geld- und Ressourcenflüssen. Die reicheren Länder sind zwar Netto-Importeure von Ressourcen und Arbeitskraft und beanspruchen global gesehen mehr Energie und Landfläche, als sie bereitstellen, bleiben aber nichtsdestotrotz monetär gesehen Netto-Exporteure, das heißt, sie verdienen mehr an ihren Exporten, als sie für ihre Importe zahlen. Das ist deshalb möglich, weil Preise für Rohstoffe, Land, Energie, und Arbeitskraft global extrem unterschiedlich sind: Die reicheren Länder erzielten, wegen ihrer Spezialisierung auf höherverarbeitete Güter und Dienstleistungen, im Jahr 2015 durchschnittlich einen elfmal höheren Preis pro exportierter Einheit an materiellen Ressourcen als die ärmeren Länder. Auch für Energieeinsatz und Landnutzung werden die reicheren Ländern um ein Vielfaches höher entschädigt als ärmere Länder. Für Arbeitskraft ist der Unterschied am deutlichsten: Hier erzielen reichere Länder eine 28-mal höhere Entschädigung als ärmere.

„Explizit oder zumindest implizit werden die reichsten Ökonomien als Entwicklungsleitbild hochgehalten“, bedauert Henrik von Wehrden, der an der Studie mitgearbeitet hat, „doch wenn wir uns vergegenwärtigen, wie sehr ihr Reichtum eben von Netto-Importen abhängt, dann muss auch klar sein, dass nicht alle Ökonomien dieser Welt Netto-Importeure sein können. Die Entwicklung, die einige Länder für sich haben realisieren können, ist global nicht verallgemeinerbar.“ Studienleiter Christian Dorninger ergänzt: „Die Nachfrage nach Ressourcen steigt weltweit. Da sie auf der Erde aber nur begrenzt verfügbar sind, müssten neue Wirtschaftssysteme, Technologien, und Infrastrukturen geschaffen werden, die weniger Ressourcen und weniger ungleichen ökologischen Tausch benötigen.“