Hanse University Alliance: Magnet für kluge Köpfe im Norden
12.12.2024 Die schlichten Zahlen lassen an einen Hochseetanker denken. Die Ambition jedoch erinnert an ein wendiges Segelboot: Rund 185 000 Studierende und 2900 Professor*innen vereinen die zehn forschungsstarken Universitäten. Aber die Brücke in die Zukunft baut entscheidend auf Kooperation, Innovation und eine gemeinschaftliche Führungspraxis. Die Hanse University Alliance (HUA) ist in Lüneburg erfolgreich vom Stapel gelaufen. Der Verbund strebt nun an, zu einer starken Stimme der Wissenschaft im Norden Deutschlands zu werden. Die HUA möchte exzellente Forschung und talentierten Nachwuchs gewinnen und binden.
Der Verbund wurde jetzt an der Leuphana Universität Lüneburg gelauncht. Vertreter*innen aus Politik und Wissenschaft loteten die künftigen Optionen des norddeutschen Wissenschaftsraumes im Zentralgebäude aus.
Neuer Name für ein Gütesiegel
Ein neuer Name für einen bewährten Zusammenschluss: Der Verbund Norddeutscher Universitäten (VNU) blickt auf 30 erfolgreiche Jahre zurück. Mit der Hanse University Alliance wird der Verbund im Nord- und Ostseeraum strategisch weiterentwickelt und neu positioniert. Gastgeber und Präsident der Leuphana Sascha Spoun begrüßte die Vertreter*innen aus Wissenschaft und Politik. Er sagte: „Wir haben die Gelegenheit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Kooperation und Wettbewerb stehen nicht im Widerspruch, sondern ergänzen sich, damit wir für Norddeutschland die klugen Köpfe gewinnen können. Eine konstruktive, freundschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit ist wesentlich unter den Universitäten genauso mit Politik und Wirtschaft.“ Sascha Spoun ist auch Sprecher der HUA. Und er unterstrich im Hinblick auf die süddeutsche Forschungslandschaft: „Der Norden zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Vielfalt aus. Diese Vielfalt erlaubt viele Zentren und Leuchttürme und ist ein Qualitätsmerkmal.“ Die Hanse University Alliance sei ein wichtiges Mittel „um gemeinsam im Wettbewerb der Regionen erfolgreich zu sein.“
Verbindender Charakter
Der niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur Falko Mohrs betonte den verbindenden Charakter der Hanse University Alliance: „Wir verstehen uns nicht als Abgrenzung zu anderen. Hier in Norddeutschland gibt es thematische Zusammenhänge, offenkundig liegt Meeresforschung auf der Hand, aber es geht auch um Fragen der Energie-, Klima- sowie Gesundheitsforschung. Die Probleme, die wir zu lösen haben, kennen keine Bundeslandgrenzen. Bei allem Wettbewerb, den wir unter einander haben: Wir müssen unsere Kräfte bündeln.“ Die bisherigen 30 Jahre seien wertvoll gewesen: „Wir begreifen uns gegenseitig als Partnerinnen und Partner – in der Landespolitik und in den Universitäten“, betonte Falko Mohrs. Zur Finanzierung von Universitäten sagte er: „Um in die Spitzenforschung zu kommen, braucht man Köpfe, Geld und Zeit.“
Falko Mohrs sagte weiter: „Die Hanse University Alliance knüpft nicht nur dem Namen nach an eine gute norddeutsche Tradition an: Sie bringt Universitäten zusammen, um gemeinsam Innovationen zu fördern. Die Hochschulen sollen in Kooperation technologische Fortschritte vorantreiben und dazu beitragen, die aktuellen sowie kommenden Herausforderungen in Norddeutschland zu bewältigen. Auch die Lehre und damit die Ausbildung der Studierenden profitiert vom Austausch der Standorte.“
Zugleich bleibe die Allianz – so der Minister weiter – eine wichtige Ansprechpartnerin für die Wissenschaftsministerinnen und Wissenschaftsminister der Nordländer, „um weiterhin gute Bedingungen für die Forschung zu schaffen und die großen Veränderungen unserer Zeit wissenschaftlich zu unterstützen“.
„Rückkehr“ an die Leuphana
Die Hamburger Senatorin und zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank war ab 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Teams Neuausrichtung an der Leuphana. Eine ihrer ersten Reisen führte sie mit Studierenden in das Büro von Daniel Libeskind nach New York. Beim Launch der Hanse University Alliance ließ sie ihren Blick durch das Forum des Zentralgebäudes streifen: „Der Libeskind-Bau zeigt, was man gegen alle Widerstände zusammen schaffen kann und wie viel Mut es braucht, so etwas Spektakuläres zu realisieren.“
Sie wies darauf hin, dass die Hanse University Alliance die gemeinsame Stimme norddeutscher Wissenschaft gegenüber der EU stärkt. Auch die Universität Groningen ist Teil der HUA. Fegebank dazu: „Wenn wir die Achse weiter stärken mit dem Baltikum und Skandinavien, dann ist da richtig Musik drin.“
Bettina Martin, Wissenschaftsministerin von Mecklenburg-Vorpommern, begrüßte die Vernetzung zwischen den Universitäten: „Ich spreche aus zwei Himmelsrichtungen, nicht nur für den Norden, sondern auch für Ostdeutschland. Wir fühlen uns der norddeutschen Wissenschaftsminister-konferenz und dem Wissenschaftsraum Norddeutschland sehr verbunden.“ Sie erhoffte sich gerade für den „kleinen“ Wissenschaftsstandort Mecklenburg-Vorpommern mehr Sichtbarkeit durch die Hanse University Alliance.
Dr. Guido Wendt, Staatssekretär im Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, betonte die Rolle von Verbünden für die Vergabe von Fördermitteln: „Wenn wir uns den Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft ansehen, sieht es im norddeutschen Bereich eher hell aus.“ Hier könne die Hanse University Alliance helfen und ein „starkes Fundament“ für die norddeutschen Wissenschaftsraum bauen.
Irene Strebl, Staatsrätin für Umwelt, Klima und Wissenschaft, sprach für das kleine und wissenschaftsstarke Bremen und verwies auf das Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen in Kooperation mit der Universität Oldenburg: „Wir bauen unsere Stärken gemeinsam aus.“ Neben guter Forschung sei aber auch die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses wichtig: „Für gute Lehre braucht es auch eine verlässliche Grundfinanzierung“, forderte Irene Strebl.
Auch Studierende aus verschiedenen Universitäten des Verbunds waren zum HUA- Launch an der Leuphana eingeladen. Emil Jüchter von der Leuphana wünschte sich ein Studium, das mehr Zeit für „Ehrenämter und gesellschaftliches Engagement lässt.“ Er lobte die Leuphana für die räumliche Unterstützung von Initiativen: „Wir haben hier fast ein ganzes Stockwerk für uns. Das hilft viel.“
Denise Granzow vom Asta der Leuphana wünschte sich mehr Chancengerechtigkeit: „Damit Studierende eine Universität mitgestalten können, brauchen sie Flexibilität im Studium und eine stabile Finanzierung. Partizipation sollte so gestaltet sein, dass sie wirkt und Studierende merken: Es bringt etwas, wenn ich mich engagiere.“ Zudem sollten Universitäten Studierende aus beispielsweise „migrantisierten oder nicht-akademischen Verhältnissen“ besonders unterstützen.
Nicolás Castillo, StuRa-Präsidium der Universität Rostock betonte die Bedeutung der Universität als Ort des Lernens und Miteinanders: „Ich studiere Chemie auf Lehramt, ich bin also auf Präsenz angewiesen mit meinen Praktika. Ein rein digitales Studium kann ich von meiner Seite nicht empfehlen. Präsenzlehre macht Universitäten attraktiv, wenn ich auch Vorteile in der Online-Lehre sehe.“
Die Bedeutung der Kooperation zwischen Forschung und Lehre betont der Student Leonard Willen von der Universität Oldenburg. Bezogen auf die HUA wünschte er sich: „Für uns Studierende wäre es interessant, wenn wir auch Lehrveranstaltungen von Universitäten innerhalb der Allianz besuchen dürften.“ Er regte eine universitätsübergreifende, projektorientierte Lehre an.
Stimmen aus den Universitäten
Energie, Meer, Nachhaltigkeit, Mensch und Klima – die Repräsentant*innen der Hanse University Alliance versammelten sich hinter den Kernthemen und diskutierten die Rolle von Universitäten in Wissenschaft und Gesellschaft.
Prof. Dr. Ralph Bruder, Präsident der Universität Oldenburg: „Die Hanse University Alliance ist eine Besonderheit. Wir verbinden nicht nur fünf Bundesländer miteinander, sondern sind mit der Universität Groningen auch international vernetzt. Wir stärken uns gegenseitig; wir sind international im Norden.“ Er wies auf gemeinsame Forschungsthemen hin, insbesondere im Bereich Energie: „Der Wind kennt keine Grenzen.“
Prof. Dr. Elisabeth Prommer, Rektorin der Universität Rostock und stellvertretende Sprecherin der HUA, berichtete über einen Steinwall, der von Forscher*innen in der Ostsee gefunden wurde und wahrscheinlich mit prähistorischen Jagden verbunden ist. Das Ergebnis ist aus dem Schwerpunkt maritime Systeme entstanden: „Wir verstehen maritime Systeme nicht nur als Meer, sondern zählen dazu auch Küstengebiete. Hierzu forschen wir schon lang mit verschiedenen Partnern.“
Prof. Dr. Catherine Cleophas, Vizepräsidentin der Universität Kiel, berichtet von einer Projekt-Kooperation zwischen den Universitäten Rostock und Greifswald zur Küstenforschung: „Die Bereitschaften greifen ineinander: Nachhaltigkeit, das Klima und Meer, die Arbeit mit den Technologien in diesen Bereich. Das wird durch diese Allianz vorangetrieben:“
Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach, Präsidentin der Universität zu Lübeck, wagte eine Analyse: „Wenn wir schon so viele gute gemeinsame Projekte haben, warum dann noch eine Hanse University Alliance? Es war Zeit nach 30 Jahren zu schauen: Haben wir unsere Möglichkeiten ausgeschöpft? Wir haben in den vergangenen Jahren viel erreicht, aber es gibt noch mehr Potential.“
Prof. Dr. Jutta Günther, Rektorin der Universität Bremen, hob ein Projekt in der Klimaforschung hervor: „Unsere Forscher*innen schauen 130 000 Jahre zurück in die Vergangenheit, um das zukünftige Klima vorauszusagen.“ Bei einem Projekt der Paleo-Modellierung, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in der Förderlinie „Forschung für nachhaltige Entwicklung“, forschen Wissenschaftler*innen aus Bremen, Kiel und Hamburg gemeinsam.
Prof. Dr. Hauke Heekeren, Präsident der Universität Hamburg, nannte neben der Forschung insbesondere den Bereich Innovation und Transfer als Schwerpunkte und verwies auf die Startup Factory Hamburg. „Wir kommen gemeinsam mit der TU Hamburg, DESY und der Leuphana hervorragend voran. Wir können damit auch der Wirtschaft zeigen, welchen gesellschaftlichen Beitrag wir als Universitäten leisten können.“
Prof. Dr. Katharina Riedel, Rektorin der Universität Greifswald, berichtete vom Forschungsprojekt „One Health“. Das Konzept basiert auf der Erkenntnis, dass die Gesundheit der Menschen, eng mit der Gesundheit von Tieren und einer intakten Umwelt verbunden ist: „Dazu können alle unsere Universitäten etwas beitragen.“ Forschungspartnerin ist beispielsweise die Universität Kiel.
Prof. Dr. Andreas Timm-Giel, Präsident der TU Hamburg, nannte als Lieblingsprojekt „Engineering to Face Climate Change: Forscher*innen mildern mit ingenieurswissenschaftlichen Methoden, die Folgen des Klimawandels. „Das Thema ist für den Norden extrem wichtig. Es betrifft Energie, Nachhaltigkeit und Klimamodellierung.“
Abschließend bezog sich Sascha Spoun auf einen Schwerpunkt der Leuphana: „Wir werden ohne Nachhaltigkeitskonzepte keine Lebensqualität haben.“ Der Präsident und Gastgeber wies außerdem auf das Startup-Port und die Initiative der „Wissenschaftsräume“ hin. Beide sind Kooperationen innerhalb der Hanse University Alliance – ein weiteres Beispiel für ein Zukunft zwischen den Meeren.