Algen sollen Kläranlagen effektiver machen

Ökonomen würden wohl von einer Win-Win-Situation sprechen: Algen könnten künftig verunreinigtes Wasser klären und gleichzeitig zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Noch ist das Zukunftsmusik. Eine Pilotstudie von Forschern der Leuphana Universität Lüneburg und der Ostfalia Hochschule in Suderburg zeigt aber, dass es dabei nicht bleiben muss. Algen können nämlich relativ problemlos Phosphat aus dem Wasser entfernen. Unter Biotechnologen gelten sie daher schon seit langem als Hoffnungsträger für eine schonendere Wasser-Aufbereitung.

Im Sommer 2010 sorgten Bilder aus der Erdumlaufbahn für Horror-Meldungen in den Medien: Auf den Satellitenfotos der Ostsee war ein riesiger Algenteppich zu sehen, flächenmäßig so groß wie ganz Deutschland. Umweltschützer befürchteten Schlimmes für die empfindlichen Ökosysteme: Die Algenblüte könne im Meerwasser zu einem massiven Sauerstoffmangel führen und dadurch viele Pflanzen und Tiere gefährden.

Es waren vor allem zwei Gründe, die zu der explosionsartigen Vermehrung der Algen führten: Zum einen der warme Sommer und zum anderen die Belastung der Ostsee mit Nährstoffen wie Phosphat und Nitrat. Die sind unter anderem Bestandteile des in der Landwirtschaft eingesetzten Düngers und gelangen über die Flüsse ins Meer. Diese Überdüngung bietet Algen hervorragende Lebensbedingungen.

Und genau das ist auch der Grund, warum Forscher Algen zur Abwasser-Reinigung einsetzen möchten: Die Pflanzen binden beim Wachstum Nitrat und Phosphat. Gerade letzteres ist ansonsten nur schwer aus dem Wasser zu entfernen. „In großen Klärwerken macht man das heute chemisch und das Phosphat landet dann im Klärschlamm“, erklärt Professor Dr. Artur Mennerich von der Ostfalia Hochschule in Suderburg. Für kleine Kläranlagen ist das jedoch zu aufwändig – sie lassen das Phosphat einfach drin.

Kontrollierte Algenblüte im Klärbecken

Dabei könnten Algen es relativ problemlos aus dem Wasser entfernen. Unter Biotechnologen gelten sie daher schon seit langem als Hoffnungsträger für eine schonendere Wasser-Aufbereitung. Die Idee: Durch eine kontrollierte Algenblüte im Klärbecken könnte der unerwünschte Nährstoff gebunden werden. Charmanterweise würden die einzelligen Wasserbewohner dabei gleichzeitig noch jede Menge Kohlendioxid binden und so helfen, den Treibhauseffekt zu reduzieren. „Außerdem könnte man die Algen kontinuierlich ernten und sie zur Energiegewinnung einsetzen, beispielsweise in Biogasanlagen“, sagt Mennerich.

Doch ganz so einfach scheint das leider nicht zu funktionieren. Ein Hauptproblem: Die zur Reinigung verwendeten Algen dürfen nicht (oder zumindest nicht in großem Maßstab) aus der Kläranlage in die Flüsse gelangen. Sonst würden sie – ähnlich wie in der Ostsee - dort ihrerseits die Ökosysteme schädigen. Die mikroskopisch kleinen Einzeller schweben aber normalerweise fein verteilt im Wasser und ließen sich nur mit großem Aufwand herausfiltern.

Den Forschern ist es nun jedoch gelungen, ihren Helfern deutlich mehr Sesshaftigkeit beizubringen. „Dazu haben wir sie mit Belebtschlamm aus dem Klärwerk vermischt“, erklärt Professor Dr. Brigitte Urban von der Leuphana Universität das Prinzip. „Dieser Schlamm besteht hauptsächlich aus Bakterien, die organisches Material aus dem Wasser entfernen.“ Diese Bakterien bilden große Klumpen; sie sinken daher von selbst zu Boden und ziehen die Algen mit.

„In unseren Laborexperimenten setzten sich die Algen wesentlich schneller ab, wenn wir sie zuvor mit Belebtschlamm versetzt hatten“, resümiert Urbans Doktorandin Yanyan Su. Ein weiterer Vorteil: Algen und Bakterien erzielen im passenden Mischungsverhältnis erheblich bessere Reinigungseffekte, als wenn man sie unabhängig voneinander einsetzen würde.

Ein Haken bleibt jedoch: In unseren Breiten ist es für Algen normalerweise zu kalt und zu dunkel. Zumindest im Winter sei daher an einen Einsatz in Kläranlagen nicht zu denken, bedauert Mennerich. „Doch für Länder, die vom Klima begünstigter sind als wir, könnten sie ein viel versprechender und vor allem kostengünstiger Weg sein, die Gewässerverschmutzung in den Griff zu bekommen“, hofft er.