Emotionale Intelligenz: Eine Frage der Kultur

Internationale Vergleichsstudie - Mehr als 2.000 Teilnehmer befragt

Emotional intelligente Menschen vereinen unterschiedliche Fähigkeiten. Sie sind in der Lage, sowohl die eigenen als auch fremde Gefühle richtig wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen. Sie können also Emotionen gezielt nutzen, um mit ihrer Hilfe ein gewünschtes Ergebnis zu erreichen. Deshalb ist das Thema etwa für Unternehmen mit Blick auf die Auswahl von Führungskräften wichtig. „Wir wissen, dass emotionale Intelligenz bei Führungskräften eine positive Auswirkung auf ihre Fähigkeit hat, Mitarbeiter zu motivieren“, sagt Marjaana Gunkel, Professorin für Organisation und Management an der Leuphana Universität Lüneburg.

Doch wie entsteht emotionale Intelligenz? Dass dies unter anderem mit dem Elternhaus zusammenhängt, wusste man bereits. Unklar war bislang jedoch, welche Rolle die Kultur für ihre Ausprägung spielt. „Dieser Frage sind wir in unserer Studie nachgegangen“, sagt Marjaana Gunkel. Sie forscht innerhalb des EU-Modellprojektes Innovations-Inkubator an der Leuphana Universität Lüneburg. „Wir haben drei kulturelle Faktoren identifiziert, die die emotionale Intelligenz positiv beeinflussen. Neben dem Kollektivismus sind das vor allem 'Unsicherheitsvermeidung' und 'langfristige Orientierung'“.

Mit Unsicherheitsvermeidung bezeichnen die Forscher die Abneigung gegen schwer abschätzbare Situationen. Unter langfristiger Orientierung verstehen sie den Wunsch, bei Entscheidungen auch deren Auswirkungen in der Zukunft im Auge zu behalten. „Langfristig orientierte Kulturen sind beispielsweise an dauerhaften Beziehungen interessiert, egal ob privat oder im Geschäftsleben“, erklärt Gunkel. „Dafür ist es wichtig, dass die Partner aufeinander Rücksicht nehmen – eine Fähigkeit, die ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz erfordert.“

Als eher individualistisch gelten etwa die USA oder auch Deutschland, als kollektivistisch unter anderem der asiatische Kulturkreis. In China beispielsweise steht eher das Gemeinschaftsinteresse im Vordergrund als Wünsche und Ziele des Einzelnen. Das Reich der Mitte gilt zudem als ausgesprochen langfrist-orientiert. Allerdings unterliegen auch diese traditionellen Werte einem Wandel. So sehen manche Forscher China in den letzten Jahren auf dem Weg zu einer „Ich-Kultur“ - unter anderem wohl aufgrund der Entwicklung zu einer ökonomischen Supermacht.

Emotionale Intelligenz lässt sich trainieren

„Unternehmen beschäftigen heute immer häufiger Mitarbeiter mit völlig unterschiedlichen kulturellen Hintergründen“, sagt Professor Marjaana Gunkel. Studien zufolge arbeiten Teams aus emotional intelligenten Beschäftigten besser zusammen und erbringen höhere Leistungen. Für die Personalabteilungen von Firmen ist es daher interessant zu wissen, welche Kulturkreise in diesem Punkt eventuell Defizite aufweisen. Denn emotionale Intelligenz lässt sich trainieren. „Unsere Resultate legen etwa den Schluss nahe, dass Mitarbeiter aus einem Kulturkreis mit eher kurzfristiger Orientierung gezielter dahingehend geschult werden müssen, wie man Emotionen nutzbringend zur Arbeitsmotivation einsetzt“, nennt Gunkel ein Beispiel.

Frauen sind nicht generell emotional intelligenter

Die Studiendaten zeigen auch, inwiefern sich Männer und Frauen in ihrer Emotionalen Intelligenz unterscheiden. „Man kann nicht sagen, dass etwa Frauen hier generell Vorteile haben“, betont die Professorin. „Sie scheinen zwar ein besseres Sensorium für den Gefühlszustand anderer zu haben als Männer. Männer wiederum können Emotionen – ihre eigenen wie auch die anderer – besser einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen.“

Publikation: Culture's Influence on Emotional Intelligence: An Empirical Study of Nine Countries (im Druck); Gunkel, M.a , Schlägel, C.b , Engle, R.L.c; Journal of International Management 2014


Kontakt:
Prof. Dr. Marjaana Gunkel
Professorin für Organisation und Management
Leuphana Universität Lüneburg
Telefon: 04131/677-2103
E-Mail: marjaana.gunkel@inkubator.leuphana.de