Neuer Biotest für Umweltgifte im Wasser

Lüneburg. Wissenschaftler der Leuphana Universität Lüneburg haben einen neuen Biotest für Umweltgifte in Trink- und Abwasser entwickelt. Die Nachweismethode basiert auf einem etablierten Verfahren, liefert aber erheblich mehr Informationen. Zudem ist sie bei manchen Substanzen deutlich empfindlicher – bis zum Faktor 1.000 oder mehr. Der kostengünstige Test lässt sich leicht automatisieren. Er sei dadurch außergewöhnlich gut geeignet, rasch eine große Menge von Proben auf toxische Inhaltsstoffe zu testen, schreiben die Forscher im Fachmagazin Chemosphere.

Die Wissenschaftler nutzen für ihren Test so genannte Leuchtbakterien. Die Mikroorganismen mit dem wissenschaftlichen Namen Aliivibrio fischeri kommen natürlicherweise in den Ozeanen vor. Die Kleinstlebewesen können unter geeigneten Umweltbedingungen Licht emittieren – sie beginnen zu leuchten. Wie intensiv sie das tun, hängt sehr stark von der Wasserqualität ab. Daher nutzen Toxikologen Leuchtbakterien bereits seit Jahrzehnten, um Wasser auf gefährliche Inhaltsstoffe zu testen: Sie geben zu diesem Zweck einige Tropfen der zu untersuchenden Probe in ein Reagenzglas mit  Aliivibrio fischeri und messen 30 Minuten später, wie sich die Lichtintensität verändert hat. Leuchten die Bakterien zu diesem Zeitpunkt nur noch schwach oder gar nicht mehr, waren in der Wasserprobe Substanzen, die möglicherweise giftig sind.

Dieser klassische Test ist einfach, liefert schnelle Ergebnisse und funktioniert für viele Substanzen auch sehr gut. Er hat aber einen entscheidenden Nachteil: Nach 30 Minuten muss die Messung abgeschlossen sein, denn danach nimmt die Leuchtkraft der Mikroben auch in sauberem Wasser mehr und mehr ab. „Viele Chemikalien entfalten ihre toxische Wirkung aber erst nach einer längeren Einwirkzeit, beispielsweise nach einigen Stunden“, erklärt Jakob Menz vom Institut für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie der Leuphana Universität Lüneburg. „Das gilt unter anderem für zahlreiche Arzneistoffe und ihre Abbauprodukte“, ergänzt der Leiter der Arbeitsgruppe, Professor Dr. Klaus Kümmerer. „Diese Langzeiteffekte lassen sich mit der herkömmlichen Methode nicht nachweisen.“

Mikroben auf Kraftnahrung

Um das zu ändern, hat Menz den Test in drei Punkten deutlich verbessert: Zum einen päppelt er seine Leuchtbakterien bei ihrem Einsatz mit einer besonders gehaltvollen Nährlösung. So überstehen sie während des Tests nicht nur 30 Minuten, sondern problemlos 24 Stunden und mehr. Die mikroskopisch kleinen Organismen bleiben in dieser Zeit nicht nur bei Laune, sondern sie vermehren sich sogar eifrig. Dadurch trübt sich die Lösung im Laufe des Tests mehr und mehr ein.

Menz misst nun nicht nur die Lichtemissionen seiner Bakterien, sondern auch die Trübung des Nährmediums – eine zweite entscheidende Verbesserung. Es gibt nämlich toxische Substanzen, die in geringen Konzentrationen zwar die Leuchtkraft der Bakterien beeinflussen, ihre Vermehrung aber nicht hemmen. Dazu gehören zum Beispiel viele Antibiotika. „Unser Test kann nun zeigen, bei welcher Konzentration eine Substanz den Stoffwechsel des Organismus zwar beeinträchtigt, seine ungehinderte Vermehrung aber noch zulässt“, erläutert der Doktorand. „Diese sogenannten subinhibitorischen Effekte sind beispielsweise bei der Entstehung von Antibiotikaresistenzen von großem Interesse.“

Der dritte Punkt betrifft das Handling: Der ursprüngliche Test erforderte jede Menge Handarbeit. In seiner neuen Variante lässt die sich drastisch reduzieren. Die Forscher nutzen dafür Mikrotiterplatten. Sie enthalten auf der Fläche einer CD-Hülle knapp 100 Vertiefungen für die Aufnahme der Leuchtbakterien. So lassen sich gleichzeitig fast 100 Proben automatisiert untersuchen und auswerten.

Tausendfach höhere Empfindlichkeit

Die neue Nachweismethode hat ihre Feuertaufe bereits bestanden: „Wir haben ein Substanzgemisch untersucht, das in derselben Zusammensetzung tatsächlich bereits im Ablauf von Kläranlagen nachgewiesen wurde“, sagt Menz. „Unsere Methode schlug bereits bei tausendfach geringeren Konzentrationen Alarm als der traditionelle Leuchtbakterien-Test.“

Die Arbeitsgruppe des Umweltchemikers Professor Dr. Klaus Kümmerer befasst sich seit Jahren mit den Gefahren, die gerade von Arzneimitteln und ihren Abbauprodukten in Nahrung und Wasser ausgehen. Antibiotika im Wasser etwa können zu Resistenzen bei Krankheitserregern führen. Damit würde eine der schärfsten Waffen der Medizin stumpf. In Kläranlagen können Antibiotika und andere Abwasserinhaltsstoffe zudem große Schäden anrichten: Zur biologischen Abwasseraufbereitung werden nämlich Bakterien eingesetzt. Werden diese durch Schadstoffe im Abwasser gehemmt, leidet die Wasserqualität. „Es mangelte bislang an schnellen, empfindlichen und gleichzeitig kostengünstigen Screening-Verfahren für solche Umweltgifte“, betont Menz.

Wichtig sind derartige Tests auch, um die Qualität der Abwasseraufbereitung zu verbessern. Heute versucht man beispielsweise oft, gefährliche Substanzen mit UV-Licht zu zerstören. Nicht immer gelingt das. Jakob Menz: „Wir haben mit unserer Methode festgestellt, dass die Toxizität von Arzneimittelwirkstoffen nach einer UV-Behandlung teilweise sogar noch zunimmt.“

Titel der Originalpublikation: Toxicity testing with luminescent bacteria – Characterization of an automated method for the combined assessment of acute and chronic effects; J. Menz, M. Schneider, K. Kümmerer; Chemosphere (in Press; online: http://dx.doi.org/10.1016/j.chemosphere.2013.05.067)


Kontakt:
Jakob Menz
Prof. Dr. Klaus Kümmerer
Nachhaltige Chemie und Stoffliche Ressourcen
Institut für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie, Leuphana Universität Lüneburg
Telefon: 04131/677-2863
E-Mail: jakob.menz@uni.leuphana.de