Öffentliches Streitgespräch über die Natur des Geistes
Die Podiumsdiskussion bildet den Abschluss und zugleich Höhepunkt der Ringvorlesung „Die Natur des Geistes. Neurowissenschaftliche und philosophische Beiträge zu einer Theorie des Bewusstseins“ im Rahmen des Leuphana Semesters. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr im Hörsaal 2 (Übertragung in den Hörsaal 1), Campus Scharnhorststraße 1.
Wie entsteht das Ich? Was bestimmt die Persönlichkeit? Und was kann der Mensch tun, wenn er Eigenschaften oder Haltungen verändern will? Precht, Autor des Bestsellers „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“, und Roth, einer der führenden Neurowissenschaftler in Deutschland, geben auf diese elementaren Fragen Antworten und analysieren die Grenzen des Verstandes. Beide repräsentieren zwei Kulturen, die sich seit langem um die intellektuelle Hoheit über das Thema „Was ist das Ich?“ streiten – Roth als Hirnforscher, Precht als Geisteswissenschaftler.
Seine Forschungsergebnisse und Publikationen haben Roth weit über einen akademischen Kontext hinaus bekannt gemacht und werden aktuell in vielen Bereichen des wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens kontrovers diskutiert. So fragt Roth etwa nach der Freiheit und Determiniertheit des Willens. Seine Antworten findet er in einem neurobiologischen und neurophilosophischen Forschungshintergrund. Roth erläutert Persönlichkeitsunterschiede aus Sicht des Gehirns. Precht hingegen sieht den wichtigsten Beitrag für die Hirnforschung darin, dass sie die Gefühle in den Mittelpunkt der Philosophie rückt. Das gefühlte Ich sei der Dreh- und Angelpunkt der geistigen Welt, ist Precht überzeugt.
Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth:
Der Neurobiologe, der zunächst Philosophie studierte und in diesem Fach auch promovierte, gründete 1989 das Institut für Hirnforschung an der Universität Bremen. Roth forschte vor allem über die neurobiologischen Grundlagen der kognitiven und emotionalen Verhaltenssteuerung bei Wirbeltieren. In seinem Standardwerk „Fühlen, Denken, Handeln“ (2003) bestritt er, dass es den freien Willen des Menschen tatsächlich gebe – es sei eine gelungene Illusion, die das Gehirn seinen Besitzern vorgaukle.
Dr. Richard David Precht:
Mit dem Sachbuch „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“, einer humorvollen und anekdotenreichen Einführung in die Philosophie, setzte sich der in Köln lebende Wissenschaftspublizist im September 2007 an die Spitze der Bestsellerlisten und hält sich bis heute auf den vorderen Plätzen. Precht, der Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte studierte, mit einer Arbeit über Robert Musil promovierte und auch Romane schrieb, veröffentlichte im März sein neues Buch: „Liebe. Ein unordentliches Gefühl“.
Die Podiumsdiskussion ist Abschluss einer Vorlesungsreihe im Modul „Wissenschaft macht Geschichte“ und zeigt somit einen Ausschnitt aus dem Leuphana Semester. Das Leuphana Semester ist in vier Module gegliedert, das Allgemeinwissen der Studierenden in den Bereichen Geistesgeschichte, Kultur- und Technikgeschichte wird im Modul „Wissenschaft macht Geschichte“ erweitert und vertieft. In diesem Jahr hatte das Modul den Themenschwerpunkt „Was ist die Natur des Geistes?“. Der Dualismus von Wissens- und Persönlichkeitsbildung steht dabei im Fokus. Wie denken die Menschen? Wovon werden Entscheidungen geprägt? Diese und weitere Fragen wurden in Seminaren mit breit gefächerten Themen wie Hirnforschung, Geistesgeschichte oder Neuroethik beantwortet.