Common-Sensing: The Politics of In/Visibility in an Age of Planetary Crisis
Vortrag von Delf Rothe (Universität Hamburg)
01. Juli
- 01.07 (Dienstag), 14-16 Uhr
- Zentraler Campus, C40.530
- Referent: Delf Rothe (Universität Hamburg)
- Vortrag vom Center for Digital Cultures // Climate Future Talk
- Die Veranstaltung findet auf Englisch statt
Debatten über Klimasicherheit konzentrieren sich seit langem auf die Vorhersage und Eindämmung zukünftiger Bedrohungen, die zunehmend von spekulativen Szenarien und Vorhersageinfrastrukturen geprägt sind. Heute ist diese Steuerung der Klimazukunft eng mit digitalen und visuellen Technologien verflochten – Satelliten, KI-gestützte Frühwarnsysteme und digitale Zwillinge, die planetarische Prozesse in Echtzeit simulieren sollen. Solche Tools versprechen ein präziseres Risikomanagement, verändern aber auch die Art und Weise, wie Umweltbedrohungen wahrgenommen, interpretiert und gesteuert werden.
Dieser Vortrag stellt Common Sensing als entscheidendes Konzept vor, um die politischen Infrastrukturen der (Un-)Sichtbarkeit zu untersuchen, die der Klimasicherheit zugrunde liegen. Ich verbinde dabei Spivaks Begriff der epistemischen Gewalt mit aktuellen Arbeiten zum Thema Wahrnehmung in den STS und den Umweltwissenschaften und definiere Common Sensing als kollektive Praxis der Wahrnehmung und des Verständnisses von Umweltveränderungen – technisch mithilfe von Instrumenten und Plattformen, und sozial durch Narrative und Imaginäre. Kämpfe um Klimasicherheit sind somit auch Kämpfe darum, was als sichtbar oder umsetzbar verstanden, und was ausgeschlossen wird.
Um diese Argumente zu untermauern, präsentiere ich Beispiele aus meiner jüngsten Arbeit zum „Digitalen Zwilling der Erde“ der Europäischen Union, visuelle Imaginäre des Geoengineering sowie den Vorschlag für ein „virtuelles Tuvalu“. Während dies Beispiele für neue Sense-Abilities sind, die digitale Technologien mobilisieren, um Klimarisiken beherrschbar zu machen, schließe ich meinen Vortrag mit einem genaueren Blick auf den derzeitigen Abbau der US-amerikanischen Klimawissenschaft, des Katastrophenschutzes und der Programme zur Anpassung an den Klimawandel. Was wir hier beobachten, ist, um mit Rancière zu sprechen, eine Umverteilung des Sinnlichen in der Bewältigung von Klimagefahren: ein politischer Akt, der darauf abzielt, öffentliche Sense-Abilities zu zerstören, andere zu privatisieren (z. B. kommerzielle Satellitendaten) und sogar die Sichtbarkeit durch synthetische Medien zu manipulieren.
Delf Rothe ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und Mitglied im Teilprojekt „Konflikt und Kooperation an der Schnittstelle von Klima und Sicherheit“ des Klima-Exzellenzclusters. Von März 2018 bis November 2021 leitete Delf Rothe das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt „The Knowledge Politics of Security in the Anthropocene“. Er hat zahlreiche Publikationen zu Themen wie der Securitization des Klimawandels, klimabedingter Migration, Sicherheitstechnologien, Risiko und Resilienz veröffentlicht. Er ist Autor des Buches Securitizing Global Warming: A Climate of Complexity, das 2016 bei Routledge erschien.
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Inga Luchs (inga.luchs@leuphana.de)