Soziologie der Nachhaltigkeit

Projektbeschreibung

Bislang stellt sich die Nachhaltigkeitsdebatte als politisch induzierter, öffentlicher Diskurs dar, in dem eine soziologische Perspektive kaum vertreten ist. Dies mag mit der soziologischen Zurückhaltung gegenüber normativen Konnotationen zusammenhängen. Wenn die Soziologie nachhaltigkeitsrelevante Themen, etwa in der Partizipations- und Akzeptanzforschung, der Umweltsoziologie oder der Wissenschafts- und Technikforschung, verhandelt, dann geschieht dies jedenfalls eher am Rande des Nachhaltigkeitsdiskurses. Das Ziel des Netzwerks ist es, Nachhaltigkeit als soziologischen Gegenstand zu erschließen und der Soziologie in der Nachhaltigkeitsdebatte eine Stimme zu geben.

Eine solche dezidiert soziologische Perspektive wird zunehmend gesucht. Für Nachhaltigkeit als sinnvoll erkannte Maßnahmen (zumal wenn sie, wie beispielsweise im Kontext der Energiewende, mit dem Ruf nach grundlegenden Transformationen verbunden werden) werfen stets die Frage auf, wie sie sich auf unterschiedlichen Handlungsebenen realisieren lassen. Indem die Soziologie soziale Sachverhalte mit gesellschaftlichen Zusammenhängen in Bezug setzt, kann sie hier wesentliche Einsichten beitragen. Sie kann zudem den politischen sowie implizit und explizit normativen Charakter der Nachhaltigkeitsdebatte wissenschaftlich in den Blick nehmen, was angesichts etwaiger Grenzen und Hindernisse einer Handlungsorientierung in Richtung Nachhaltigkeit erforderlich ist. Die unter Normativitätsgesichtspunkten soziologische Skepsis gegenüber Nachhaltigkeit muss dabei nicht aufgegeben, sondern kann vielmehr produktiv gewendet werden: Denn durch eine sozialtheoretische Erschließung sowie eine gesellschaftstheoretische Verortung von Nachhaltigkeit vermag es gerade die Soziologie, eine handlungsorientierte Nachhaltigkeitsdebatte auf sicheren theoretischen Grund zu stellen.

Dabei liegt in der Multiparadigmatizität der Soziologie zugleich ihre Stärke, die es auszuspielen, und eine Herausforderung, der es zu begegnen gilt. Die Stärke ist, dass je nach Perspektive differente Aspekte ins Zentrum der Analyse rücken. Angesichts der typischen Heterogenität von Nachhaltigkeitsfragen ist die auf diese Weise gegebene Möglichkeit des Perspektivenwechsels ein entscheidender Vorteil. Zugleich stellt diese Multiparadigmatizität die Soziologie vor die Herausforderung, überhaupt als eigenständige Stimme im Nachhaltigkeitsdiskurs vernehmbar zu sein. Das Netzwerk bringt daher Vertreter*innen unterschiedlicher Perspektiven der Soziologie auf Nachhaltigkeit zusammen, um die Stärke der Heterogenität der Positionen zu nutzen und gleichzeitig eine gemeinsame integrative Perspektive zu erarbeiten. Anhand der Diskussion konkreter Sachthemen (Energie, Klimawandel, Mobilität, Boden) werden ausgehend von Unterschieden und Gemeinsamkeiten die Konturen eines soziologischen Nachhaltigkeitskonzepts entwickelt und in der wissenschaftlichen sowie idealerweise auch in der politischen Debatte sichtbar gemacht.

Der Antrag auf Einrichtung eines wissenschaftlichen Netzwerks zum Thema "Soziologie der Nachhaltigkeit" wurde von der DFG bewilligt.
Unter Federführung von Anna Henkel werden in den kommenden drei Jahren 15 Soziolog_innen zu diesem Themenfeld Arbeitstreffen veranstalten und die gemeinsamen Diskussionsergebnisse veröffentlichen.