Course Schedule


Lehrveranstaltungen

Aufschreibesysteme 1800/1900/2000. Die Medientheorie Friedrich Kittlers (Seminar)

Dozent/in: Anneke Janssen, Sebastian Vehlken

Termin:
Einzeltermin | Mo, 14.10.2013, 10:15 - Mo, 14.10.2013, 11:45 | C 11.319 Seminarraum
Einzeltermin | Mo, 21.10.2013, 10:15 - Mo, 21.10.2013, 11:45 | C 11.319 Seminarraum
wöchentlich | Montag | 10:15 - 11:45 | 28.10.2013 - 31.01.2014 | C 14.201 Seminarraum

Inhalt: "Medien bestimmen unsere Lage, die (trotzdem oder deshalb) eine Beschreibung verdient", lautet die berühmt-berüchtigte These des deutschen Medienwissenschaftlers Friedrich Kittler. Diese Aussage eines der wahrscheinlich umstrittensten, zugleich aber wirkmächtigsten Theoretikern der Gegenwart ist auch gut 25 Jahre nach ihrer Formulierung so bedenklich wie bedenkenswert. Tatsächlich kann eine Medien- oder Kulturwissenschaft, die sich auf der Höhe der Zeit bewegen möchte, nicht mehr eine von Materialitäten losgelöste Philosophie des Geistes, der Sprache oder der Existenz betreiben. Diese Perspektive zeichnet Friedrich Kittler in seinen epochemachenden "Aufschreibesystemen 1800 1900": Entgegen geisteswissenschaftlicher Technikvergessenheit geht es darum, die Entstehung der Welt aus verdrängter Medientechnik in den Fokus zu rücken. In unserem Seminar werden wir untersuchen, wie "mediale Dispositive" in drei zentralen Modernisierungsschüben neue Wissenslogiken, aber auch neue kollektive Formen von Phantasmen und Wahnvorstellungen hervorgebracht haben. Denn wenn ich Stimmen in meinem Kopf höre, die nicht die meinen sind, brauche ich nicht zwangsläufig wahnsinnig geworden sein - ich könnte auch bloß Kopfhörer tragen. So plakativ diese These, so zwingend ist sie auf einer formalen Ebene. Um 1800 macht Kittler zufolge das Universalmedium Deutsche Dichtung Bücher "halluzinierbar wie Filme und interpretierbar wie Philosophien." Die Idee vom "Menschen", von "Sinn" und "Bedeutung" wird zur zentralen (Wahn)Idee einer Epoche. Mit der Ausdifferenzierung der Medien in Grammophon, Film, Typewriter um 1900 wird jedem Sinn sein analoges Medium zugeordnet. Neben der Zersprengung alter Phantasmen erfolgt die Konfigurierung neuer: etwa im "imaginären" Medium Film. Um 2000 schließlich kommt es mit dem Universalmedium Computer zu einer dritten Verschiebung, in der laut Kittler in einem totalen Medienverbund "das absolute Wissen als Endlosschleife" laufe. Hier koppelt sich Technik endgültig von einer Beschreibung durch menschliche Subjekte ab, und Medien beginnen selbst zu lesen und zu schreiben. Das Seminar wird die daraus folgenden epistemologischen, anthropologischen und sozialen Effekte reflektieren und Kittlers Medientheorie einer kritischen Analyse unterziehen. Lektüre-Empfehlungen: Winthrop-Young, Geoffrey: Friedrich Kittler zur Einführung. Hamburg: Junius 2005. Gumbrecht, Hans Ulrich: Friedrich A. Kittler. Die Wahrheit der technischen Welt. Berlin: Suhrkamp 2013. Kittler, Friedrich: Aufschreibesysteme 1800 1900. München: Fink 2003. Kittler, Friedrich: Grammophon, Film, Typewriter. Berlin: Brinkmann & Bose 1986. Kittler, Friedrich: Draculas Vermächtnis. Technische Schriften. Leipzig: Reclam 1993.