Course Schedule


Lehrveranstaltungen

Algorithmische Kunst & Digitale Medien (Seminar)

Dozent/in: Frieder Nake

Termin:
Einzeltermin | Fr, 08.11.2024, 14:15 - Fr, 08.11.2024, 17:45 | C 5.326 (ICAM) | Bitte C 5.326 buchen
Einzeltermin | Sa, 09.11.2024, 10:15 - Sa, 09.11.2024, 16:30 | C 5.326 (ICAM) | Bitte C 5.326 buchen
Einzeltermin | Fr, 15.11.2024, 14:15 - Fr, 15.11.2024, 17:45 | C 7.019 Seminarraum
Einzeltermin | Sa, 16.11.2024, 10:15 - Sa, 16.11.2024, 16:30 | C 5.326 (ICAM) | Bitte C 5.326 buchen
Einzeltermin | Fr, 22.11.2024, 14:15 - Fr, 22.11.2024, 17:45 | C 5.326 (ICAM) | Bitte C 5.326 buchen
Einzeltermin | Sa, 23.11.2024, 10:15 - Sa, 23.11.2024, 16:30 | C 5.326 (ICAM) | Bitte C 5.326 buchen
Einzeltermin | Fr, 13.12.2024, 14:15 - Fr, 13.12.2024, 17:45 | C 7.019 Seminarraum
Einzeltermin | Sa, 14.12.2024, 10:15 - Sa, 14.12.2024, 16:30 | C 7.019 Seminarraum

Inhalt: Das oben wiedergegebene Bild ist Resultat einer recht einfachen Programmierung. Wir sagen, es sei ein „ästhetisches Objekt“ (früher hätten wir vielleicht „Kunstwerk“ gesagt). Das mag ein wenig kühn sein. Denn manche sagen vielleicht, wenn das Kunst sein soll, dann kann ich das auch. Sie haben selbstverständlich Recht damit. Joseph Beuys hat gesagt „Jeder Mensch ein Künstler“ (1972 bei der documenta 5). Warum können wir so denken? Vermutlich, weil in der Abbildung etwas auf einen einfachen Prozess reduziert worden ist, der dennoch komplexe Erscheinungen zuzulassen scheint. Das Ergebnis können wir wohl auch „ästhetisch“ nennen. Was da nun genau geschieht, was hinter dem Bild stehen mag, und wie das gehen mag, das wollen wir im Kurs herausfinden. Als ein Beispiel für das „Algorithmische“. Ausgangspunkt für den Workshop an vier Wochenenden ist die Behauptung, dass alle Dinge und Prozesse, wenn sie dem Computer verfallen, eine doppelte Existenz gewinnen. Was heißt das? Dinge und Prozesse, wenn sie algorithmisch (also letzten Endes per Computer) behandelt werden, existieren einerseits in ihrer gewöhnlichen stofflichen, uns vertrauten und sinnlich wahrnehmbaren Form. Sie sind aber andererseits von einer zweiten Form begleitet. In dieser erscheinen Dinge und Prozesse als berechenbare Zeichen. Indem sie wahrnehmbar und berechenbar sind, ist ihre Daseinsweise eine doppelte. Sie werden zu algorithmischen Zeichen, die eine Oberfläche und eine Unterfläche aufweisen. Die Oberfläche ist für uns Menschen sichtbar; und wir interpretieren sie. Die Unterfläche aber ist für den Computer berechenbar; er determiniert ihre Bedeutung im Kontext der Berechenbarkeit. Das ist auch schon alles, was dem Computer möglich ist und zusteht. In aller Knappheit sagen diese Sätze das, was den Computer ausmacht. Dieser Behauptung wollen wir in dem angebotenen Kurs genauer nachgehen, und zwar sowohl theoretisch als auch praktisch. Das heißt, wir werden mit Programmen umgehen: sie entwerfen, konstruieren und verwenden. Wenn Ihr Euch für den Kurs entscheidet, seid Ihr eingeladen, dabei mitzumachen. In vielen vergangenen Wintersemestern hatte ich das Vergnügen, ein solches Angebot an der Leuphana Universität machen zu dürfen. Wir wollen es im Winter 2024/25 erneut versuchen. Wenn Ihr mitmacht, werde ich mich freuen und anstrengen, dass es Euch gefällt. Das Format von vier Wochenenden (als Freitag und Samstag) hat sich bewährt. Ich möchte es inhaltlich ein wenig zuspitzen: Drei Themen sollen anklingen und unsere Bemühungen kennzeichnen: die algorithmische Kunst / das algorithmische Denken / die digitalen Medien. Die beiden äußeren Themen setzen dem mittleren – dem algorithmischen Denken – einen Kontext. Unser allgemein umfassender Kontext ist die seit den 1960er Jahren in Wellen spürbar stattfindende Algorithmische Revolution. Sie wälzt sämtliche technischen Grundlagen der Gesellschaft in einer nie dagewesenen globalen Kulturrevolution um und um. Marx und Engels hatten schon 1848 im Kommunistischen Manifest geschrieben (hier in schöner englischer Übersetzung wiedergegeben): „All that is solid melts into air.“ (im deutschen Original: „Alles Ständische und Stehende verdampft.“) Diese Ahnung vom gnadenlos alles freisetzenden Gang des Kapitalismus erweist sich heute als vor unseren Augen und mit unserer Hilfe stattfindende Wirklichkeit. Wir erlauben uns einen Blick aus gehöriger Distanz, indem wir die Geschichte der in den 1960er Jahren aufkommenden Algorithmischen Kunst befragen (damals „Computerkunst“ genannt), und Erscheinungen jetziger digitaler Medien betrachten. Beide sind, wie viele derzeitige gesellschaftliche Prozesse, vor allem durch das algorithmische Prinzip gekennzeichnet, das ihnen unterliegt. Und das heißt: durch die Berechen– barkeit von Prozessen. Zugegeben, solche Prozesse verlangen heute nach digitaler Form. Doch sie ist nur notwendige Begleitung der Algorithmisierung, also der Reduktion auf Berechenbares; die Algorithmisierung ist der Kern des Ganzen, nicht, wie oft behauptet, die Digitalisierung. Wenn wir das in Ansätzen verstehen wollen, wenn wir der Umwälzung aller Verhältnisse begegnen und von ihr nicht nur mitgerissen werden wollen, dann ist es notwendig, dass wir Grundkenntnisse dessen erlangen, was beim Programmieren geschieht. Deswegen wird der Kern des Workshop dem algorithmischen Denken gewidmet. Ihm werden derzeit in vielen Ländern, auch in der BRD, große Anstrengungen besonders in Hinblick auf die Schulbildung entgegengebracht. In den USA wird von computational thinking gesprochen. Das wird uns als zu eng erscheinen. Wir nehmen die Mathematik zum Ausgangspunkt, nicht den Computer. In der angesprochenen Verdoppelung liegt die Besonderheit aller Computerdinge, nahezu aller Dinge also, die heute als Dinge relevant sind. In der Verdoppelung liegt das, wovon wir als „digitale Kultur“ oder „digitale Gesellschaft“ in den Digital Humanities lesen. Diese Verdoppelung steht auch hinter dem, was Big Data genannt wird und dabei allerlei mystische Nebelschwaden erzeugt. Die Verdoppelung ist einfach zu begreifen und doch von viel Spekulation umschwirrt. Sie ist wesentliches Ergebnis der algorithmischen Revolution. Zumuten werde ich Euch, dass Ihr Euch auf die Ebene dessen aufschwingt, was heute Kultur ausmacht, oder, sagen wir es etwas bescheidener: was heute für kulturelle Prozesse wichtig ist. Es soll praktisch werden und wir werden programmieren, denn aus der Praxis lernen wir. Dafür werden wir uns konkret mit der Programmiersprache Processing befassen und erleben, dass Programmieren erst einmal anstrengen mag, im Grunde jedoch kinderleicht ist. In praktischer Auseinandersetzung mit dem "digitalen" Bild werdet Ihr (so hoffe ich jedenfalls) einerseits spüren, wie begeisternd eigenes Schaffen sein kann. Andererseits werdet Ihr eine Grundlage für die Beurteilung digitaler Bilder in ihren Besonderheiten erwerben. Ihr gewinnt Instrumente und Denkweisen für einen Umgang mit der Welt des Digitalen, der auf der Höhe der Zeit ist und der sich nicht von vornherein in Spekulation flüchten muss. Ihr als Teilnehmende sollt, wenn Ihr hier Leistungspunkte aufsammeln wollt, als eigene Leistung ein Gestaltungs- Projekt mit der Programmierumgebung Processing bearbeiten, dessen Einzelheiten wir besprechen werden. Einen Rahmen dafür gebe ich vor. – Sehr zu wünschen, ja: notwendig ist es, dass Ihr an „unseren“ vier Wochenenden keine anderen Kurse belegt. Wir müssen ungehindert arbeiten können.