Carola Rackete und Hartmut Rosa bei der Utopie-Konferenz 2021: „Transformation muss erlebbar sein!“

24.08.2021 Bei der Eröffnung der Utopie-Konferenz 2021 sprachen Richard David Precht und Maja Göpel mit der Seenotretterin Carola Rackete und dem Soziologen Hartmut Rosa. Gemeinsam sind sie der Frage nachgegangen, wie wir die Krise in eine Gelegenheit verwandeln können. Erstmalig mit dabei waren dieses Jahr auch über 120 Utopie-Camps, die an unterschiedlichen Standorten der Bundesrepublik und darüber hinaus mit diskutierten.

Maja Göpel, Carola Rackete und Richard David Precht ©Jannik Sander
Maja Göpel, Carola Rackete und Richard David Precht ©Jannik Sander
Maja Göpel, Hartmut Rosa, Richard David Precht ©Jannik Sander

„In Krisenmomenten fühlt sich die Zukunft besonders offen an. Diese Offenheit wollen wir nutzen und gemeinsam darüber nachdenken: Was wollen wir erhalten, was wollen wir neugestalten und wovon sollten wir uns besser verabschieden?“, fragt die Gastgeberin Maja Göpel zu Beginn. „Das Gelegenheitsfenster ist jetzt offen und damit ist jetzt die Zeit, besonders kreativ zu werden und zu überlegen, wie man unsere Ideen und Visionen realisieren kann, bevor es sich wieder schließt“, hebt auch Gastgeber Richard David Precht hervor. 

Der Abschied vom Gewohnten ruft jedoch oft Ängste bei den Menschen hervor – zum Beispiel die Angst, im Zuge einer ökologischen Transformation Besitz und Wohlstand zu verlieren. Um diese Ängste abzubauen, müsse Transformation erlebbar gemacht werden, erklärt Carola Rackete: „Wir führen zwar viele akademische Debatten, diese sind aber für viele Menschen nicht zugänglich. Das Erleben und Mitmachen macht es leichter, die möglichen Alternativen zu sehen und diese auch umzusetzen. Auf diese Weise können sich mehr Menschen an der Debatte beteiligen und auch mehr Menschen überzeugt werden“. Als utopische Zielsetzung appelliert Carola Rackete dafür, jede „Wir-gegen-die“-Spaltung zu vermeiden. Anstatt in Dualismen zu denken, sollten wir uns wieder mehr als Teil des Lebensnetzes Natur ansehen. Den einen konkreten Weg der Transformation gibt es ihrer Meinung nach nicht, sondern eine Vielzahl möglicher Alternativen, fernab von Kapitalismus und Sozialismus. Teilnehmer*innen der Utopie-Konferenz ruft sie deshalb dazu auf, sich so viele Utopien wie möglich anzuhören und diese am besten direkt vor Ort zu besuchen und selbst zu erleben.  

Auch Hartmut Rosa hebt die Bedeutung des tatsächlichen Erfahrens von Utopien hervor: „Wir müssen über das bloße Bild hinaus. Wir einigen uns meistens schnell auf Werte, diese sind aber nur kognitiv. Die Frage ist, wie wir diese leben, wie wir sie erfahren.“ Zentral für seine Überlegungen sind der Begriff des Eigentums und die damit verbundenen Beziehungen, die wir zu unseren Mitmenschen, den Dingen und zur Natur pflegen. Hartmut Rosa appelliert für eine Umdeutung des Begriffs: Anstatt sich die Dinge nur als Besitz anzueignen und primär als Verpflichtung anzusehen, sollten eher das Verantwortungsgefühl und Sorgeverhältnis im Vordergrund stehen. „Das Sorge-Moment macht aus dem Ding etwas Wertvolles, das geschützt und erhalten werden soll. Dies gilt für materielle Dinge ebenso wie für unsere Mitmenschen und die Natur“, erklärt Hartmut Rosa. Losgelöst von dem Besitz-Begriff und dessen trennende Kräfte, könnte ein solches Eigentumsverständnis den Menschen möglicherweise die Angst vor dem Verlust nehmen. Auch das Bedingungslose Grundeinkommen stelle in diesem Kontext eine mögliche Alternative dar.

Beide Redner*innen betonen, dass die Utopie-Konferenz einen wichtigen Startpunkt für utopisches Denken liefert. Sie sagen aber auch, dass wir uns nicht zu lange mit theoretischen Debatten aufhalten sollten, da Utopie gelebt werden müsse. In seinem Schlusswort ruft Hartmut Rosa deshalb auf: „Wenn wir das, was wir hier diskutieren mit in den Alltag und in unser Innerstes nehmen, dann wird die Utopie vielleicht eines Tages Realität“.

Die Utopie-Konferenz findet vom 24.-25.08. in Lüneburg und den 120 Utopie-Camps, die in der gesamten Bundesrepublik und darüber hinaus verteilt sind, statt und verfolgt das Ziel, den Dialog zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu stärken. Wir freuen uns auf das weitere Programm, spannende Denkanstöße und Utopien u.a. von Joe Kaeser, Eckart von Hirschhausen, Anna-Nicole Heinrich, Diana Kinnert und Harald Welzer.

Kontakt

  • Sven Prien-Ribcke, M.A.