Ist das Museum für die Stadt da? Studierende untersuchen gesellschaftliche Rolle des Salzmuseums

02.05.2023 Wie kommt das Deutsche Salzmuseum bei seinen direkten Nachbar*innen an, den Bewohner*innen der Hochhaussiedlung „Am weißen Turm“? Ein Projektseminar in Kooperation mit dem Museum geht dieser Frage mit qualitativen Erhebungen auf den Grund. Ziel ist es, diversere Besucher*innen anzusprechen und die Beziehung zwischen Museum und Anwohnenden zu stärken.

17-04_Salzmuseum ©Leuphana/ Ciara Charlotte Burgess
Wie steht es um die Nachbarschaft zwischen der Wohnsiedlung "Am weißen Turm" und dem Salzmuseum? Das untersuchen Bachelorstudierende nun im Rahmen eines Lehrforschungsprojektes unter der Leitung von Volker Kirchberg, Professor für Soziologie der Künste, und Dr. Alexandra Hentschel, Direktorin des Deutschen Salzmuseums.

„Der Mensch kann ohne Gold, aber nicht ohne Salz leben“, pointierte der römische Schriftsteller Cassiodorus vor über 1500 Jahren. Ohne das lebenswichtige Element wäre Lüneburg heute nicht die Stadt, die sie ist. Die vielen Kirchen, das historische Rathaus und die charakteristischen Giebelhäuser erinnern an den mittelalterlichen Reichtum der Stadt. Im Mittelalter war Salz vor allem für die Konservierung von Lebensmitteln unverzichtbar. Das „weiße Gold“ wurde von Lüneburg aus über Lübeck in den gesamten Ostseeraum bis nach Russland verkauft. Gewonnen wurde es über 1000 Jahre lang in der Lüneburger Saline, bis ins Jahr 1980.

Auf dem ehemaligen Salinengelände erinnert heute das Deutsche Salzmuseum an die Ursprünge der Salzstadt Lüneburg. Zu dessen Nachbarn gehören, neben dem großen Supermarkt, der ebenfalls auf dem Gelände liegt, auch die Bewohner*innen der Hochhaussiedlung „Am weißen Turm“. Wie steht es um die Nachbarschaft zwischen der Wohnsiedlung und dem Salzmuseum? Das untersuchen Bachelorstudierende der Leuphana dieses Semester im Rahmen eines Lehrforschungsprojektes. Das Seminar findet in Kooperation mit dem Salzmuseum statt. Professor Volker Kirchberg, Professor für Soziologie der Künste am Institut für Soziologie und Kulturorganisation, und Dr. Alexandra Hentschel, seit eineinhalb Jahren Leiterin des Deutschen Salzmuseums, leiten das Seminar.

Wofür ist ein Museum da? Die Frage begleitet Volker Kirchberg bereits seit über 20 Jahren. An der Freien Universität Berlin hat er zu gesellschaftlichen Funktionen von Museen habilitiert. „Als erstes denkt man da ans Bewahren, Archivieren, Sammeln. Dann ans Forschen, ans Ausstellen und erst dann auch an die Vermittlung“, erklärt Kirchberg. Aber was genau legitimiert letztendlich die Existenz eines Museums? Entscheidend ist laut Kirchberg die Wechselwirkung von Einrichtung und Öffentlichkeit: „Idealerweise strahlt die Gesellschaft ins Museum und das Museum strahlt wiederrum in die Gesellschaft.“ Daher sei der reine Blick auf Besuchszahlen, wenn es darum geht, den Erfolg eines Museums zu ermitteln, auch zu kurz gedacht. „Wirklich legitim ist ein Museum erst, wenn es eine Community hat, die sich mit ihm identifiziert,“ sagt der Soziologe.

Für das Lüneburger Salzmuseum bedeutet dies, aktiv auf die Bevölkerung und vor allem die direkte Nachbarschaft, zuzugehen. Der typische Museumsbesucher kommt meistens aus dem Bildungsbürgertum. Das Lüneburger Salzmuseum besuchen vor allem Tourist*innen und Schulklassen. Dabei, meint auch Direktorin Alexandra Hentschel, soll ein Museum für alle da sein. Wie kann man eine diversere Besucherschaft ansprechen? „Die meisten Museen sind öffentlich finanziert, wir haben daher eine besondere Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft“, findet Alexandra Hentschel, „alle müssen zumindest die Möglichkeit haben, das Museum besuchen zu können.“

Der Ansatz, den die Studierenden nun verfolgen, um mehr über die Beziehung von Museum und dem Wohngebiet „Am weißen Turm“ zu erfahren – und diese gegebenenfalls zu fördern – heißt „Outreach“. Das bedeutet, Interessen und Bedürfnisse der Nachbarschaft zu erfragen und herauszufinden, wie das Salzmuseum wahrgenommen wird. Neben qualitativen Interviews mit Anwohner*innen sind Experteninterviews geplant, etwa mit der Quartiersmanagerin und der Bewohnervertreterin des „Weißen Turms“. Außerdem wollen die Studierenden Fokusgruppengespräche durchführen, unter anderem im Seniorentreff der Siedlung. „Am Ende geht es um die Frage, was wir als Museum tun können“, sagt Alexandra Hentschel. Damit die Ergebnisse einen nachhaltigen Mehrwert für den Ort haben, steht am Ende des Semesters für die Teilnehmenden keine klassische Hausarbeit, sondern eine Posterpräsentation der Forschungsergebnisse an. Diese wird den Anwohner*innen vorgestellt. Auch für die Stadt Lüneburg sind die Ergebnisse interessant: Die Stadtbaurätin habe bereits Mittel zur Realisierung eines kleinen Projektes in Aussicht gestellt, dass die Wünsche der Anwohnenden aufgreifen soll, erzählt Alexandra Hentschel – vorausgesetzt, die Forschungserkenntnisse liefern einen Ansatz für ein solches Vorhaben des Museums. Wie genau so ein Projekt aussehen könnte, gilt es nun zu herauszufinden.

Kontakt

  • Prof. Dr. Volker Kirchberg