dies academicus 2023: „Forschung folgt keinem Zeitgeist“

„Die Handlungsorientierung in unserem Leitbild – das war ein Experiment, wo sich wieviel Praxisbezug herstellen lässt, was sich wie eignet und bewährt. Heute, wo die Idee der Third Mission die Wissenschaftspolitik geradezu durchflutet, sieht es so aus, als wären wir unserer Zeit voraus gewesen“, resümiert Sascha Spoun im Libeskind Auditorium und erinnerte an die Neuausrichtung der Leuphana vor etwa zehn Jahren. In seiner Rede zur Bedeutung der Handlungsorientierung in Forschung und Lehre mahnte der Präsident aber auch zur Wachsamkeit: „Ihre Forschung folgt keinem Zeitgeist, der sich in irgendwelchen Grand Challenges manifestiert, von denen sich einige schon morgen ändern werden.“ Er ermutige die Forscher*innen, neue Wege zu gehen: „Denn nur so, indem Sie auch das vermeintlich gesellschaftlich Irrelevante in den Blick nehmen, schaffen sie den größten gesellschaftlichen Mehrwert.“ Sascha Spoun erinnerte daran, dass das Ozonloch und der menschengemachte Klimawandel eben durch diesen Forschungsgeist aufgeklärt worden sind.

Im Zentrum des Abends stand die Verleihung der Ehrenpromotion. Die Fakultät Staatswissenschaft ehrte Prof. Dr. Dr. Ulrike Malmendier. Die Professorin an der University of California in Berkeley ist seit September 2022 Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den so genannten „Wirtschaftsweisen“. Sie gehört zu den Top-Ökonom*innen weltweit. In seiner Laudatio zählte Prof. Dr. Mario Mechtel, Professor für VWL, ins. Empirische Mikroökonomik, nur einige der renommierten, internationalen Universitäten auf, an denen Ulrike Malmender wirkt und wirkte: Stanford, Princeton, Harvard oder Oxford. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Unternehmensfinanzierung, in Verhaltensökonomie, in Behavioral Finance, in Organisationsökonomie sowie in Vertragstheorie. „Ihre Arbeiten sind in den renommiertesten Journals unseres Fachs publiziert worden und bei Google Scholar ist bei den Zitationen die Marke 30 000 bald erreicht. Es zeigt, wie wichtig ihre Beiträge für unser Fach sind“, sagte Mario Mechtel. Ulrike Malmendier bedankte sich für die Worte und Auszeichnung: „Es ist mir eine ungemein große Ehre von der Leuphana, die Ehrendoktorwürde zu erhalten.“

Am dies academicus konnte sich auch das DFG-Graduierten-Kolleg „Kulturen der Kritik“ mit derzeit 13 Doktorand*innen und einer Post-Doktorandin vorstellen: „Kritik wird oft negativ aufgefasst. Aber Kritik bedeutet zunächst, Dinge differenziert zu betrachten, verschiedene Perspektiven einzunehmen und diese abzuwägen“, sagte Kunsthistorikerin Prof. Dr. Beate Söntgen. Im Mittelpunkt des Forschungsschwerpunktes »Kulturen der Kritik« stehen genealogische Perspektiven auf die disruptiven Problemlagen und Konfliktlinien der Gegenwart: von technologischer Transformation und Plattformkapitalismus, Migration und Kolonialität/Dekolonialität über Gender und Rassismus bis hin zum Klimawandel.

Zwölf internationale Fellows forschen am Leuphana Institute for Advanced Studies (LIAS) in Culture and Society. Das LIAS ist ein Forschungsinstitut, das der Profilierung und Internationalisierung der universitären Forschungsschwerpunkte dient. Angesiedelt in dem von Daniel Libeskind entworfenen Zentralgebäude der Universität, zeichnet sich das LIAS durch interdisziplinäre Zusammenarbeit, universitäre Einbindung und Co-Creation aus. „We have created some guiding lines along which we encourage the fellows to think and make a contribution to. Such are: what means coexistence in a globalized world; critique at imagination, thinking across hemispheres and potentialization“, sagte Prof. Dr. Susanne Leeb, die zusammen mit Prof. Dr. Erich Hörl das Direktorium des LIAS bildet. LIAS-Forscher*innen und die Universitätsgemeinschaft sollen voneinander profitieren. Deswegen geht das LIAS in den stetigen Austausch mit anderen Forscher*innen und Akteur*innen.

Für seine richtungsweisenden wissenschaftlichen Leistungen, die zur erfolgreichen Einwerbung eines exzellenten Förderformates geführt haben, wurde Prof. Dr. Oliver Genschow, Professor für Psychologie, ins. Kognitions-, Sozial- und Wirtschaftspsychologie mit dem Forschungspreis gewürdigt. Die Arbeiten von Oliver Genschow zu Wahrnehmung und Reaktionen bei Interaktionsmustern sowie zu Imitationsprozessen bewegen sich an der Schnittstelle von Sozial- und Kognitionspsychologie.

Ebenfalls ausgezeichnet wurde die DFG-Forschungsgruppe „Ein sozial-ökologischer Systemansatz zur Wiederherstellung von Ökosystemen in ländlichen Regionen Afrikas“ mit Jörn Fischer, Professor für nachhaltige Landnutzung, Vicky Temperton, Professorin für Ecosystem Functioning and Services, Berta Martín-López, Professorin für International nachhaltige Entwicklung und Planung sowie Jacqueline Loos, Professorin für nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen.
Für seine herausragenden wissenschaftlichen Erfolge, die zur Einwerbung eines exzellenten Förderformats geführt haben, wurde Prof. Dr. David Abson, Professor für Nachhaltige Resourcennutzung, mit dem Leuphana Young Researcher Award ausgezeichnet. Prof. Dr. Jordan Troeller erhielt den Sonderpreis für Geschlechter- und Diversitätsforschung. Die Kunsthistorikerin setzt sich kritisch mit Mutterschafts-Mythologien auseinander.

Die Auszeichnungen für Transfer erhielt das Zukunftszentrum Lehrkräftebildung (ZZL). „Es geht um eine Vision in der Lehrkräftebildung und den Bildungswissenschaften, die zur Veränderung in Schulen beitragen kann. Es geht nicht nur um Wissenstransfer, sondern um Kooperation in Gemeinschaften. Die setzt das ZZL um. Wir zeichnen das Team aus für eine jahrelange Arbeit gefördert in verschiedenen Ausschreibungsrunden der so genannten Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, sagte Sascha Spoun in seiner Laudatio.

Prof. Dr. Stefan Schaltegger wurde für seine Verdienste für den berufsbegleitenden MBA-Studiengang Sustainability Management geehrt. Der weltweit erste MBA Studiengang für Nachhaltigkeitsmanagement feierte dieses Jahr sein zwanzigjähriges Bestehen. Stefan Schaltegger bedankte sich insbesondere bei seinen Mitarbeiter*innen: „Die Leistung ist natürlich vor allem durch das Team erbracht“, sagte der Professor für Nachhaltigkeitsmanagement.

Als studentische Initative wurde in diesem Jahr das Unikino geehrt. Ronja Johanna Therese Kaiser und Julia Gobs, Vorjahres-Preisträgerinnen der Initivative „Leuphana Waldgarten“, hielten die Laudatio und freuten sich „die Gesichter hinter dem beliebten Unikino“ sichtbar machen zu können: „Heute ist es gar nicht mehr so einfach, Leute ins Kino zu locken. Was ihr dort erschafft, ist ein Ort der kulturellen Begegnung. Die Filmauswahl könnte kaum bunter sein und Vielfalt ist bei euch tatsächlich Programm. Eure Rahmengestaltung lädt zum reflektieren, lernen und über den Tellerrand schauen ein.“

Vizepräsident Christian Brei blickte auf das vergangene akademische Jahr zurück: „Die Leuphana entwickelt sich schnell und kraftvoll – sowohl quantitativ als auch qualitativ. Nur einige Beispiele: Wir haben im vergangenen Jahr eine neue Fakultät gegründet. Es gibt ein neues Institut for Advanced Studies. Wir geben gerade bundesweit Impulse für eine Reform des Jurastudiums. Wir haben gerade erst den Antrag für unser erstes Exzellenzcluster gestellt. Unser Drittmittel-Volumen hat sich verfünffacht, die Zahl unserer Publikationen fast verzehnfacht, die Drittmittel der DFG fast 25-facht, unsere Zitationen in der wissenschaftlichen Welt fast 200-facht seit 2006. Im Ranking der Times Higher Education gehören wir weltweit zu den besten 100 jungen Universitäten unter 50 Jahren und zu den besten 400 Universitäten weltweit.“

Musikalisch gestaltet wurde der Festakt von der Leuphana Big Band unter der Leitung von Marvin Zimmermann und dem Artist in Residence, Sandro Di Lucia.