Neu an der Leuphana: Prof. Dr. Lea Boecker – Frohe Schadenfreude
01.11.2024 Schadenfreude hat einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, meint die Psychologin Lea Boecker: „Die empfundene Freude ist echt, das Belohnungszentrum wird aktiviert und durch Schadenfreude kann sich die Welt gerechter anfühlen.“ Jetzt wurde die Forscherin zur Juniorprofessorin für Psychologie mit dem Schwerpunkt Gesellschaftliche Transformation ernannt.
Frau Professorin Boecker, gerade ist Ihre neue Studie zur Schadenfreude bei der US-Wahl erschienen.
Lea Boecker: Vor vier Jahren haben wir Trump- und Biden-Anhänger in den USA, aber auch in Deutschland interviewt. Je liberaler die Menschen waren, desto größer war die Schadenfreude über Trumps damals verlorene Wahl. Je konservativer sie waren, desto mehr Mitleid empfanden die Wähler. Sie verstanden nicht, warum Trump trotz seines – aus ihrer Sicht - hohen Prestiges und Könnens verloren hatte.
Hat Schadenfreude also mit der eigenen Perspektive zu tun?
Ja, die Tatsache sieht man an diesem Beispiel sehr gut: Es geht um Bewertung. Status kann man durch Prestige oder Dominanz Strategien erreichen. Prestige und Können sind etwas Positives. Die Demokraten hingegen empfinden Trump eher als dominant und herrisch. Je nachdem, ob ich etwas negativ oder positiv bewertete, empfinde ich Mitleid oder Schadenfreude.
Schadenfroh zu sein, ist aber nicht unbedingt eine positive Eigenschaft…
Als Psychologin bewerte ich keine Emotionen, ich beschreibe und erforsche sie. Ich interessiere mich vor allem dafür, welche Situationen Schadenfreude auslösen und welche Funktion diese Emotion hat. Im Experiment messen wir Schadenfreude per Selbstbericht oder durch die Kontraktion von Gesichtsmuskeln. Wir haben beispielsweise deutschen Fußballfans einen verschossenen Elfmeter der Niederländer gezeigt und als Vergleich einen Treffer der Deutschen. Ich rechnete bei der Schadenfreude mit einem verzerrten, fiesen Lachen. Aber so war es nicht: Freude und Schadenfreude aktivierten die gleichen Gesichtsmuskeln. Bei echter Freude lachen die Augen mit. Krähenfüße sahen wir auch bei der Schadenfreude. Hirnscans aus anderen Studien belegen sogar, dass durch Schadenfreude das Belohnungszentrum aktiviert wird.
Wie erklären Sie diese Forschungsergebnisse?
Schadenfreude empfinden wir häufig, bei Menschen mit hohem Status und arrogantem oder moralischem Auftreten. Treten sie fehl, haben wir das Gefühl, dass sie es verdient haben und es in der Welt doch gerecht zugeht. Es gibt ebenfalls Studien, die darauf hindeuten, dass Schadenfreude die Funktion hat den eigenen Selbstwert zu erhöhen. Diese Emotion kann ebenfalls soziale Hierarchien regulieren, denn Schadenfreude ermöglicht es mir auf eine zuvor überlegene Person gewissermaßen herab zu sehen.
Sie arbeiten in den Leuphana Labs mit physiologischen Messmethoden, aber auch mit einer KI-gestützten Software. Wie sehen die Experimente aus?
Wir verwenden zum einen Elektromyografie. Dazu werden Elektroden im Gesicht der Probanden befestigt. Sie messen die Muskelaktivität. Mittlerweile nutze ich aber auch eine durch Künstliche Intelligenz trainierte Software, die automatisch per Video aufgezeichnete Gesichtsausdrücke analysiert. Die KI identifiziert zunächst wichtige Gesichtspunkte wie Augenwinkel, Mundwinkel und Augenbrauen und passt ein virtuelles Modell an, das sich dem Gesicht nahtlos anpasst. Dieses Modell ermöglicht es der KI, die Bewegungen zu analysieren. Die Gesichtsbewegungen werden dann durch einen Algorithmus übersetzt und klassifiziert, basierend auf einer riesigen Datenbank. So kann die Software mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob beispielsweise ein Lächeln vorliegt. Diese Methode ist einfacher als die physiologische Messung der Muskelkontraktion. Ich verwende sie auch in meinen Seminaren mit Studierenden. Als nächstes möchte ich nämlich untersuchen, warum Menschen denken, dass Schadenfreude “fies“ aussieht.
Vielen Dank für das Gespräch!
Lea Boecker studierte Psychologie an der Universität Würzburg und promovierte am Social Cognition Center Köln. 2018 wurde sie Akademische Rätin am Institut für Management & Organisation (IMO) an der Leuphana. 2024 wurde sie zur Juniorprofessorin für Psychologie, insbesondere Gesellschaftliche Transformation berufen.
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- Prof. Dr. Lea Boecker