Vorlesungsverzeichnis

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Veranstaltungen von Prof. (apl.) Dr. habil. Ulf Wuggenig


Lehrveranstaltungen

Erinnerung und Gedächtnis in Kultur- und Sozialtheorie. Philosophische und soziologische Perspektiven (Seminar)

Dozent/in: Ulf Wuggenig, Cheryce von Xylander

Termin:
wöchentlich | Montag | 14:15 - 15:45 | 16.10.2023 - 06.11.2023 | C 4.215 Seminarraum
wöchentlich | Montag | 14:15 - 15:45 | 13.11.2023 - 02.02.2024 | C 7.019 Seminarraum | ab 13.11.23 in C7.019

Inhalt: Das Seminar zu Erinnerung und Gedächtnis nimmt seinen Ausgang von einer – teils auch noch zu erarbeitenden – Fallstudie über die Erinnerung an die Novembertage des Jahres 1938, als Juden und Jüdinnen in Deutschland und Österreich sich forcierter Verfolgung und Pogromen ausgesetzt sahen. Dabei werden die erst kürzlich in manchen Details genauer erhellten Geschehnisse in Lüneburg und die Art und Weise der lokalen Erinnerung an den 9. und 10. November 1938 im Zentrum der ersten Seminarwochen stehen. Dies hat seinen Grund nicht zuletzt in einer Einladung von Vertreter/innen der jüdischen Gemeinden Niedersachsens und auch Daniel Libeskinds zu einer Veranstaltung an die Leuphana seitens der Universität und der Stadt Lüneburg anlässlich des 85. Jahrestages des 9. November, zu der auch seitens des Seminars ein Beitrag geleistet werden soll. Nach dieser Befassung mit einem speziellen erinnerungskulturellen bzw. -politischen Ereignis zum Auftakt wird die Frage Erinnerung und Gedächtnis aus sozialwissenschaftlicher und philosophischer Perspektive vertieft. Abgesehen von der Aneignung der Sichtweise der Hauptvertreter/innen des Memoria Paradigmas in Deutschland, Aleida und Jan Assmann, welche dem Begriff des sozialen bzw. kollektiven Gedächtnisses den des kulturellen Gedächtnisses hinzufügten, wird sich das Seminar auf den Kultur- und Sozialtheoretiker Norbert Elias konzentrieren. Der Autor der berühmten Studie über den „Prozess der Zivilisation“ (1939), der ähnlich wie andere frühe Hauptvertreter der Soziologie (Max Weber, Emile Durkheim, Georg Simmel), seine Wurzeln auch in der Neo-Kantianischen Philosophie hat, schrieb bereits in 1920er Jahren über den Anti-Semitismus in Deutschland, ein Thema, das angesichts von dessen erneuter Zunahme von hoher Aktualität ist. Ein drittes erinnerungskulturelles Thema des Seminars wird schließlich das Exil von jüdischen deutschen und österreichischen Intellektuellen, Schriftsteller/innen, Film- und Theatermacher/innen und Philosoph/innen thematisieren. Im übrigen werden Seminar-Themen auch in gemeinsamer Diskussion festgelegt.

Entfällt! - Gabentausch und digitale/data-Ökonomie: Geschenk, Reziprozität, Exploitation (Projektseminar)

Dozent/in: Ulf Wuggenig, Cheryce von Xylander

Inhalt: Der Ultra-Dynamik der digitalen Ökonomie, auch als Datenökonomie bezeichnet, entspricht die der geradezu exponentiellen Vermehrung der wissenschaftlichen und journalistischen Literatur zu diesem Thema, in jüngerer Zeit noch angeheizt durch mit generativer Künstliche Intellegenz wahrgenommene Chancen und Risiken - ihr Potential für "schöpferische Zerstörung" (Schumpeter), Disruption, Substitution von Berufen bzw. "Jobs" durch Automatisierung. Ein Hauptproblem dieser Publikationsflut ist darin zu sehen, dass sie typischerweise stark segregiert ist, d.h. eingekapselt in Paradigmen bzw. Echokammern, die ungeachtet ihres vielfach anspruchsvollen Niveaus sich wechselseitig nicht zur Kenntnis nehmen. Dies gilt auch für an sich verdienstvolle Versuche der Popularisierung dieser Diskurse, wie sie in Deutschland etwa von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), dem Berliner Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft oder Zeitungen wie der FAZ in Deutschland oder Der Standard in Österreich unternommen werden. Angesichts dieser Unübersichtlichkeit herrscht nicht nur große Verwirrung, sondern auch Uneinigkeit, auf welche Begriffe gestützt die ausufernde Datenökonomie mit der für sie charakteristischen Aneignung und Nutzung persönlicher Daten durch Big Tech, aber auch staatliche Einrichtungen, begrifflich am Besten zu fassen sei. Hier konkurrieren u.a. Konzepte wie Arbeit, Kapital, Profit und Rente, oder auch Überwachung, asymmetrischer Tausch, Ausbeutung, Herrschaft und Enteignung. Andererseits wirft die entfaltete Dynamik das grundsätzlichere Problem auf, wie die zunehmend von künstlicher Intelligenz und Automatisierung geprägte Gesellschaft am treffendsten zu charakterisieren wäre. Als eine neuerliche, weitreichende Mutation des Kapitalismus, wofür u.a. Begriffe wie digitaler Kapitalismus, Online-Kapitalismus, Überwachungskapitalismus oder kolonialer Kapitalismus stehen? Oder ob demgegenüber nicht vielmehr von Refeudalisierungs-Tendenzen auszugehen ist, somit die Rede von einem „Tech-Feudalismus“ oder „digitalen Feudalismus“ angebracht wäre. Dazu wird ein intensiver Diskurs geführt, in Teilen gut zusammen gefaßt in Evgeny Morozovs „Kritik der Technofeudalen Vernunft“ (2022), aus dem angesichts der Fragmentierung des Diskurses jedoch auch viel Wichtiges ausgeklammert bleibt. Er wird im Rahmen des Seminars jedoch ebenso aufgegriffen wie darin vernachlässigte Versuche, wie u.a. die Tradition von Theorien des Gabentausches (Marcel Mauss) und der Reziprozität (Alvin Gouldner) sowie neo-marxistische Versuche, den Wandel zu fassen (Wolfgang Fritz Haug). Mit Philosoph Wolfgang Haug und Soziologin Frigga Haug (Hg. der Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften. Das Argument) sowie dem Technikphilosophen Alfred Nordmann (TU Darmstadt) führten wir im September Gespräche zur technologischen Transformation. Sie wurden gefilmt und werden auch im Rahmen des Seminars im Zuge der Postproduktion mit Filmmacher Jonas Riedel gezeigt und diskutiert.