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Lehrveranstaltungen

Die Illusion des Gedächtnisses (Seminar)

Dozent/in: Laura López Paniagua, Ulf Wuggenig

Termin:
wöchentlich | Dienstag | 18:00 - 20:00 | 17.10.2016 - 03.02.2017 | C 5.310 Seminarraum

Inhalt: Das Seminar begleitet das Projekt zum kulturellen, sozialen und kollektiven Gedächtnis, das an der permanenten Installation des bekannten französischen Künstlers Christian Boltanski mit dem Titel „Les archives des grands parents“ (Die Archive der Großeltern) ansetzt, die im Mai 1996 – kurz nach Umzug der Universität in das im Zuge der nationalsozialistischen Aufrüstung Lüneburgs errichtete Kasernengelände - im Keller von Gebäude 5 des heutigen Campus der Leuphana eingerichtet wurde. Diese Installation – ein Archiv mit Kartons, die auf Regalen im Kellerraum platziert wurden und einem darauf projizierten Filmdokument aus den 1930er Jahren – stützt sich auf Materialien, die von Studierenden der Angewandten Kulturwissenschaften im Rahmen des Kunstraumprojekts mit Christian Boltanski, tätig damals als Prof. an der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris, im Rahmen des von ihm initiierten Austausches mit deren Großeltern gesammelt wurden. Grundlage für diese waren Dialoge mit den Großeltern über den Alltag in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Installation ist in ihrem technischen Bereich – der Filmprojektion - auf Grund von Obsolenz von Speicher- und Projektionsmedien (VHS Technologie) durch entsprechende rezente digitale Technologie zu erneuern. Die Notwendigkeit der technischen Erneuerung wird zum Anlass genommen, den in den 1990er Jahren geführten Diskurs über die 1930 Jahre, den Themenkreis von Erinnerung bzw. Verdrängung dieser Zeit auf familiärer ebenso wie auf institutioneller Ebene – die Geschichte des Leuphana Campus - nochmals aufzunehmen. Einbezogen werden von künstlerischer Seite der in Paris wohnhafte Christian Boltanski, der sein Interesse an einem erneuten Austausch zu dem Thema im Rahmen der für das WS 16/17 angesetzten Lehrveranstaltung bekundete, die in der vorlesungsfreien Zeit (voraussichtlich März 2017) auch eine Exkursion nach Paris vorsieht, und außerdem die über das Thema des Gedächtnisses arbeitende spanische Künstlerin Laura Lopez Paniagua, die 2015 auf der Basis einer Dissertation zu „The Architecture of Memory“ an der Universität Madrid promoviert wurde. Eingeladen zum Austausch werden zudem Alumni der Universität Lüneburg, die in den 1990er Jahren an dem Projekt bzw. der Materialsammlung beteiligt waren. Dies ermöglicht es auch, Fragen des sozialen bzw. kulturellen Gedächtnis über den Austausch zweier Generationen von Studierenden zu behandeln. Vorgesehen sind zwei Exkursionen: eine nach Paris zum Austausch im Rahmen eines Workshop mit Christian Boltanski und zum Besuch von dessen Arbeiten in Museen in dieser Stadt. In Paris wird es auch Gelegenheit geben, uns mit einem anderen Zugang zur Erinnerungskultur zu beschäftigen, nämlich mit dem von Ruedi Baur, ehemals Rektor der Hochschule für Graphik und Buchkunst Leipzig, und Vera Baur, Absolventin der Angewandten Kulturwissenschaften in Lüneburg aus den 1990er Jahren, die nun in Paris lebt und arbeitet. Ruedi Bauer trat als Künstler im thematischen Zusammenhang des Seminars nicht zuletzt als Preisträger des künstlerischen Wettbewerbs um das Deserteurdenkmal in Köln im Jahre 2009 hervor, das erste Denkmal seiner Art im öffentlichen Raum in Deutschland. http://www.museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/pages/1897.aspx?s=1897 http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/denkmal-fuer-deserteure-der-horizont-offen-1859803.html Vera Baur schreibt am 7.9.16: "Ruedi und ich freuen uns natürlich sehr, wenn Ihr im Frühjahr exkursionshalber nach Paris kommt und können gerne einen Workshoptag mit Euch im Atelier zum Thema Erinnerungskultur organisieren. Da wäre dann sicher u.a. auch Marie José Mondzain oder der Historiker Antoine Grande, der neue Leiter der wichtigsten Gedenkstätte für die Resistance in Paris zugewinnen. Untenstehend sende ich Dir auch die Einladung zur unserer Installationsvernissage im Memorial des ehemaligen Militär- und Zivil-Gefängnis Montluc in Lyon, das durch seine Nutzungszeit von 1918 - 2009 eine Darstellung der komplexen und wechselvollen Geschichte Frankreichs ermöglicht." (siehe Baur-Baur, Montluc unter Material in my study). In Paris werden wir zudem auch Gelegenheit haben, uns mit dem Leiter von The Norwegian University Centre in Paris, Department of Sociology, Prof. Dr. Johannes Hjellbrekke auszutauschen, der seine Dissertation zum Thema des kollektiven Gedächtnisses auf der Grundlage von Maurice Halbwachs und Pierre Bourdieu verfasst hat: Yard Work and Worker Memories. An Analysis of Fields and Practices of Remembering from a Relationist' Standpoint. University Bergen, 2000. http://www.uib.no/en/persons/Johs.Hjellbrekke Eine zweite Exkursion führt uns nach Berlin zu Boltanskis "Archiv der Deutschen Abgeordneten" im Keller des Bundestags sowie zu "The Missing House" in der Großen Hamburger Straße https://www.bundestag.de/blob/194606/99ca77d349fca0ee6e3cc9efcfdf18c7/flyer_boltanski-data.pdf https://www.hgb-leipzig.de/mahnmal/bolti.html Außerdem wird in Lüneburg ein Workshop zum Thema des sozialen und kulturellen Gedächtnisses mit Künstler_innen organisiert, die zu diesem Thema und speziell zum Thema von Erinnerung, Vergessen und Verdrängen gearbeitet haben, wobei speziell auch die Gedächtniskultur am Campus und die Geschichte der Kaserne thematisiert werden sollen. Dafür haben zugesagt die Künstler_innen Michaela Mélian, die den "memory loop" in München konzipierte, und Christoph Schäfer, der maßgeblich am "parc fiction" Projekt in Hamburg Altona beteiligt war und ist. Auch eine Arbeit, die auf den Konversionskasernen Campus in Friedrichshafen (Zeppelin Universität) referiert, wurde von ihm entwickelt. Michaela Mélian https://de.wikipedia.org/wiki/Michaela_Meli%C3%A1n http://www.memoryloops.net/de/more_information Christoph Schäfer https://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Sch%C3%A4fer_(K%C3%BCnstler) http://park-fiction.net/tag/christoph-schafer/ Ruedi und Vera Baur http://ruedi-baur.eu/de/ http://ruedi-baur.eu/en/biography/short-biography.html

Kulturelles Gedächtnis: Christian Boltanski (Seminar)

Dozent/in: Laura López Paniagua, Ulf Wuggenig

Termin:
Einzeltermin | Mo, 17.10.2016, 00:00 - Fr, 03.02.2017, 00:00 | extern | Exkursion

Inhalt: Im Seminar, das vom Leiter des Kunstraum gemeinsam mit einem Gast, der spanischen Künstlerin Laura Lopez Paniagua angeboten wird, begleitet das Projekt zum kulturellen und sozialen Gedächtnis, das an der permanenten Installation des bekannten französischen Künstlers Christian Boltanski mit dem Titel „Les archives des grands parents“ (Die Archive der Großeltern) ansetzt, die im Mai 1996 im Keller von Gebäude 5 des heutigen Campus der Leuphana eingerichtet wurde. Diese Installation – ein Archiv mit Kartons, die auf Regalen im Kellerraum platziert wurden und einem darauf projizierten Filmdokument aus den 1930er Jahren – stützt sich auf Materialien, die von Studierenden der Angewandten Kulturwissenschaften im Rahmen des Kunstraumprojekts mit Christian Boltanski, tätig damals als Prof. an der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris, im Rahmen des von ihm initiierten Austausches mit deren Großeltern gesammelt wurden. Grundlage für diese waren Dialoge mit den Großeltern über den Alltag in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Installation ist in ihrem technischen Bereich – der Filmprojektion - auf Grund von Obsolenz von Speicher- und Projektionsmedien (VHS Technologie) durch entsprechende rezente digitale Technologie zu erneuern. Die Notwendigkeit der technischen Erneuerung wird zum Anlass genommen, den in den 1990er Jahren geführten Diskurs über die 1930 Jahre, den Themenkreis von Erinnerung bzw. Verdrängung dieser Zeit auf familiärer ebenso wie auf institutioneller Ebene – die Geschichte des Leuphana Campus - nochmals aufzunehmen. Einbezogen werden von künstlerischer Seite der in Paris wohnhafte Christian Boltanski, der sein Interesse an einem erneuten Austausch zu dem Thema im Rahmen der für das WS 16/17 angesetzten Lehrveranstaltung bekundete, die in der vorlesungsfreien Zeit (voraussichtlich März 2017) auch eine Exkursion nach Paris vorsieht, und außerdem die über das Thema des Gedächtnisses arbeitende spanische Künstlerin Laura Lopez Paniagua, die 2015 auf der Basis einer Dissertation zu „The Architecture of Memory“ an der Universität Madrid promoviert wurde. In Paris wird es auch Gelegenheit geben, uns mit einem anderen Zugang zur Erinnerungskultur zu beschäftigen, nämlich mit dem von Ruedi Baur, ehemals Rektor der Hochschule für Graphik und Buchkunst Leipzig und Prof. für Design, und Vera Baur, Absolventin der Angewandten Kulturwissenschaften in Lüneburg aus den 1990er Jahren, die nach einer gemeinsamen Zeit mit Ruedi Bauer im Institut Design Kontex 2 der Zürcher Hochschule der Künste nun seit einigen Jahren in Paris lebt und arbeitet. Sie schreibt am 7.9.16: "Ruedi und ich freuen uns natürlich sehr, wenn Ihr im Frühjahr exkursionshalber nach Paris kommt und können gerne einen Workshoptag mit Euch im Atelier zum Thema Erinnerungskultur organisieren. Da wäre dann sicher u.a. auch Marie José Mondzain oder der Historiker Antoine Grande, der neue Leiter der wichtigsten Gedenkstätte für die Resistance in Paris zugewinnen. Untenstehend sende ich Dir auch die Einladung zu unserer Installationsvernissage im Memorial des ehemaligen Militär- und Zivil-Gefängnis Montluc in Lyon, das durch seine Nutzungszeit von 1918 - 2009 eine Darstellung der komplexen und wechselvollen Geschichte Frankreichs ermöglicht." (siehe Baur-Baur, Montluc unter Material in my study). Eingeladen zum Austausch werden zudem Alumni der Universität Lüneburg, die in den 1990er Jahren an dem Projekt bzw. der Materialsammlung beteiligt waren (u.a. Gesine Märkl, Saskia Drechsel, Jens Kraemer). Dies ermöglicht es auch, Fragen des sozialen bzw. kulturellen Gedächtnis über den Austausch zweier Generationen von Studierenden zu behandeln. Zur Frage der Erinnerungskultur sind kulturwissenschaftliche Arbeiten verfügbar, die insbesondere mit den Namen von Maurice Halbwachs sowie von Aleida und Jan Assmann verbunden sind. Ersterer, einer der bedeutendsten Schüler von Emile Durkheim, prägte den Begriff des "kollektiven Gedächtnisses". Die Assmanns wiederum brachten den Begriff des "kulturellen Gedächtnisses" in Umlauf. Aleida Assmann verfasste auch speziell einen Beitrag über den für das Seminar zentralen Künstler Christian Boltanski, Bruder von Luc Boltanski, der hier vor allem über seinen Begriff des "neuen Geist des Kapitalismus" bekannt wurd. Die Konzepte von Halbwachs und von J und A Assmann und deren paradigmatischer Rahmen werden im Seminar zunächst erarbeitet. Laura Panagiua, die sich in englischer Sprache beteiligen wird, schlug vor, den Zugang zu Fragen der Erinnerung über Pierre Bourdieu zu versuchen. Sie schreibt: "Against the backdrop of artist Christian Boltanski’s 1996 installation "Les Archives des Grands-Parents", on view at the Leuphana University campus, this seminar intends to approach the notion of memory as narrative illusion, as posed by Pierre Bourdieu, from a comprehensive perspective. On his 1984 article "l'illusion biographique" 1, Pierre Bourdieu approaches the idea of "life history'': the presupposition that life is a narrative consisting of a beginning, a progression of stages and a termination. Historical and biographical narratives are thus considered accounts of personal and collective memory, which are presupposed to form coherent wholes that follow a concrete intentionality. The life's work of renowned French visual artist Christian Boltanski (b. 1944) has been strongly lead by a will to explore the nature, expectations and authenticity of his own biography, as well as the narratives of the history of the 20th century, both forms of memory inextricably intertwined in his oeuvre. He has thus broadly addressed the illusions of memory, always linked to the formation of identities. An attempt to investigate artistically the relationship of German students with their history inscribed in their own family constellations and narratives, brought Boltanski to Leuphana University in 1996. The result of this project was an installation consisting of an archive of the mementos of the student's grandparents, a sensitive matter due to the national socialist background of some of them. During the course of the seminar, we shall revisit the Leuphana installation and build on the themes posed, with the contributions of some of the original protagonists as well as the fresh perspectives of the students twenty years later. This analysis will branch out to a broader view of Boltanski's deconstructive strategies regarding memory, establishing links and parallels with some of his contemporaries. Pierre Bourdieu, L'illusion biographique, in : Actes RSS, N° 62/63 (Thème "L'illusion biographique"), pp. 69-72. Dt. Die biographische Illusion. BIOS Jg. 3 (1990), H. 1, S. 75-81. Somit wird auch Bourdieus Theorie, in dessen Praxistheorie das "kollektive Gedächtnis" als ein Aspekt des Habitus verankert ist, einen wesentlichen Bezugspunkt für das Projekt darstellen.