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Lehrveranstaltungen

Zeitlichkeit in der zeitgenössischen Kunst. Konzepte, Verfahren, Stationen der Kunst seit den 60er Jahren. (Seminar)

Dozent/in: Eva Kuhn

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 12:15 - 13:45 | 25.10.2018 - 31.01.2019 | C 5.325 Seminarraum

Inhalt: Gegen Lessings Definition der bildenden Kunst als eine reine Raumkunst, deren Möglichkeiten sich auf die Darstellung eines einzigen "fruchtbaren Augenblickes" (1766) beschränken, hält bereits die ältere Kunst mit Bilderzyklen oder der Implikation verschiedener zeitlicher Momente in einem Bild vielfache Argumente bereit. Auf die radikale Verzeitlichung der Wahrnehmung durch die technischen Erfindungen wie Eisenbahn und Kino, hat die moderne Kunst und Kunstgeschichte auf vielfache Weise reagiert. Besonders virulent wird die Artikulation der Zeit jedoch in den künstlerischen Praktiken der 60er und 70er Jahre, wo prozesshafte und offene Werkformen die Vorstellung der Kunst als Objekt bzw. als materiell gebundenes und stillgestelltes, als zeitenthobenes und für alle Dauer gültiges Artefakt verdrängen. Diese Verdrängung geschieht beispielsweise durch die Vorrangstellung des Gedankens (Konzeptkunst), durch die räumliche Entgrenzung in der Installationskunst bzw. den Auszug aus dem Ausstellungsraum (Land Art), durch Film und Video und durch Formen der Aktionskunst (Happening, Performance). Angesichts des flüchtigen Charakters dieser auf der Irreversibilität der Zeit insistierenden Konstellationen kommt ihrer Nicht-Dokumentation oder Dokumentation (als Bestandteil ihres „Scripts“) eine besondere Bedeutung zu. Ein weiterer Fokus bildet die in und seit den 80er Jahren (Appropriation Art, Found Footage) verdichtet auftretende zeitliche Figur der Wiederholung bzw. Aneignung und der künstlerischen Arbeit mit dem Archiv als kritisches Verfahren, um beispielsweise konventionalisierte Erzählformen (in Kunst/Kino und der Geschichte) zu entlarven, in Frage zu stellen und Alternativen zu formulieren. Dabei wird Zeitlichkeit auch als Mittel von Herrschaft reflektiert. Damit einher geht die in der zeitgenössischen Kunst zentrale Rolle der Erinnerung, des Durcharbeitens von Vergangenheit und die Frage nach der Re-präsentation des Vergangenen in der Gegenwart(skunst). Zur Diskussion steht, inwiefern die Assoziation von Geschichte mit der lebendigen Gegenwart auch als eine Kritik an der modernistischen Fortschrittslogik verstanden werden kann. Unter dem Fokus der Zeitlichkeit stellt das Seminar schliesslich die Frage nach der Gegenwartskunst (seit 1989) unter den Vorzeichen der Globalisierung und der damit verbundenen Fiktion einer transnationalen Gleichzeitigkeit. Im Zentrum stehen Arbeiten, die der homogenisierenden Zeitlichkeit (des Kapitals) alternative Zeitlichkeiten entgegensetzen und Gegenwart als je singuläre Form der Zeiterfahrung in actu produzieren. Mit der Fragestellung der Temporalität werden im Seminar zentrale Werke diskutiert und am Verständnis von grundlegende Konzepten, Verfahren und Stationen der Kunst seit den 60er Jahren bis in die Gegenwart gearbeitet.