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Lehrveranstaltungen

Geschichte der Epidemien (Seminar)

Dozent/in: Andreas Bernard

Termin:
wöchentlich | Mittwoch | 12:15 - 13:45 | 18.10.2021 - 04.02.2022 | C 14.201 Seminarraum

Inhalt: Die politischen und medizinischen Bemühungen, die Ausbreitung der Corona-Pandemie einzudämmen, sind in den letzten eineinhalb Jahren vorwiegend zwei Strategien gefolgt: zum einen dem Versuch, die Ausbreitungswege der Infektionen durch Technologien der Daten- und Menschenerfassung möglichst genau zu rekonstruieren, zu steuern und vorauszuberechnen, zum anderen in der aufwändigen, global vernetzten Erforschung von spezifischen Impfstoffen und Immunisierungsprozessen. Diese Kopplung ist gerade aus medien- und wissensgeschichtlicher Perspektive besonders interessant. Denn sie legt eine doppelte kommunikationstechnische Perspektive auf den Umgang mit Epidemien nahe: Der Vorgang der „Infektion“ lässt sich als Kommunikation zwischen Menschen beschreiben, der Akt der „Impfung“ und der erhoffte Prozess der „Immunisierung“ als Unterbrechung dieser Kommunikation. Unser Seminar möchte eine Geschichte der Bekämpfung epidemischer Krankheiten daher gerade als Verbindung dieser beiden Reaktionsformen schreiben. Das zentrale Erkenntnisinteresse wird von der Beobachtung geleitet, dass die europäischen Pocken-Epidemien seit dem frühen 18. Jahrhundert sowie die Cholera-, Gelbfieber-, Typhus-, Diphterie- oder Polio-Epidemien seit dem 19. Jahrhundert sowohl als Katalysatoren des demographisch-bevölkerungspolitischen als auch des medizinisch-immunologischen Wissens gewirkt haben. Der Prozess der Eindämmung von Seuchen betrifft den Schutz der Körper und die Organisation der Daten. Der Kurs wird vier Hauptthemen haben: ¬– Erstens soll die Geschichte der Bekämpfung epidemischer Krankheiten seit dem 18. Jh. konsequent mit der Geschichte des Wissens von der Erfassung der Menschen verknüpft werden. – Zweitens möchte das Seminar die Geschichte des Impfens als wichtigste medizinische Reaktionsform auf epidemische Krankheiten untersuchen. – Damit verbunden interessiert sich der Kurs drittens für die historisch wandelbaren Vorstellungen von ʺImmunitätʺ, und zwar nicht nur im engen medizinischen Sinn, sondern auch im politischen und kulturellen Verständnis. – Viertens wird es dem Kurs schließlich darum gehen, die bevölkerungspolitischen, medientechnischen, hygienischen und medizinischen Formen der Bekämpfung von Epidemien zu verbinden. Denn die Frage, welche Aufzeichnungsformen seit dem 18. Jahrhundert genutzt wurden, um Ausbreitungs‑ und Infektionswege zurückzuverfolgen, und die Frage, welches Wissen vom Impfen und von der Immunität sich zu einer bestimmten Zeit herausgebildet hat, gehören zusammen.