Gespräch zum Film 'The Return' von Heidi Grunebaum und Mark Kaplan

„An der Seite der Schwächsten stehen für eine andere Zukunft“

13.11.2025 Im Rahmen des Filmreihe des Leuphana Institute for Advanced Studies (LIAS) wurde im SCALA-Programmkino „The Return“ gezeigt. Im sehr gut gefüllten Kinosaal stand die Regisseurin des Films und LIAS-Senior Fellow Heidi Grunebaum anschließend dem Publikum Rede und Antwort. Das Filmgespräch führt Prof. Dr. Thomas Kück vom Institut für Ethik und Theologie.

©Julia Knop
©Julia Knop
©Julia Knop

Der Film beginnt wie eine Spurensuche. Eine Spur folgt der anderen: Südafrika, Deutschland, Hungen in Hessen, Hanau … „Am Anfang“, sagt Heidi Grunebaum, die das Script zu diesem Film geschrieben hat, „musste ich selbst suchen, wie sich die einzelnen Spuren zusammensetzen und was sich dahinter verbirgt.“

1936: Die jüdische Großmutter von Heidi Grunebaum, Emmi, flüchtet vor den Nazis nach Südafrika. Dort erlebt sie in verkehrten Rollen ein neues System rassistischer Gewalt. 2024: Emmis Enkelin, Heidi, kehrt nach Deutschland zurück und dreht gemeinsam mit dem jüdischen Südafrikaner Mark Kaplan einen Film über ihre vielfältig-gegensätzlichen Erfahrungen, deren Ausgangspunkt die Familiengeschichte ist. „Ist es eine private Dokumentation?“, fragt  Thomas Kück. „Nein“, erwidert Heidi Grunebaum“, der Film ist persönlich, aber nicht privat, denn das Thema spricht viele Menschen an. Es geht um Erinnerungen an frühere Gewalt und Rassismus und um die aktuelle gefährliche Wiederkehr von rassistischen Ideologien.“ 

„Wie hast Du den Film erlebt?“, fragt Kück seinen Kollegen am IET, Prof. Dr. Matthew Robinson,. „Ich habe diesen Film als eine intensive Meditation erlebt, als eine Einladung zur Selbstreflexion“, meinte Robinson. The Return zeigt viele verschiedene Arten von Wieder- und Rückkehr, sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Im Laufe des Films bewegen wir uns zeitlich zurück zur Shoah, aber auch vorwärts in unsere Gegenwart und erleben die regelmäßige Rückkehr des Faschismus im Laufe mehrerer Jahrzehnte bis zum heutigen Tag. In diesem zeitlichen Schwindel, indem wir uns vorwärts und rückwärts bewegen, fragen wir uns als Zuschauer: Wo stehe ich in Bezug auf diese Vergangenheit und die Gegenwart? Was erwartet dieser Film von mir? Was erwartet unsere aktuelle gesellschaftliche Situation von mir?“ Er fuhr fort: „Der Film achtete darauf, nicht in vereinfachende Moralisierung abzugleiten. Vielmehr stellte er eine tiefgreifendere ethische Herausforderung dar: die Herausforderung, über die Verflechtung von Erinnerung und passiver/aktiver Entscheidungsfindung sowie über die Verstrickung in gesellschaftliche Wertesysteme und Othering nachzudenken.“

Andersmachung und Gewalt

Die Spuren, denen Grunebaum in ihrem Film folgt, führen vom Nationalsozialismus über die Apartheid, von den Morden in Hanau über Rostock-Lichtenhagen bis zum tödlichen Anschlag auf die Synagoge in Halle im Jahr 2019. Immer wieder lässt die Regisseurin Augenzeugen zu Wort kommen, die das Dokumentierte persönlich schildern. So beschreibt Riad Othmann, Berater von Medico International, mit einer deutschen Mutter und einem palästinensischen Vater, wie er schon als Kind subtile Formen von Othering erlebte: Du bist anders als wir. Diese Andersmachung sei gefährlich, weil daraus alle weitere Gewalt folge. 

Es gibt auch andere Spuren im Film. Wenn zum Beispiel Adolph und Renate Hampel zu Wort kommen, die seit den 1970er-Jahren das Hungener Schloss restauriert und mittels ihrer Stiftung mit Leben gefüllt haben. Sie bringen das Publikum zu einem solidarischen Lachen, wenn Hampel, der ehemalige Priester und Universitätsprofessor bekennt, er habe überhaupt keine Probleme damit, gegenüber Behörden die Unwahrheit zu sagen, wenn er dadurch verfolgten und bedrängten Menschen helfen könne. Die Würde des Menschen zu respektieren, sei ihm das Wichtigste. Wer will hier ethisch urteilen, wenn Normen in Konflikt geraten?

„Der Film endet in der Abenddämmerung. Es wird dunkel. Wo bleibt die Hoffnung?“, fragte Thomas Kück und übergab das Schlusswort an Heidi Grunebaum. „Es wird dunkel, weil der Rassismus wächst und die Gefahr größer wird. Und dennoch gibt es Hoffnung. Sie ist kein Objekt, das ich habe, keine Sicherheit, die ich besitze, sondern sie ist eine Aufgabe, dass wir an der Seite der Schwächsten stehen für eine andere Zukunft!“, ermutigte die Regisseurin.

Rückfragen und Kontakt

  • Prof. Dr. Thomas Kück