Vorlesungsverzeichnis

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Lehrveranstaltungen

Modell und Simulacrum in der Turing-Galaxis (Seminar)

Dozent/in: Stefan Ullrich

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 10:15 - 11:45 | 02.04.2024 - 05.07.2024 | C 14.102 b Seminarraum

Inhalt: Der Name »Turing-Galaxis« ist nicht so bekannt wie sich die Informatik das wünscht, er soll die mediengeschichtliche Epoche benennen, die nicht länger vom Buchdruck (»Gutenberg-Galaxis«), sondern vom vernetzten Universalcomputer geprägt ist. Was bei Leibniz noch Ironie war, ist mit Hilfe von algorithmischen Entscheidungssystemen ökonomische Realität geworden: Wir wägen keine Argumente mehr gegeneinander ab, wir rechnen das Ergebnis einfach aus. Calculemus! Ausrechnen statt Entscheiden! Aber auf welcher Grundlage finden die Berechnungen statt? Dafür werden Modelle benötigt, die die komplexe Umwelt hinreichend gut im Speicher der »Turing-Maschine« abbilden. Der Modellbegriff besitzt eine lange Geschichte, die wir anhand aktueller Entwicklungen nachzeichnen wollen. Von Vitruvs »modulus« über das World-3-Model des Club of Rome bis zu den Large Language Models waren es immer wieder Modelle, die nicht nur unser Verständnis der Welt, sondern auch unsere Handlungen bestimmt haben. Das Seminar setzt keine technischen Kenntnisse voraus, diese werden in den Einführungssitzungen vermittelt. Wir werden nicht nur wissenschaftliche Texte lesen, sondern auch auf Werke der Science-Fiction zurückgreifen, insbesondere auf »Simulacron-3« (Daniel F. Galouye 1964) und »Do Androids Dream of Electric Sheep?« (Philip K. Dick 1968). simulācrum, ī, n. (simulo) 1. Bildnis, Bild [v. Statuen, Gemälden, Reliefs]; cerea Wachspüppchen [zur Zauberei], 2.a. Traumbild, b. Schatten, c. Charakterbild: viri copiosi, 3. Nachbildung, Phantom.

Reactionary Postmodernism? Deutsche Medientheorie aus ideengeschichtlicher Perspektive (Seminar)

Dozent/in: Christian Voller

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 16:15 - 17:45 | 02.04.2024 - 05.07.2024 | C 12.013 Seminarraum

Inhalt: Unter dem Titel "reactionary postmodernism" – versehen mit einem Fragezeichen – behandelt der kanadische Medienwissenschaftler Geoffrey Winthrop-Young ein medientheoretisches Paradigma, das sich in den 1990er Jahren vor allem im Nachwende-Berlin formierte. Vertreten durch Denker wie Friedrich A. Kittler, Norbert Bolz, Wolfgang Ernst, Christoph Tholen u.a. etablierte sich ein Denken über Medien, das als eine spezifisch deutsche Version des französischen Poststrukturalismus richtungsweisend wurde, wbei es sich einerseits durch seine 'technische' Kälte und andererseits einen hermetischen Jargon auszeichnete, der nicht immer unmittelbar veständlich wirkt(e). Dieses Denken erwies sich als institutionell ausgesprochen durchsetzungsstark und wirkt vor allem in den Kulturwissenschaften bis heute nach, es geriet jedoch auch früh schon in die Kritik. Nicht nur erschien das einhellig postulierte 'medientechnologische Apriori' vielen Zeitgenossen als technikdeterministische Simplifizierung, auch der männerbündlerische Auftritt und die oft überschießende Polemik des Milieus sorgten für Widerspruch. Ausgehend von den Diagnosen und ihrerseits polemischen Zuspitzungen Winthrop-Youngs wollen wir uns mit klassischen Texten der deutschen Medientheorie der 1990er Jahre beschäftigen und dabei insbesondere die reaktionären Traditionslinien freilegen, in die sich diese Formation auf der Höhe der 90er selbstbewusst stellte.