Klimazukünfte: Nicht nur erhalten, sondern verbessern (Seán Cubitt)
14.11.2025 Unsere Zeit ist geprägt von Klimawandel, rasanten digitalen Fortschritten, globalen Konflikten und sozialer Ungleichheit. Hoffnungen ebenso wie Sorgen über die Zukunft der Menschheit und des Planeten angesichts dieser transformativen Prozesse werden auch in popkulturellen Produkten verhandelt. Prof. Seán Cubitt (Universität Melbourne) widmet sich in seiner Arbeit zu Medienökologie und Ökokritik solchen Zukunftsvisionen. Vor seinem Aufenthalt als Senior Fellow am Centre for Digital Cultures (CDC) im Dezember 2025 gibt der Medientheoretiker Einblicke in Themen, die er mit Leuphana-Forscher*innen und in seinen öffentlichen Vorträgen (s. u.) diskutieren wird.
©CC-BY Seán Cubitt
Je mehr digitale Technologien unser Leben prägen, desto drängender stellt sich die Frage: Was sind die versteckten Kosten der digitalisierten Welt – vom enormen Energiebedarf künstlicher Intelligenz (KI) und umfassender Datensammlung bis hin zu den weitläufigen Infrastrukturen der globalen Konnektivität? „Aus pessimistischer Sicht stehen digitale Technologien jeglicher Art von Klimazukunft entgegen. Wie alle Gewinne sind auch die Einnahmen aus KI als zukünftige Einnahmen für vergangene Ausgaben angelegt. Das bedeutet, dass die Zukunft bereits verschuldet ist. Solange die einzige wirtschaftliche Zukunft auf Schulden basiert und solange Regierungen ihren politischen Maßnahmen normative wirtschaftliche Kriterien zugrunde legen, gibt es keine Zukunft, weder klimatisch noch anderweitig.“ Mit dieser dystopischen Perspektive fordert Seán Cubitt ein Umdenken von Nachhaltigkeit im Zeitalter von sozialen Medien, Streaming-Diensten und Satellitennetzwerken.
Zusammen mit Forscher*innen des Potenzialbereichs „Klimazukünfte in digitalen Kulturen“ des Leuphana-Programms Embracing Transformation wird er Ideen für innovative, gerechte und umweltbewusste Wege in die Zukunft erörtern. Der Potenzialbereich untersucht, wie Zukunftsszenarien zum Klima in digitalen Kulturen konstruiert, imaginiert und gestaltet werden – ausgehend von der Prämisse, dass digitale Technologien zur Klimakrise beitragen, aber auch Lösungen bieten können. Cubitt betont: „Die Herausforderung besteht nicht darin, eine Zukunft zu schaffen, die Profitraten und soziale Stabilität aufrechterhält. Es geht darum, sich Wege zu einem besseren Leben vorzustellen – und damit zu beginnen, diese zu verwirklichen. Das erfordert eine Neukonzeption der Zukunft, die nicht lediglich eine Verlängerung der Gegenwart ist. Die Lebenden sind die privilegierte Generation zwischen Vergangenheit und Zukunft. Als solche sollten wir verstehen, dass wir Verpflichtungen gegenüber der Welt haben, die vor uns war, und gegenüber der Welt, die nach uns kommt.“
Ebenso wie es Filme über das Ende der (menschlichen) Welt gibt, bestehen auch popkulturelle Darstellungen über das, was danach kommen könnte. Wie Mad Max beschäftigen sich viele Filme mit dem Fortbestehen der Menschheit nach dem Ende der natürlichen Welt oder sie entwerfen utopische Szenarien, wie in Greta Gerwigs Barbie-Film. Für Cubitt ist auch Letzteres eine postapokalyptische Welt, ein verwüstetes Ödland, aber „das Ende beschränkt sich nicht nur auf schlechte Dinge: Das Leben in der Endzeit kann auch Anpassungen an die bestehenden Bedingungen hervorbringen, die das Überleben zu mehr machen als nur ein Dahinvegetieren in den Trümmern der Vergangenheit. Nach dem Erwägen, nach dem Vorstellen kommt die Arbeit, eine Welt zu schaffen, die ihren vielen Bewohner*innen gerecht wird, die gut ist für alles, was lebt, gelebt hat oder auf eine Weise lebt, die wir uns nur vorstellen können.“
Wir sollten es jedoch nicht bei Zukunftsvisionen allein belassen: „Ein gutes Leben für alle erfordert ein gemeinsames Projekt, in dem wir andere Lebensweisen entwerfen. Ernst Bloch schrieb: ‚Hoffnung wäre keine Hoffnung, wenn sie nicht enttäuscht werden könnte‘, aber Vorstellungskraft ist nur dann Vorstellungskraft, wenn sie verwirklicht werden kann.“ Der Medientheoretiker hält daher fest: „Ich kann nicht empfehlen, irgendetwas zu erhalten. Ich möchte die Dinge verbessern.“
In seiner Forschung verbindet Seán Cubitt Film- und Medienwissenschaften mit Ökokritik, Technologie-, Wirtschafts- und Politikgeschichte sowie mit Medienkunst und Ästhetik. Er veröffentlichte Monografien und Buchbeiträge, die für das CDC und den Potenzialbereich „Klimazukünfte in digitalen Kulturen“ relevant sind, zuletzt Three Digressions (on the Way to Eco-Aesthetic Politics) (2025) und Posthumous Sound and the General Imagination (2024). Als Senior Fellow des CDC wird er seine aktuellen Forschungsprojekte vorstellen und das Forschungsprogramm des Potenzialbereichs mit den teilnehmenden Wissenschaftler*innen diskutieren. Darüber hinaus hält er zwei öffentliche Vorträge und gibt eine Response zum Vortrag von CDC-Fellow Wendy Hui Kyong Chun.
Kontakt
- Prof. Dr. Timon Beyes
- Dr. phil. Vera Tollmann