Course Schedule

Veranstaltungen von Prof. Dr. Aaron Sahr


Lehrveranstaltungen

Kritik der finanziellen Vernunft (Seminar)

Dozent/in: Aaron Sahr

Termin:
14-täglich | Montag | 10:15 - 13:45 | 07.04.2025 - 11.07.2025 | C 12.015 Seminarraum

Inhalt: Kritik der finanziellen Vernunft Über Schulden, Geld und öffentliche Ausgaben Die sozio-ökologische Transformation unserer gesamten Wirtschaftsweise, hartnäckig schwaches Wohlstandswachstum, bröckelnde Infrastrukturen, soziale Spannungen und immer neue Krisenmomente wie die Corona-Pandemie oder der russische Überfall der Ukraine strapazieren die öffentlichen Finanzen westlicher Wohlfahrtsstaaten. Es fehlt allerorts an Geld und die Schuldenstände steigen ständig auf neue Rekordhöhen. Im Herbst 2024 zerbricht die deutsche Regierung der sogenannten Ampel-Koalition an einem Streit über die Staatsfinanzen und die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand. Der ehemalige Finanzminister Christian Lindner (FDP) verteidigt die im Grundgesetz verankerte »Schuldenbremse« mit Nachdruck und wird entlassen. Vielen Bürger:innen dürfte die Haltung des Ex-Ministers allerdings, unabhängig von parteipolitischen Präferenzen, im Grundsatz einleuchten: Die Mehrheit in Deutschland ist (Staats-)Schulden gegenüber skeptisch eingestellt, kein Wunder, wachsen wir doch in der Regel mit zahlreichen Annahmen und Weisheiten über Schulden und Geld auf: »Spare in der Zeit, dann hast du in der Not« lautet ein vertrautes Sprichwort, das den verbreiteten Argwohn gegen Schulden und Kredite und die häufig vorausgesetzte Tugendhaftigkeit des Sparens offen transportiert. Schulden gelten uns in der Regel als allenfalls notwendiges Übel, eine Ausnahme, der die Annahme der Normalität von Einnahmen und Sparen gegenübersteht: Besser, man spart sich das Geld, was man benötigt, fleißig zusammen. Wer auf Pump lebt, dem fehlt die Geduld, sich zunächst seinen Anteil am gesellschaftlichen Wohlstand durch eigene Leistung zu erwirtschaften — so denken viele; besser, man spare anstelle sich zu verschulden, man verdiene sich sein Geld, anstatt es sich von anderen zu leihen. Solche Rationalitäten und Moralitäten, so vertraut sie auch sein mögen, beruhen auf Prämissen über die sozio-ökonomischen Verhältnisse von Geld und Schulden, die durch soziologische, kulturwissenschaftliche, ökonomische und historische Forschungen allesamt auf den Kopf gestellt wurden. Der gesellschaftspolitische Diskurs über Geld, Schulden und öffentliche Zahlungsfähigkeit wurde einer fundamentalen Kritik der vorherrschenden finanziellen Vernunft unterzogen — und diese Kritik wollen wir in diesem Seminar nachvollziehen.