Course Schedule
Veranstaltungen von PD Dr. phil. habl. Jens Kastner
Lehrveranstaltungen
Dekolonialistische Soziologie: Koloniale Genese und dekoloniale Effekte der Kultur- und Sozialtheorie (Seminar)
Dozent/in: Jens Kastner
Termin:
Einzeltermin | Do, 16.10.2025, 18:00 - Do, 16.10.2025, 19:30 | Online-Veranstaltung | Einführungssitzung (online)
Einzeltermin | Fr, 05.12.2025, 14:00 - Fr, 05.12.2025, 19:00 | C 12.015 Seminarraum
Einzeltermin | Sa, 06.12.2025, 10:00 - Sa, 06.12.2025, 17:00 | C 12.015 Seminarraum
Einzeltermin | So, 07.12.2025, 10:00 - So, 07.12.2025, 17:00 | C 12.015 Seminarraum
Inhalt: Der Soziologe Pierre Bourdieu (1930–2002) begann seine wissenschaftliche Laufbahn unter kolonialen Bedingungen. Der Einfluss der „kolonialen Situation“ auf seine späteren Forschungen sowie auf seine allgemeine Begriffsbildung wird seit einigen Jahren diskutiert. Einerseits werden dabei die Genese zentraler Konzepte auf die ethnologischen Beobachtungen in der algerischen Gesellschaft zurückgeführt und auch der antikoloniale Anspruch Bourdieus herausgestellt (Onur Erdur). Andererseits wird aber auch bemängelt, dass die Akteur*innen als Träger*innen sozialer Transformation kaum berücksichtigt wurden und dass Bourdieu mit dieser Auslassung sogar eine „große Auslöschung“ (Raewyn Connell) indigener Bevölkerungsgruppen auf wissenschaftlicher Ebene betrieben haben. Neure Studien untersuchen diese Zusammenhänge in wissenschaftshistorischer Perspektive (George Steinmetz) und im Hinblick auf den politischen, antikolonialen Anspruch der soziologischen Interventionen (Amín Pérez). Eine Anwendung von Bourdieus Ansatz auf postkoloniale Gesellschaften und für dekolonialistische Perspektiven liegt also nahe. In Lateinamerika, wo sich die Sozial- und Kulturwissenschaften auf vielen Ebenen mit den Nachwirkungen des Kolonialismus beschäftigt haben, wurde sein Werk dennoch weit weniger systematisch rezipiert als diejenigen anderer europäischer Theoretiker*innen des 20. Jahrhunderts (wie etwa Walter Benjamin, Antonio Gramsci und Louis Althusser). Dennoch gibt es insbesondere in Argentinien, Bolivien und Mexiko verschiedene Stränge der Bourdieu-Rezeption, die sowohl die Feldtheorie als auch die Analyse symbolischer Herrschaft und die Frage der Politik aufgreifen. Am Beispiel der Bourdieu-Rezeption in Lateinamerika sollen die Fragen nach den Herausforderungen durch „die koloniale Situation“ und ihre Implikationen für eine dekolonialistische Soziologie diskutiert werden. Literatur: Raewyn Connell: Sothern Theory: Social Science and the Global Dynamics of Knowledge. Cambridge/ Malden, MA: Polity Press 2007. Onur Erdur: Schule des Südens. Die kolonialen Wurzeln der französischen Soziologie. Berlin: Matthes & Seitz 2024. Jens Kastner: „Koloniale Klassifikationen. Zur Genese postkolonialer Sozialtheorie im kolonialen Algerien bei Frantz Fanon und Pierre Bourdieu“. In: Ders.: Klassifikation und Kampf. Zur Aktualität der Kultursoziologie Pierre Bourdieus. Wien/ Berlin: Verlag Turia + Kant 2024, S. 44-79. Amín Pérez: Bourdieu & Sayad. Against Empire. Forging Sociology in Anticolonial Struggle. Cambridge/ Hoboken: Polity Press 2024. George Steinmetz: Die kolonialen Ursprünge moderner Sozialtheorie. Französische Soziologie und das Überseeimperium. Hamburg: Hamburger Edition 2024.