Course Schedule


Lehrveranstaltungen

Das Selbst in der digitalen Kultur (Seminar)

Dozent/in: Andreas Bernard

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 16:15 - 17:45 | 17.10.2022 - 03.02.2023 | C 6.026 Seminarraum

Inhalt: Das Seminar geht von der Beobachtung aus, dass die Präsentations- und Erkenntnisweisen des Selbst in der digitalen Kultur – zum Beispiel in Gestalt von "Profilen" in Sozialen Netzwerken, der Ortungstechnologie auf den Smartphones oder der "Quantified Self"-Bewegung – auffallend häufig auf Techniken zurückgehen, die in der Kriminologie, Psychiatrie und Pädagogik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts entwickelt wurden. Formate und Verfahren, die ursprünglich zur Erfassung von Verbrechern, Wahnsinnigen und anderen Problemexistenzen dienen sollten, stehen heute in erster Linie im Zeichen der Selbstermächtigung und der Stärkung des souveränen Subjekts. Das Seminar beschäftigt sich mit den wissensgeschichtlichen Genealogien der heutigen Präsentationsformen digitaler Subjektivität und versucht einige Transformationen des Sozialen und Politischen herauszuarbeiten, wie etwa den ins Affirmative gewendeten Status von "Erfassung“ und die Überführung von polizeilichen Fahndungstechniken in eine fröhliche gesellschaftliche Praxis.

Technik und Zeit (Seminar)

Dozent/in: Christoph Görlich

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 14:15 - 15:45 | 17.10.2022 - 03.02.2023 | C 6.320 Seminarraum

Inhalt: In der Moderne wird der Zeitbegriff virulent: zunächst tritt er aus Metaphysik und naturwissenschaftlichem Postulat heraus (»absolute, wahre und mathematische Zeit« bei Newton) und wird bei Kant zu einer alle Erfahrung mit-konstituierenden Kategorie (Raum und Zeit), zu einem bewusstseinsphilosophischen Grundbegriff, der dann mit Hegel in den Begriff der geschichtlichen Erfahrung eingeht. Doch dieser Erfahrungsbegriff wird ebenso brüchig wie der Begriff der Geschichte, in dem er aufgefangen war. So kommt es im zwanzigsten Jahrhundert zu erneuten Befragungen der Grundstruktur der Zeit, die teils metaphysisch, teils phänomenologisch, teils geschichtstheoretisch oder gesellschaftstheoretisch grundiert sind. Betrachtet man den Gang der entsprechenden Krise der Zeit im zwanzigsten Jahrhundert, die auf dem philosophischen Terrain mit der Postmoderne weiteren Lauf bekam, dann sollte mit beachtet werden, dass der Zeitbegriff in der philosophischen Reflexion wie kaum ein anderer durch seine technischen Bedingungen geprägt ist: Lange bevor Zeit als ein natürliches Phänomen der Bewegung bzw. der Wiederkehr betrachtet wurde – wofür insbesondere die Astronomie von Bedeutung war –, betrachtete man es, im alten Ägypten bis hin zu Aristoteles, als Effekt künstlicher Vorrichtungen (hier ist besonders die Sanduhr in ihren verschiedenen Variationen zu nennen, paradoxerweise auch die Sonnenuhr). Das änderte sich erst später, mit der neuzeitlichen Naturwissenschaft bis hin zu Newton und dessen Postulat einer absoluten Zeit. Betrachtet man den modernen Zeitbegriff so scheint es daher unabdingbar, dabei immer zugleich nach der technisch-mediale Bedingung zu fragen – zumal hier u.a. in puncto Bewegung (Stichwort »Beschleunigung«) und ‚Zeitnutzung‘ große Veränderungen vonstatten gingen. Dies soll im Seminar geschehen, indem kanonische Texte zum Zeitbegriff in der Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts vor dem Hintergrund ihrer technischen, medialen und nicht zuletzt auch politisch-ökonomischen Bedingung (was freilich nicht allein die Techniken der Zeitmessung meint) diskutiert werden. Thematische Fluchtlinie dessen wird die technisch-mediale Bedingtheit der Zeitform in den digitalen Kulturen der Gegenwart sein, welche auf der Basis der Seminarlektüren und -diskussionen in ihrer Genese, heutigen Geltung und weiterreichenden Bedeutung kritisch beleuchtet werden soll.