Maxi Wallenhorst | Freie Dissoziation. Eine trans Poetik

06. Jan.

18:15 Uhr, C40.530

Dissoziation beschreibt die Distanzierung von kontinuierlicher Erfahrung – beim Autofahren, Sex oder unter extremem Stress – bei gleichzeitig intakter Realitätsprüfung. Dissoziation ist häufig Gegenstand zeitgenössischer trans Literatur. Während Dissoziation in klinischer und popkultureller Anwendung oft als posttraumatischer Zusammenbruch von Subjektivität dargestellt wird, scheint sie hier jedoch auch auf einen spezifisch vergeschlechtlichten Prozess kapitalistischer Entfremdung hinzuweisen, eine „infrstructure of unfeeling“. Ausgehend von den Gender Troubles in der Ideengeschichte von Dissoziation entwickelt dieser Talk den Begriff nicht nur als individuelles Symptom, sondern als konzeptuelle Ressource und poetische Modalität, in der Nähe zu Deadpan, Underperforming und Camp. Auf der Grundlage von Jean Laplanches psychoanalytischen Interventionen, marxistisch-feministischer Ästhetik und einem Close-Reading zeitgenössischer Lyrik schlägt der Beitrag eine dissoziative Poetik vor, die Geschlecht negativ verortet: gegen Diskurse von „Identität” und „Fluidität” als Verstoffwechselungsprozess von Widersprüchen sozialer Reproduktion. Anstatt Depersonalisierung zu romantisieren oder zu reparieren, so argumentiert der Beitrag, könnte freie Dissoziation benennen, wie wir Entfremdung kollektiv vermitteln.

Maxi Wallenhorst ist Doktorandin und Stipendiatin an der Leuphana Universität. Sie lebt und schreibt in Berlin. Zuletzt erschienen mehrere Essays in der Berlin Review.

Sprache: Deutsch

Eine Veranstaltung der Forschungsinitiative Die Disruptive Bedingung 

Kontakt: Nicolas Schneider (nicolas.schneider@leuphana.de)