Vorlesungsverzeichnis

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Lehrveranstaltungen

Affective turn. Affekt und Affizierung in Philosophie und Kulturwissenschaften (Seminar)

Dozent/in: Kerstin Andermann

Termin:
wöchentlich | Dienstag | 14:15 - 15:45 | 12.10.2015 - 29.01.2016 | C 5.311 Seminarraum

Inhalt: Bereits seit einiger Zeit ist im Raum der kulturtheoretischen Debatten wieder verstärkt die Rede von Affekten. Man kann durchaus von einem Paradigmenwechsel sprechen, der in Ablösung des linguistic turn in den letzten Dekaden zu einer umfassenden Fokussierung auf Körper, Leib, Gefühle, Stimmungen, Leidenschaften, Wahrnehmung und Erfahrung geführt hat. Ganz sicher ist diese Wende zu den affektiven Dimensionen des In-der-Welt-seins eine Wende, die sich theoriegeschichtlich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der phänomenologischen Bewegung angebahnt hat. Sie hat mit einer Abkehr von den transzendentalphilosophischen Voraussetzungen zu tun, die seit Kant und mit Husserl das Denken des Menschen bestimmt haben. Der paradigmatische Einzug dieser Perspektivierungen befriedigte offensichtlich ein Bedürfnis danach, die pathischen, anonymen, vorreflexiven, vorintentionalen und entgrenzten Dimensionen des menschlichen Lebens in den Blick zu nehmen und das souveräne Bewusstseinssubjekt endgültig vom Sockel seiner transzendentalen Position zu holen. Dieses Manöver der Theoriebildung ist allerdings bereits ein Stück Philosophiegeschichte, und die Affekte stehen heute für vielmehr als für diese cartesianischen Probleme moderner Subjektphilosophie. Die Frage nach Affekten und Affizierung verbindet aktuell eine ganze Reihe interdisziplinärer Theoriefelder, die sich um eine pluralistische und relationale Beschreibung komplexer Probleme der Gegenwart bemühen. Affektion ist heute, wie in den frühneuzeitlichen Systemen auf die man derzeit gerne Bezug nimmt, wieder eine ontologische Dimension geworden, in der sich die Relationalität, die Kontinuität, die Immanenz und die Einheit unterschiedener Seinsbereiche und ihre konstitutive Teilhabe aneinander anzeigt. Im Unterschied zu den vormodernen Entwürfen setzt man heute nicht mehr deduktiv mit einer vorangestellten Ontologie des Ganzen an, um die Zusammenhänge der Entitäten zu beschreiben. Heute ist man mit der Destabilisierung der Gliederungen von Natur und Kultur, Wissen und Welt, Individualität und Sozialität, Mensch und Technik konfrontiert und stößt empirisch auf den immanenten Zusammenhang dieser Einheiten. Die Leerstelle, die im Denken der Einheit von Mengen, Netzwerken, Hybriden, Ökologien usw. auszufüllen war, um die großen Trennungen zu überwinden, nimmt - zumindest im weiten Feld der Frage nach dem Menschen - seit einiger Zeit der Vorgang der Affizierung ein. Affektivität ist zu einer Größe geworden, die die unhintergehbare Relationalität des Individuums markiert und dessen Resonanz in den unterschiedlichen Feldern des Denkens und des Seins einholt. In diesem Sinne weist der Vorgang der Affizierung eine ontologische Dimension auf und kann nicht allein phänomenologisch, epistemologisch, ästhetisch oder emotionstheoretisch aufgefasst werden. Wir wollen in diesem Seminar die theoriegeschichtliche Karriere des Affektbegriffs nachvollziehen und zentrale Motive der aktuellen Debatte identifizieren, um am Ende zu einer genaueren Bestimmung davon zu gelangen, was mit Affekt und Affizierung eigentlich gemeint ist und warum diese Begriffe so attraktiv für die aktuelle kritische Kulturtheorie sind. Es wird dabei sowohl um Philosophie und Philosophiegeschichte (Spinoza/Nietzsche/Deleuze) gehen als auch um zeitgenössische Autorinnen und Autoren der kulturtheoretischen Diskussion. (Massumi, Angerer, Ott, Protevi, Clough)

Body turn. Somatische Dimensionen von Gesellschaft (Seminar)

Dozent/in: Yvonne Niekrenz

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 12:15 - 13:45 | 12.10.2015 - 29.01.2016 | C 14.102 a Seminarraum

Inhalt: Der sogenannte body turn hat in den kultur- und sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen deutliche Spuren hinterlassen. Der Körper ist mittlerweile ein etablierter Forschungsgegenstand. das war nicht immer so: Der menschliche Körper ist zwar eine Basiskategorie sozialen Handelns, aber erst seit etwa 30 Jahren sichtbares Thema in der Soziologie. Er ist Medium, zugleich physisches und soziales Gebilde (Douglas 1998 [1974]) und nicht zuletzt Erkenntnisquelle (z. B. Schmitz 1985). Mit Hilfe eines anthropologisch-phänomenologischen Zugangs soll eine Definition des Körpers erarbeitet werden, die seine „Zweiheit“ (Plessner 1975) zum Ausgangspunkt nimmt und um die Leib-Körper-Unterscheidung von Hermann Schmitz erweitert. Körperpraktiken und -inszenierungen werden in ausgewählten Beispielen aus handlungstheoretischer Perspektive nachgespürt.

Cultural Turns (Vorlesung)

Dozent/in: Günter Burkart

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 14:15 - 15:45 | 15.10.2015 - 28.01.2016 | C HS 3

Inhalt: Mit „Cultural Turn“ (im Singular) ist eine grundlegende Neuorientierung an einer kulturwissenschaftlichen Perspektive angesprochen, die in vielen geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungsfeldern und Fachdisziplinen geradezu als Paradigmenwechsel erschien. Im Rahmen der weiteren Ausdifferenzierung der Kulturwissenschaften wurden weitere „turns“ identifiziert, so dass es heute eine breite Palette von „turns“ gibt (z.B. iconic, visual, spatial, emotional usw.). Es geht dabei um spezifische Vertiefungen und Spezialisierungen kulturwissenschaftlicher Forschungsgebiete in einem weiten Sinn; eine Hinwendung zu Querschnittsthemen, die bisher nicht in die etablierten Fachdisziplinen passten. Die Vorträge der Ringvorlesung „Cultural Turns“ geben einen Überblick über diese dynamischen Entwicklungen und stellen dabei zugleich wichtige Schwerpunktthemen der Kulturwissenschaften vor. Sie behandeln thematische Bündelungen, Aufmerksamkeitsverschiebungen oder Wiederentdeckungen von Fragestellungen und Forschungsperspektiven, die über Disziplinengrenzen hinweg wirksam wurden. Außerdem geht es um Effekte dieser „turns“ auf Diskurse und Paradigmen in kulturwissenschaftlichen Disziplinen und kulturellen Feldern.

Digital Turn. Kulturwissenschaftliche Schlüsselbegriffe für das 20. Jahrhundert (Seminar)

Dozent/in: Nishant Shah

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 16:15 - 17:45 | 12.10.2015 - 29.01.2016 | C 11.307 Seminarraum

Inhalt: Selfie. Hashtag. Emoticon. Lurker. Hacker. Digital Native. Big Data. Revenge Porn. Fappening. A description of our current society is filled with new words and concepts that are emerging at unprecedented speed. The Keywords for the 21st Century is a course that maps out our existing time through these keywords which shape the domains of life, labour and language. The course introduces students to key concepts and theories, and the rich debates that accompany them, in contemporary cultural studies. It bridges the gap between the new and the old, to show that even in the new digital age, some of the older questions are relevant and important. This class is also interested in User Generated Content, not only as its object of study, but as its methodology. Along with introducing students to new words and ideas it also invites students to generate their own keywords and document and collect their own everyday life and cultural practices.

Neuere Beiträge zum Begriff Kreativität (Seminar)

Dozent/in: Christoph Behnke

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 16:15 - 17:45 | 12.10.2015 - 29.01.2016 | C 6.317 Seminarraum

Inhalt: Das Unbehagen, welches sich bei Verwendung des Begriffs Kreativität heute einstellt, rührt nicht zuletzt daher, dass die Doktrin der Kreativität ihre Monopolstellung als ein Spezifikum der kulturellen Welt eingebüßt hat und stattdessen Businessgurus, Lifestyle-Ingenieure, Managementberater aber auch Gewerkschaftsfunktionäre, Kulturtheoretiker etc. den Begriff wie selbstverständlich verwenden. Die Rhetorik der Kreativität findet sich in der Ökonomie z.B. in der Redeweise von der „creative economy“, in der Wirtschaftsgeografie in Begriffen wie „creative class“ oder „creative city“, in der Kulturpolitik in der Redeweise von den „creative industries“, in der psychologischen Beratungsliteratur als Ressource Kreativität etc. Eine „Kritik der Kreativität“ ist als Reaktion auf diese ausgereizte Benutzung des Begriffs nicht mehr überraschend. Das Seminar knüpft an diese verschiedenen Redeweisen an und versucht herauszufinden, womit das gegenwärtige Interesse an Kreativität zusammenhängt. Besondere Berücksichtigung wird die jüngst erschienene Studie von Andreas Reckwitz über die „Erfindung der Kreativität“ finden. Literatur zur Einführung Andreas Reckwitz (2012): Die Erfindung der Kreativität. Berlin: Suhrkamp Bröckling, Ulrich (2007): Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt/M.: Suhrkamp. S. 152-179 Csikszentmihalyi, Mihaly (1988) “Society, culture, and person: a systems view of creativity”, In: Sternberg, ed, The Nature of Creativity: Contemporary Psychological Perspectives, pp 325–339. Florida, Richard (2002): The Rise of the Creative Class. New York: Basic Books Garnham, N. (2005) ‘From Cultural to Creative Industries: An Analysis of the Implications of the “Creative Industries” Approach to Arts and Media Policy Making in the UK’, International Journal of Cultural Policy 11(1): 15–29. KEA European Affairs (2009): The Impact of Culture on Creativity. A Study prepared for the European Commission. June 2009. S. 17-96 Luc Boltanski (2011): Leben als Projekt. Prekarität in der schönen neuen Netzwerkwelt. In: http://www.polar-zeitschrift.de/position.php?id=110 McRobbie, Angela ( ): “Jeder ist kreativ”. Künstler als Pioniere der New Economy. In: Singularitäten – Allianzen, hg. Von Jörg Huber. Wien, New York: Springer und Edition Voldemeer Zürich. S. 37-60 Peck, Jamie (2008): Das Kreativitätsskript. In: eurozine http://www.eurozine.com/articles/2008-11-19-peck-de.html Scott, Allen J. (1999): The Cultural Economy: geography and the creative field. In: Media, Culture & Society Vol 21: 807-817 Wuggenig, Ulf & Gerald Raunig (Hg.)(2007): Kritik der Kreativität. Wien: Turia+Kant

Neuro-Turn. Neuverhandlungen des Verhältnisses von Körper und Geist (Seminar)

Dozent/in: Yvonne Förster

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 12:15 - 13:45 | 12.10.2015 - 29.01.2016 | Raumangabe fehlt

Inhalt: In diesem Seminar wird dem Neuronalen Netz als Denkparadigma und Metapher in Kunst und Wissenschaft nachgegangen. Das Neuronale prägt als Idee unser Denken über Bewusstsein, Kognition, das Experimentieren mit künstlicher Intelligenz bishin zu Psychologie, Coaching, Marketing und Finanzwirtschaft. Als Basis emergenter Eigenschaften und Intelligenz wirkt das Bild des neuronalen Netzes auf unser Bild des Menschen und seines Platzes in der Welt. Die Bilder, die die Wissenschaft vom Neuronalen Netz bereithält, wirken wie ein Blick in die Blackbox des Bewusstseins und entfalten so immense Suggestivkraft. Das Netz als Metapher wirkt weit über die Grenze des Schädels hinaus als Form in der sich Strukturen wie das Internet oder intelligent künstliche Netze entfalten. Interessant ist hier vor allem die Verbindung biologischer und technischer Systeme (wie es z.B. im Film "Ghost in the Shell" deutlich wird). Nicht nur in Neurowissenschaft und Bewusstseinsphilosophie wird das Neuronale Netz und seine Eigenschaften zum Thema der Forschung. Die Idee des Netzes wird auch als Denkparadigma und Bild prägend in vielen Bereich der Kultur. Es sollen zeitgenössische Texte und Filme exemplarisch auf die Art und Weise, wie das Neuronale und sein Verhältnis zu Körperlichkeit dort verwendet und gedacht wird, untersucht werden. Demgegenüber finden sich gerade in der zeitgenössichen Philosophie Ansätze, welche Kognition als verkörperten Prozess begreifen. Diese sollen dem Neuro-Paradigma gegenübergestellt werden.

Posthumanist Turn? Von Evolutionsgeschichte(n) und der Stellung des Menschen in der Zeit des Anthropozäns (Seminar)

Dozent/in: Maren Schwieger

Termin:
Einzeltermin | Mi, 21.10.2015, 12:15 - Mi, 21.10.2015, 13:45 | C 11.320 Seminarraum
Einzeltermin | Fr, 20.11.2015, 14:00 - Fr, 20.11.2015, 18:00 | C 14.102 b Seminarraum
Einzeltermin | Sa, 21.11.2015, 10:00 - Sa, 21.11.2015, 16:00 | C 14.102 b Seminarraum
Einzeltermin | Fr, 22.01.2016, 14:00 - Fr, 22.01.2016, 18:00 | C 14.027 Seminarraum
Einzeltermin | Sa, 23.01.2016, 10:00 - Sa, 23.01.2016, 16:00 | C 14.027 Seminarraum

Sound-Cultures? Klang-Ökologien? Sonic Bodies? Post-Musikalische Klangforschung in den Kulturwissenschaften (Seminar)

Dozent/in: Malte Pelleter

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 12:15 - 13:45 | 12.10.2015 - 29.01.2016 | C 5.326 (ICAM)

Inhalt: Kulturen haben immer auch ihren eigenen ›Sound‹. Unter gewichtig klingenden Überschriften wie Sound-Studies, Sonic Turn o.ä. erfährt dieser in letzter Zeit immer mehr (kultur-)wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Dabei stimmen die äußerst heterogenen Ansätze, die von solchen Bezeichnungen versammelt werden, am ehesten darin überein, dass sie sich als dringend notwendige Erweiterungen und Ergänzungen etablierter Disziplinen positionieren – etwa einer Musikwissenschaft, die statt zu hören noch immer Notentexte entziffert, oder einer Medienwissenschaft, die gebannt auf Bildschirme starrt aber die Ohren verschlossen hält. Das Seminar soll einen Überblick über diese aktuell wuchernden Sound-Diskurse schaffen. Außerdem wollen wir einen Blick (oder ein Ohr) auf ästhetische Praxen von Klangkunst bis Popmusik werfen, die die (paradigmatische?) Gehörlosigkeit der Kulturwissenschaften immer wieder herausgefordert haben.

Spectral Turn. Erscheinungsformen des Unheimlichen in der Literatur (Seminar)

Dozent/in: Julia Menzel

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 16:15 - 17:45 | 12.10.2015 - 29.01.2016 | C 5.019 Seminarraum

Inhalt: Innerhalb kulturwissenschaftlicher Forschungsgebiete gewinnt das Gespenstische als Metapher, Denkfigur und transdisziplinäres Analysekonzept seit den 1990er Jahren stark an Bedeutung. Insbesondere im Anschluss an Jacques Derridas Lehre vom Gespenst, der 'Hantologie', wird das Gespenstische für die Auseinandersetzung mit Themenfeldern und Fragen, die unter anderem Politik und Ökonomie, Raum und Geschichte, Medien und Geschlecht betreffen, produktiv gemacht. Als Denkfigur betont es das Zersplittern jeglicher Ordnungen und Grenzen, etwa derjenigen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Leben und Tod. Vor dem Hintergrund dieses 'spectral turn' wird sich das Seminar aus literaturwissenschaftlicher Perspektive unterschiedlichen Erscheinungsformen des Unheimlichen und Gespenstischen widmen, die in literarischen Texten auftauchen. Anknüpfend an Sigmund Freuds Essay über "Das Unheimliche" (1919) und Jacques Derridas in "Marx' Gespenster" (1993) entwickeltem Konzept des Gespensts wird die Veranstaltung die Art und Weise der Darstellung des Unheimlichen und Gespenstischen in literarischen Texten analysieren sowie nach seiner jeweiligen Funktion und Bedeutung fragen. Anhand von Werken E.T.A. Hoffmanns, Franz Kafkas, Judith Hermanns, Daniel Kehlmanns, Jenny Erpenbecks und W.G. Sebalds wird sich das Seminar insbesondere mit den Motiven des Gespensts, des Wieder- und Doppelgängers sowie mit den Themen der unheimlichen Heimat und der heimgesuchten Geschichte beschäftigen.