Vorlesungsverzeichnis

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Lehrveranstaltungen

Entsammeln. Museen und Deakzession (Seminar)

Dozent/in: Lynn Rother

Termin:
wöchentlich | Dienstag | 16:15 - 17:45 | 06.04.2021 - 25.06.2021 | C 40.154 Seminarraum
Einzeltermin | Di, 29.06.2021, 16:15 - Di, 29.06.2021, 17:45 | C 40.154 Seminarraum | hybride LV / Präsenz
wöchentlich | Dienstag | 16:15 - 17:45 | 30.06.2021 - 06.07.2021 | C 40.154 Seminarraum

Inhalt: Museen haben die Aufgabe, das materielle und immaterielle Natur- und Kulturerbe zu schützen und für die Gesellschaft dauerhaft zugänglich zu machen, wie es beispielsweise der Museumsweltverband ICOM in seinen Statuten festschreibt. Dennoch entfernen Museen auch Objekte dauerhaft aus ihren Sammlungen wieder. Weil die meisten nordamerikanischen Museen privat und nicht aus staatlichen Mitteln finanziert werden, verkaufen sie derzeit vor allem hochpreisige Kunstwerke, um die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie auszugleichen. Um die damit erwirtschafteten Mittel freier zu verwenden, wurden eigens die Statuten der amerikanischen Museumsorganisation AAMD geändert. Deakzession ist jedoch weder in nordamerikanischen noch in europäischen Museen ein neues Phänomen. Die meisten Kunstmuseen in den USA verkaufen regelmäßig Objekte, teilweise ganze Gruppen aus sammlungsstrategischen Gründen, jüngst auch um ihre Sammlungen zu diversifizieren und mehr Künstlerinnen und artists of color zu berücksichtigen. Aber auch europäische Museen haben aus verschiedenen Gründen Objekte deakzessioniert. In den letzten 20 Jahren sind Objekte vor allem in Folge von Restitutionsentscheidungen aus den Sammlungen ausgeschieden worden. Deakzessionen und Restitutionen werden in der Öffentlichkeit und in den Medien teils als selbstverständlich hingenommen, teils skandalisiert. Das Seminar beschäftigt sich anhand verschiedener aktueller und historischer Beispiele mit den Phänomenen, den Regularien und den Debatten um Deakzession im 20. und 21. Jahrhundert.

Klassisches Musizieren im künstlerischen Prekariat (Seminar)

Dozent/in: Alenka Barber-Kersovan, Volker Kirchberg

Termin:
wöchentlich | Dienstag | 10:15 - 11:45 | 06.04.2021 - 31.05.2021 | Online-Veranstaltung
wöchentlich | Dienstag | 10:15 - 11:45 | 01.06.2021 - 06.07.2021 | C 12.010 Seminarraum

Inhalt: Die Ausübung der Musik als Beruf unterliegt in den letzten Jahren gravierenden Veränderungen. Einerseits verzeichnet man die rückläufige Kulturförderung, die sinkende Zahl der Planstellen und eine Umstrukturierung der Musiklandschaft, die viele Musikeinrichtungen zu Fusionen oder sogar Schließungen zwingt (z.B. Kulturorchester). Andererseits steigt aber nicht nur die Zahl der arbeitslosen Musiker, sondern zugleich auch die Anzahl jener rapide an, die sich mit der Musik ihren Lebensunterhalt verdienen. Ferner eröffnen sich durch den erhöhten Bedarf an der Produktion von ästhetischen und somit auch musikalischen Inhalten insbesondere für freiberuflich Tätige auch zahlreiche neue Beschäftigungsmöglichkeiten („Zukunftsbranche Kulturwirtschaft“). Diese zunehmende Professionalisierung des gesamten Musikwesens geht allerdings mit zunehmender Flexibilisierung von Berufstätigkeiten im biographischen Verlauf (Portfolio Karriere) und der zunehmenden räumlichen Mobilität der Erwerbstätigen einher. Ferner sind aktuell als gravierende Einschnitte die Auswirkungen der COVID-Pandemie zu verzeichnen, die den Großteil des musikalischen Ökosystems zum Stilstand brachte. Besonders hart getroffen wurden ausübende MusikerInnen und MusiklehreInnen, die über Monate hinweg ihren Beruf nicht ausüben konnten, was viele Profis zur Aufgabe ihrer Tätigkeiten zwang. Als weitere Indikatoren, die das Berufsleben in diesem Bereich voraussichtlich auch längerfristig (negativ) prägen werden, sind veränderte Rezeptionsformen seitens des Publikums sowie die beschleunigte Digitalisierung musikalischer Sachverhalte mit der entsprechenden (ökomischen) Neubewertung musikalischer Dienstleistungen. Wirft man vor dem Hintergrund dieser Situation ein Schlaglicht auf die klassische Musik, stellt man fest, dass sich in diesem Bereich die sozialen Verhältnisse auf einem Kontinuum zwischen pay to play und Gagen, deren Höhen nicht öffentlich kommuniziert werden, befinden. Zudem gibt es enorme Unterschiede in Bezug auf Gender sowie die soziale und kulturelle Herkunft, die allerdings erst in der letzten Zeit zum Gegenstand des (wissenschaftlichen) Diskurses wurden. Es gibt aber auch gemeinsame Merkmale. Die meisten MusikerInnen arbeiten freiberuflich oder verfolgen eine Portfolio-Karriere, die sich aus unterschiedlichen musikbezogenen und musikfremden Tätigkeiten in jeweils neuen Konstellationen zusammensetzt. Sie sind zwar besser ausgebildet als die Durchschnittsbevölkerung, verdienen aber im Vergleich zu anderen Berufstätigen weniger und sind einer größeren Einkommensungleichheit ausgesetzt. Im geplanten Seminar werden vorrangig professionelle MusikerInnen behandelt, wobei sich deren Status eher aus ihrem Selbstverständnis als aus objektiv messbaren Parametern ergibt. Die Veranstaltung selbst beinhaltet zwei thematische Schwerpunkte. Den ersten bilden die theoretischen Grundlagen des Prekariats inner- und außerhalb des Musikfeldes. Ausgehend vom Neoliberalismus thematisiert die erste Seminareinheit das unternehmerische Selbst der zu Flexibilität gezwungenen Menschen, Verschiebungen der Machtverhältnisse und Auswirkungen der neuen Subjektivierungsformen auf die Arbeitsverhältnisse. Darauf aufbauend führt der Weg von den Besonderheiten der Gig Economy, die die Unfreiheit der Angestellten mit der Unsicherheit von Freelancern verbindet und als Coolness, Selbstverwirklichung, autonomes Handeln und freie Entscheidung rationalisiert wird. In einem nächsten Schritt wird das ökonomische Potential der „kreativen“ Arbeits- und Lebensformen untersucht beziehungsweise die Frage nach den sich aus der Unsicherheit ergebenden innovativen Impulsen gestellt. In der darauffolgenden Sitzung werden die erwähnten Aspekte der kreativen Arbeit auf die Musik bezogen und Beispiel der MusikerInnen in prekären Arbeitswelten konkretisiert. Die letzte Stunde des Theorieblockes befasst sich mit den Coping Mechanismen und anderen Reaktionen auf die prekären Arbeitsbedingungen, die zwischen der Resilienz der MusikerInnen sowie neuen Formen der Kooperation und des Networking oszillieren. Im empirischen Teil des Seminars wird aus einer weiteren Perspektive auf das Musikstudium eingegangen und die zögerliche Anpassung der Berufsausbildung auf die berufliche Realität behandelt. Wie in der nächsten Sitzung weiter expliziert wird, vollzieht sich diese nicht linear in Sinne der vermittelten Berufsbilder (SängerIn, DirigentIn, OrchestermusikeIn), sondern in der Regel als Portfolio-Karriere mit flexiblen Tätigkeitsbereichen und häufig prekären Einkommensverhältnissen. Dabei gibt es eine strukturell bedingte Ungleichheit zwischen den – eher die Ausnahme als die Regel bildenden – fest angestellten und den sich in der Mehrzahl befindenden freiberuflich-tätigen MusikerInnen. Um diesen Sachverhalt entsprechend auszulegen, wird in der nächsten Stunde auf kulturpolitische Rahmenbedingungen der musikalischen Arbeit einerseits und die Interessenvertretungen der Musikschaffenden andererseits näher eingegangen. Da sich das Einkommen der MusikerInnen nicht lediglich aus den Auftritten und pädagogischer Arbeit generiert, sondern zugleich in ein komplexes System der Medialisierung und musikalischer Zweitverwertung eingebunden ist, werden in der nachfolgenden Stunde die rechtlichen Rahmenbedingungen der musikalischen Arbeit mit dem Schwerpunkt auf die Wahrnehmung von Online-Musikrechten behandelt. In der letzten Sitzung des empirischen Blocks wird mit dem Thema Soziale Rahmenbedingungen der musikalischen Arbeit der große Bogen zwischen der Identitätskonstruktion der BerufsmusikerInnen als integrative Steuerungsinstanz, den potentiellen Berufskrankheiten, den vor allem gender-betreffenden Ungleichheiten und den Subjektivierungsaspekten der prekären Arbeit gespannt.

Theater zwischen Gouvernmentalität und Governance (Seminar)

Dozent/in: Thomas Heskia

Termin:
14-täglich | Montag | 14:15 - 17:30 | 12.04.2021 - 05.07.2021 | Online-Veranstaltung

Inhalt: Öffentliche Theater sind kulturelle Akteure, die schon immer gesellschaftliche Relevanz beanspruchen und sie im Rahmen der grundgesetzlich garantierten künstlerischen Freiheit autonom auszuüben trachten. Trotz dieser inhaltlichen Selbständigkeit stellen Sie aufgrund ihrer historischen Tradition, ihrer verwaltungstechnischen Verankerung und der weitgehender Steuerfinanzierung immer noch staatliche Instanzen von beachtlicher Prominenz, Größe und Komplexität dar. Steuerung und Aufsicht von Theatern sind daher als öffentliche Aufgaben zu betrachten, die in diesem Seminar unter den konkurrierenden Ansätzen von Gouvernementalität und Governance betrachtet werden sollen (analog zu Amos 2020). Das Konzept der Gouvernementalität geht auf Michel Foucault zurück (Foucault 2017) und stellt Analysewerkzeuge zur Untersuchung modernen Regierungshandelns – von subtiler Machtausübung bis zu induzierter Selbststeuerung – zur Verfügung (vgl. bspw. Bröckling 2001). Unter diesen Vorzeichen spielen unter den Institutionen, die zur Aufrechterhaltung, Modifikation und Schaffung dessen, was wir als Staat wahrnehmen, (Wagenaar 2011) auch Theater eine Rolle. Governance befasst sich hingegen mit Lenkungsformen, welche die vertikale Sicht auf hierarchische Machtverhältnisse um horizontale Vernetzungen erweitern (Ansell und Torfing 2016). Aus gesamtgesellschaftlich-politischer Sicht ist dabei für den Theaterbetrieb die Cultural Governance relevant, die als neues kulturpolitisches Paradigma die eindimensionale Steuerung und Aufsicht durch staatliche Instanzen um Akteure der Zivilgesellschaft ergänzt (Knoblich und Scheytt 2009). Auf Ebene der einzelnen hier als NPOs verstandenen Theaterbetriebe sollte schließlich eine zeitgemäße Corporate Governance dazu führen, dass konkrete Vertreter dieser Zivilgesellschaft an der Steuerung und Aufsicht von Theatern unmittelbar mitwirken (Voggensperger 2004). Empfohlene Literatur: Ansell, Christopher, and Jacob Torfing. 2016. Handbook on Theories of Governance. Edited by Ansell Christopher and Torfing Jacob. Cheltenham: Edgar Elgar. Amos, S. Karin, „Machttheoretische Aspekte von Governance und Gouvernementalität mit Blick auf das Verhältnis von Schulaufsicht und Schulleitung“ – In Unterstützung - Kooperation - Kontrolle: Zum Verhältnis Von Schulaufsicht und Schulleitung in der Schulentwicklung. Wiesbaden: Springer Fachmedien Bröckling, Ulrich (Hg.). 2001. Gouvernementalität der Gegenwart : Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Foucault, Michel. 2017. Geschichte der Gouvernementalität. 1, Sicherheit, Territorium, Bevölkerung : Vorlesung am Collège de France 1977-1978. 5. Auflage Frankfurt: Suhrkamp Knoblich, Tobias J., and Oliver Scheytt. 2009. "Zur Begründung von Cultural Governance." Aus Politik und Zeitgeschichte (8): 34-40. Voggensperger, Ruth. 2004. Gutes besser tun : Corporate Governance in Nonprofit-Organisationen. Bern Wien [u.a.]: Haupt. Hendrik Wagenaar. 2011: Meaning in Action: Interpretation and Dialogue in Policy Analysis London: Routledge.