Freie Berufe - Charakteristika

Wer zu den Freien Berufe zählt, welche Wesensmerkmale eine freiberufliche Tätigkeit charakterisieren, das wird sowohl durch institutionelle (steuerliche, richterliche, administrative, verbandsmäßige) Regelungen und Definitionen wie auch aus wissenschaftlicher Perspektive zugeordnet.

 

Deutschland

Für Deutschland werden freiberufliche Tätigkeiten beschrieben und definiert nach §18 des Einkommensteuergesetzes mit nachfolgender Rechtssprechung, das Urteil des Bundesverfas­sungs­­gerichts von 1960, das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz sowie durch die Definition der Freien Berufe des Bundesverbandes der Freien Berufe:

Freie Berufe: steuerliche/administrative Regelungen


Selbständige Arbeit (EStG § 18, Abs. 1)
Unterscheidung zwischen:


1. Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit, und zwar aus


a) selbständig ausgeübter wissenschaftlicher (Abs. 3), künstlerischer (Abs. 4), schriftstellerischer (Abs. 5), unterrichtender (Abs. 6) oder erzieherischer (Abs. 7) Tätigkeit,


b) selbständiger Berufstätigkeit als Arzt, Rechtsanwalt, Notar, Ingenieur, Architekt, Steuerberater usw. (sog. Katalogberufe- Abs. 8),



2. Einkünften der Einnehmer einer staatlichen Lotterie und

3. Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit.


  • Freiberufler zahlen keine Gewerbesteuer
  • Freiberufler sind nicht buchführungspflichtig (im Gegensatz zu Gewerbetreibenden)

Nach § 18 Abs. 1 EStG gehören zu der freiberuflichen Tätigkeit die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit und die selbständige Berufstätigkeit folgender Katalogberufe:

ÄrzteLotsen
ArchitektenNotare
Betriebswirte, beratendePatentanwälte
BildberichterstatterRechtsanwälte
Buchprüfer, vereidigteSteuerberater
Bücherrevisoren, vereidigteSteuerbevollmächtigte
DentistenTierärzte
DolmetscherÜbersetzer
HandelschemikerVolkswirte, beratende
HeilpraktikerVermesssungsingenieure
IngenieureWirtschaftsprüfer
JournalistenZahnärzte
Krankengymnastenund ähnliche Berufe.

Weiter: „Ein Angehöriger eines freien Berufes im Sinne der Sätze 1 und 2 ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.“ (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG)

 

Bundesverfassungsgerichtsurteil:


In Anlehnung an eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1960 (BVerfGE 10, 354 (364ff)) können folgende Merkmale als kennzeichnend für die freiberufliche Betätigung betrachtet werden:

  • Es werden (überwiegend) geistige Leistungen erbracht, die (zum Teil) zugleich der Verwirklichung ideeller Werte im gesellschaftlichen Leben dienen.
  • Es werden in eigener Verantwortlichkeit Leistungen unter Einsatz der eigenen Arbeitskraft und der persönlichen Fähigkeiten erbracht.
  • Die Leistungen werden in wirtschaftlicher Selbständigkeit erbracht.

Quelle: Sahner, H., Herrmann, H., Rönnau, A. und H.-M. Trautwein (1989), Zur Lage der Freien Berufe 1989, Forschungsinstitut Freie Berufe der Universität Lüneburg, Schriftenreihe Band 1, Teil I, Lüneburg, S. 150.


Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG)

Die Freien Berufe haben im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt. Ausübung eines Freien Berufs im Sinne dieses Gesetzes ist die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen, Heilmasseure, Diplom-Psychologen, Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigte Buchrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Lotsen, hauptberuflichen Sachverständigen, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer und ähnlicher Berufe sowie der Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher.

 

Freie Berufe: Bundesverband der Freien Berufe

Angehörige Freier Berufe erbringen aufgrund besonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigen­verantwortlich und fachlich unabhängig geistig-ideelle Leistungen im Interesse ihrer Auftraggeber und der Allgemeinheit.

Ihre Berufsausübung unterliegt in der Regel spezifischen berufsrechtlichen Bindungen nach Maßgabe der staatlichen Gesetzgebung oder des von der jeweiligen Berufsvertretung autonom gesetzten Rechts, welches die Professionalität, Qualität und das vom Auftraggeber bestehende Vertrauensverhältnis gewährleistet und fortentwickelt.

Quelle: Bundesverband der Freien Berufe, Jahrbuch 1996, S. 253.

Zum Wesen der Freien Berufe sei zudem auf die zahlreichen Publikationen von J.F. Volrad Deneke verwiesen:

Freie Berufe: Wesenselemente nach Deneke


  1. Die freiberufliche Dienstleistung ist eine persönliche Dienstleistung des Berufsträgers, die weder delegierbar ist noch vervielfältigt werden kann.
  2. Es werden ideelle Leistungen erbracht und Idealgüter produziert.
  3. Der Angehörige eines Freien Berufes muss in der Ausübung seines Berufes unabhängig sein, nur seinem Wissen und Gewissen verpflichtet. Das gilt sowohl für Angehörige Freier Berufe in selbständiger wirtschaftlicher Stellung als auch für Angehörige Freier Berufe im Angestellten- oder Beamtenverhältnis.

Die genannten drei Kriterien - persönlich erbrachte ideelle Leistung in beruflicher Unabhängigkeit - müssen jeweils zusammentreffen, wenn ein Beruf als ‚freier Beruf’ bezeichnet werden soll. Das alle Angehörigen der Freien Berufe verbindende gemeinsame Selbstverständnis fokussiert in der Formel: Freiheit als Beruf, und zwar: Freiheit der anderen als Beruf.

Quelle: zusammengefasst zitiert nach Deneke 1990, S. 10f.


 

European Community

Professions, Liberal Professions, Freelancers (Freie Berufe): Definition of the Court of Justice of the European Communities:

The liberal professions mentioned in Annex F(2) to the Sixth Directive 77/388 are activities which

  • involve a marked intellectual character,
  • require a high-level qualification
  • and are usually subject to clear and strict professional regulation.
  • In the exercise of such an activity, the personal element is of special   importance
  • and such exercise always involves a large measure of independence in the accomplishment of the professional activities.

(Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Az. C-267/99, „Urbing-Adam“): Freie Berufe beschrieben als Berufe mit Tätigkeiten, die

  • ausgesprochenen intellektuellen Charakter haben,
  • eine hohe Qualifikation verlangen,
  • gewöhnlich einer genauen und strengen berufsständischen Regelung unterliegen,
  • bei der Ausübung das persönliche Element besonders berücksichtigen und
  • eine große Selbständigkeit bei der Vornahme der beruflichen Handlungen voraussetzen.)

 Source: Judgement of the Court of Justice of the European Communities (Second Chamber), 11 October 2001, case number C-267/99, Christiane Adam ./. Admisnistration de l’enregistrement et des domaines, on the interpretation of Annex F(2) of the Sixth Council Directive (77/388/EEC) of May 1977 on the harmonisation of the laws of the member States relating to turnover taxes – Common system of value added tax: uniform basis of assessment (OJ 1977 L 145, p.1)

 

Inhaltliche Arbeiten zu den Freien Berufen finden sich zudem bspw. in den zahlreichen Publikationen unseres Forschungsinstituts Freie Berufe (FFB) der Leuphana Universität Lüneburg (http://leuphana,de/ffb) und des Instituts für Freie Berufe (IFB) an der Universität Erlangen-Nürnberg (www.ifb.uni-erlangen.de).

 

Wissens-Werte für Freie Berufe

Die Zukunftschancen auch des europäischen Binnenmarktes liegen darin, die Bedeutung freiberuflicher Dienstleistungen für nachhaltiges Wachstum und den Beitrag der Freiberufler zur gesellschaftlichen Stabilität anzuerkennen, die sich nicht in Euro und Cent beziffern lässt. Dieser Wert, das volkswirtschaftliche Gewicht, die Potenziale und Innovationskraft stehen für sich. Freiberufliche Märkte brauchen Regeln, nur so funktionieren sie dauerhaft. Das bestehende System der Qualitätssicherung aus sachnaher Selbstverwaltung, hochwertiger Ausbildung und lebenslanger Weiterbildung, kostenregulierenden Honorarordnungen und neutralitätssichernden Fremdkapitalbeschränkungen hat sich bewährt.


Wie Europa die Freien Berufe charakterisiert
„der freie beruf“ hat die wichtigsten Fundstellen aus der EU-Rechtsetzung sowie –sprechung und essentielle weitere Bekenntnisse zusammengestellt.

  • Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits vor etlichen Jahren höchstinstanzlich für freiberufliche Dienstleistungen ein begriffliches Fundament gegossen. Laut Az. C-267/99 definiert der EuGH freiberufliche Dienstleistungen als Tätigkeiten,
    „die ausgesprochenen intellektuellen Charakter haben, eine hohe Qualifikation verlangen und gewöhnlich einer genauen und strengen berufsständischen Regelung unterliegen. Hinzu kommt, dass bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit das persönliche Element besondere Bedeutung hat und diese Ausübung auf jeden Fall eine große Selbständigkeit bei der Vornahme der beruflichen Handlungen voraussetzt."
  • Die Europäische Kommission hat Anfang Januar 2013 die Bedeutung und Spezifika der Freien Berufe anerkannt. In den Grundlagen für den Aktionsplan „Unternehmertum 2020“ steht:
    „Kein KMU gleicht dem anderen: Die großen Unterschiede in Bezug auf die Größe, das Geschäftsfeld und die Rechtsform bei KMU müssen von den politischen Entscheidungsträgern entsprechend berücksichtigt werden. Dies gilt auch für freie Berufe und Einzelunternehmer, die ebenfalls einen erheblichen Beitrag zur EU-Wirtschaft leisten. Das Prinzip „Vorfahrt für KMU“ muss zum Prüfstein für die Politik auf nationaler und EU-Ebene werden.“

Damit wird der europäische Gesetzgeber aufgefordert, bei der Gesetzgebung die Besonderheiten des Mittelstandes, aber eben explizit auch die der Freien Berufe zu berücksichtigen.

  • In der von Europäischem Parlament und Europäischem Rat verabschiedeten Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen (2005/36/EG) wurde nachfolgende Definition erstmals kodifiziert. So heißt es in Erwägungsgrund 43:
    „Freie Berufe werden auf der Grundlage einschlägiger Berufsqualifikationen persönlich, in verantwortungsbewusster Weise und fachlich unabhängig von Personen ausgeübt, die für ihre Kunden und die Allgemeinheit geistige und planerische Dienstleistungen erbringen. Die Ausübung  … unterliegt möglicherweise in den Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit dem [EG-]Vertrag spezifischen gesetzlichen Beschränkungen nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts und des in diesem Rahmen von der jeweiligen Berufsvertretung autonom gesetzten Rechts, das die Professionalität, die Dienstleistungsqualität und die Vertraulichkeit der Beziehungen zu den Kunden gewährleistet und fortentwickelt.“
  • Im Europäischen Parlament sind auch dank der freiberuflichen Mitstreiter unter den deutschen Abgeordneten und der identifizierten Mitstreiter aus anderen Staaten, mit denen der BFB zum Teil Kooperationsabkommen unterhält, unterschiedliche Entschließungen pro Freiberuflichkeit und freiberuflicher Facetten verabschiedet worden. So hat das Haus im Jahr 2009 die Entschließung zum sogenannten Small-Business-Act (2008/2237(INI) Allgemeines 7.) angenommen. Darin fordert das EP unter anderem die Anerkennung der Besonderheit, die für Angehörige Freier Berufe kennzeichnend sind.

Ein Follow-up zum Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen (2006/2137(INI)) vom Ende des Jahres 2006 knüpft in weiten Teilen an frühere Entschließungen des EP zu den Freien Berufen an. So spricht sich die Entschlie0ung unter anderem für eine Stärkung der Selbstverwaltung aus und betont die wichtige Rolle der Freien Berufe für den Wirtschaftsstandort Europa.

Auf den 5. April 2001 datiert die Entschließung des EP zu „verbindlichen Honoraren für gewisse freie Berufe, vor allem Rechtsanwälte, und der besonderen Rolle und Stellung der freien Berufe in der modernen Gesellschaft“. Das EP  hat in dieser Resolution mehrheitlich die besondere Rolle und Stellung der Freien Berufe in unserer Gesellschaft betont und die Auffassung vertreten, dass die Mitgliedstaaten befugt seien – unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls – verbindliche Honorare für die Freien Berufe festzulegen. Und zwar:
„in der Erwägung, dass die freien Berufe als einer der Pfeiler des Pluralismus und der Unabhängigkeit in der Gesellschaft Aufgaben im öffentlichen Interesse wahrnehmen (…).“

Im Jahr 2014 verabschiedete der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) seinen Bericht zur „Rolle und Zukunft der Freien Berufe in der europäischen Zivilgesellschaft 2020“ (INT/687). Dabei betont der EWSA die Rolle der Freien Berufe als entscheidender Wirtschaftsfaktor, als attraktiver Arbeitgeber und Ausbilder für junge Europäer sowie auch die aus dem Gemeinwohlbezug entspringende Bedeutung für die Funktionstüchtigkeit des Staates:

„Der besondere Gemeinwohlbezug freiberuflicher Dienstleistungen und die sich daraus ergebenden zwingen Voraussetzungen für die Leistungserbringung bedürfen einer Absicherung durch zwingende Berufsregelungen und einen Katalog allgemein anerkannter ethischer Verhaltensnormen bezogen auf den jeweiligen Beruf.“


In: Bundesverband der Freien Berufe, BFB (Hrsg.): der freie Beruf.41. Jahrgang. Januar/Februar 2015. Köllen Druck + Verlag GmbH: Bonn-Buschdorf