Vorlesungsverzeichnis

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Lehrveranstaltungen

Entnetzung und Social Distancing (Seminar)

Dozent/in: Clara Wieghorst

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 14:15 - 15:45 | 12.10.2020 - 29.01.2021 | Online-Veranstaltung

Inhalt: Die rapide Ausbreitung des Coronavirus zeigt, dass wir in einer vernetzten Welt leben. Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, üben wir uns in social distancing. Social distancing lässt sich somit als eine Entnetzungsstrategie verstehen, die dazu dient, die durch das Virus bedrohte vernetzte Welt zu regenerieren. Distanz ist jedoch nicht erst seit März 2020 ein wichtiges Moment des Sozialen: Bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts beschreibt Georg Simmel sie als Mittel zur Bewältigung des Lebens in der Großstadt. Das Seminar möchte social distancing zum Anlass nehmen, verschiedene soziologische Bestimmungen von Distanz zu lesen und diese auf das Thema Entnetzung zu beziehen. Entnetzung ist eine eigenständige medientechnische Praktik, die, wie oben beschreiben, als funktionale Strategie innerhalb von Netzwerken eingesetzt werden kann. Entnetzung dient nicht nur der Regeneration von Netzwerken, sondern wird auch auf individueller Ebene eingesetzt. So lesen Menschen Ratgeberbücher zu einem gelungenen Leben in der digitalen Welt oder verbringen Digital Detox Urlaub in Gegenden ohne Handyempfang, um wieder ‚zu sich selbst zu finden'. Die Corona-Krise bedingt eine neue Normalisierung digitaler Kommunikation. Wird temporärer Medienverzicht obsolet, wenn selbst der Universitätsbetrieb weitgehend online stattfindet?

Grundbegriffe der Biopolitik (Seminar)

Dozent/in: Sami Khatib

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 14:15 - 15:45 | 15.10.2020 - 28.01.2021 | C 14.204 Seminarraum

Inhalt: Termin:
 Wöchentlich | Donnerstag | 14:15 - 15:45 | 15.10.2020 - 28.01.2021 Online Lehre mit zwei persönlichen Treffen in Raum C 14.204 (genaue Termine werden noch bekannt gegeben) Inhalt: Dieses Einführungsseminar nimmt die die thematische Konstellation der Vorlesung „Was wird Corona gewesen sein?“ zum Anlass, Grundbegriffe und Dispositive der Biopolitik zu diskutieren. Neben den mittlerweile klassischen Textstellen bei Michel Foucault lesen wir auch Texte von Walter Benjamin, Roberto Esposito und Giorgio Agamben sowie einführende Sekundärtexte. Hauptaugenmerk liegt auf der kritischen Lektüre der zentralen Passagen aus Foucaults „Überwachen und Strafen“ (1975) und seinen Vorlesungen zur „Geschichte der Gouvernementalität“ zu Sicherheit, Territorium, Bevölkerung (1977/78). Den genealogischen Zusammenhang von Leben (bios, zoe), Staat, Souveränität, Bevölkerungspolitik, Epidemiebekämpfung, Immunität, Ein- und Ausschlussmechanismen und Ökonomisierung verfolgen wir entlang der Grundbegriffe von Gouvernementalität, Disziplinargesellschaft und Kontrollgesellschaft (Foucault), „bloßes Leben“ (Benjamin), „homo sacer“ (Agamben) und „immunitas“ (Esposito).

Konjunkturen des Rassismus in Zeiten der Corona-Pandemie (Seminar)

Dozent/in: Umut Ibis

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 14:15 - 15:45 | 12.10.2020 - 29.01.2021 | Online-Veranstaltung

Inhalt: Während zu Beginn der Corona-Pandemie vor allem ein offener Rassismus gegenüber als asiatisch gelesenen Menschen Konjunktur erfuhr, wurden und werden die Komponenten eines strukturellen Rassismus immer sichtbarer. Im Zugang zum Gesundheitssystem, der bereits vor der Pandemie ungleich verteilt war, zeigt sich nun eine lebensbedrohliche Differenz, welche auch im globalen Maßstab die größte Ausprägung aufweist. Unterdessen arbeiten in den als systemrelevant bezeichneten und somit gerade zu Beginn riskantesten Berufen, wie Kassierer*innen, Paketzusteller*innen und Pfleger*innen, überwiegend Migrantiserte und Migrant*innen gegen geringe Entlohnung unter prekären Bedingungen. Gleichzeitig sind sie überproportional in Branchen tätig, in denen ihnen Jobverlust droht – von (Un-)Möglichkeiten des Homeoffice und -schoolings ganz zu schweigen. Die Aufforderung „Stay at Home“, auffindbar als Sticker bei Instagram oder Hashtag bei Twitter, die nicht nur wohnungslose Menschen exkludierte, blendete auch die oftmals beengten und prekären Unterbringungs- und Wohnverhältnisse von Migrant*innen und Migrantisierten auf einem rassistisch strukturierten Wohnungsmarkt aus. Ein Ausweichen aus diesen beengten Verhältnissen in den öffentlichen Raum wurde bereits vor der Corona-Pandemie problematisiert sowie sanktioniert, findet jedoch durch die polizeilichen Kontrollen im Zuge der Kontaktbeschränkungen ein neues Durchsetzungsinstrument und wirft ein neues Schlaglicht auf die Praxis des Racial Profiling. Unter all diesen Gesichtspunkten, scheint es kaum mehr ein Zufall zu sein, dass antirassistische Bewegungen wie Black Lives Matter an Zulauf gewinnen. Gleichzeitig müssen sie sich jedoch auch die Straßen und Schlagzeilen mit mobilisierten rechten Gruppierungen teilen, die über Verschwörungsnarrative Anschluss an die Mehrheitsgesellschaft und darüber hinaus gefunden haben.

Konjunkturen des Rassismus in Zeiten der Corona-Pandemie (2. Gruppe) (Seminar)

Dozent/in: Umut Ibis

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 10:15 - 11:45 | 15.10.2020 - 28.01.2021 | Online-Veranstaltung

Inhalt: Während zu Beginn der Corona-Pandemie vor allem ein offener Rassismus gegenüber als asiatisch gelesenen Menschen Konjunktur erfuhr, wurden und werden die Komponenten eines strukturellen Rassismus immer sichtbarer. Im Zugang zum Gesundheitssystem, der bereits vor der Pandemie ungleich verteilt war, zeigt sich nun eine lebensbedrohliche Differenz, welche auch im globalen Maßstab die größte Ausprägung aufweist. Unterdessen arbeiten in den als systemrelevant bezeichneten und somit gerade zu Beginn riskantesten Berufen, wie Kassierer*innen, Paketzusteller*innen und Pfleger*innen, überwiegend Migrantiserte und Migrant*innen gegen geringe Entlohnung unter prekären Bedingungen. Gleichzeitig sind sie überproportional in Branchen tätig, in denen ihnen Jobverlust droht – von (Un-)Möglichkeiten des Homeoffice und -schoolings ganz zu schweigen. Die Aufforderung „Stay at Home“, auffindbar als Sticker bei Instagram oder Hashtag bei Twitter, die nicht nur wohnungslose Menschen exkludierte, blendete auch die oftmals beengten und prekären Unterbringungs- und Wohnverhältnisse von Migrant*innen und Migrantisierten auf einem rassistisch strukturierten Wohnungsmarkt aus. Ein Ausweichen aus diesen beengten Verhältnissen in den öffentlichen Raum wurde bereits vor der Corona-Pandemie problematisiert sowie sanktioniert, findet jedoch durch die polizeilichen Kontrollen im Zuge der Kontaktbeschränkungen ein neues Durchsetzungsinstrument und wirft ein neues Schlaglicht auf die Praxis des Racial Profiling. Unter all diesen Gesichtspunkten, scheint es kaum mehr ein Zufall zu sein, dass antirassistische Bewegungen wie Black Lives Matter an Zulauf gewinnen. Gleichzeitig müssen sie sich jedoch auch die Straßen und Schlagzeilen mit mobilisierten rechten Gruppierungen teilen, die über Verschwörungsnarrative Anschluss an die Mehrheitsgesellschaft und darüber hinaus gefunden haben.

Privatized Space, Paranoid Ideation and White Hegemony (Seminar)

Dozent/in: Ana Teixeira Pinto

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 14:15 - 15:45 | 12.10.2020 - 29.01.2021 | Online-Veranstaltung

Inhalt: Writing in 1987, Douglas Crimp argued that “AIDS does not exist apart from the practices that conceptualize it, represent it, and respond to it. We know AIDS only in and through those practices. This assertion does not contest the existence of viruses, antibodies, infections, or transmission routes. Least of all does it contest the reality of illness, suffering, and death. What it does contest is the notion that there is an underlying reality of AIDS, upon which are constructed the representations, or the culture, or the politics of AIDS. If we recognize that AIDS exists only in and through these constructions, then hopefully we can also recognize the imperative to know them, analyze them, and wrest control of them.” The same, we would argue, could be said about the current pandemic. We only know Covid19 through the practices that conceptualize it, represent it, and respond to it. If the question that emerged out of the AIDS pandemic was “to whom does public space belong?” ––who gets to hold hands in the city’s streets, who gets visitations rights in the hospital ward, whose affective life gets to be flaunted and whose needs to remain hidden–– the question that emerged out of the Covid19 pandemic is not only “to whom does privatized space belong?” but also a) how do forms of life lived under the rule of property articulate a necropolitical matrix, positioning the subject, either within close proximity to death, or the farthest away from it; b) what is the relation of private space to possessive individualism (Macpherson:1962), and by extension, to paranoid ideation and fantasies of reverse colonization involving the subjugation of white people which are thriving under the current crisis.

Stay Home! Bilder des Wohnens (Seminar)

Dozent/in: Beate Söntgen

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 14:15 - 15:45 | 15.10.2020 - 28.01.2021 | Online-Veranstaltung

Inhalt: Die Forderung im pandemie-bedingten Lockdown zuhause zu bleiben, hat dem Wohnen einen neuen Stellenwert zugewiesen. Das Seminar nimmt dies zum Anlass, die historisch sich wandelnden Vorstellungen des Wohnens mitsamt des sich verändernden konkreten privaten Raumes, des Interieurs, zu untersuchen. Analysiert werden Texte und Bilder des Wohnens der Moderne und der Gegenwart, in denen Wohnen beschrieben, gezeigt oder neu entworfen wird. Seit der Antike wird das private Haus, der Oikos, im Zusammenhang mit Gemeinschaft und Gesellschaft diskutiert, durchaus auch als Keimzelle und als Bild en miniature des Staates. Mit der Aufklärung wird das Interieur zugleich Rückzugsort des modernen bürgerlichen Individuums, das sich als solches im privaten Raum erst konstituiert: durch Innerlichkeit als Form der Selbstbeobachtung, die im Interieur ihren idealen, eben privaten Ort zu haben scheint. Im Verlauf der Moderne erhält der Wohnraum neue Konturen, das Heim wird zum Hort des Unheimlichen. Neue Technologien wie Telefon oder Fernseher perforieren das Interieur, das sich schließlich vom heimlich/unheimlichen Sweet Home zum Smart Home wandelt. Arbeitsgruppen erschließen Texte und Bilder des Wohnens und präsentieren die Erträge im Seminar. Innen- und Außendynamiken, Schwellen wie Fenster und Türen und deren Funktionen der Einschließung wie Ausgrenzung stehen dabei ebenso im Fokus wie die Kunst des Sich-Einrichtens, im Interieur wie in der Welt. Gern können auch selbst gewählte Beispiele herangezogen werden. Das Bildmaterial, das sich aus Malerei, Fotografie, Video und Film zusammensetzt, stammt aus künstlerischen wie aus gebrauchsorientierten Zusammenhängen.

Überwachungskapitalismus? Diagnosen zum digitalen Kapitalismus (Seminar)

Dozent/in: Armin Beverungen

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 14:15 - 15:45 | 12.10.2020 - 12.11.2020 | C 14.201 Seminarraum
Einzeltermin | Fr, 22.01.2021, 14:00 - Fr, 22.01.2021, 18:00 | C 14.204 Seminarraum
Einzeltermin | Sa, 23.01.2021, 10:00 - Sa, 23.01.2021, 16:00 | C 14.204 Seminarraum
Einzeltermin | Fr, 29.01.2021, 14:00 - Fr, 29.01.2021, 18:00 | C 14.203 Seminarraum
Einzeltermin | Sa, 30.01.2021, 10:00 - Sa, 30.01.2021, 14:00 | C 14.203 Seminarraum

Inhalt: In diesem Seminar befassen wir uns mit gegenwärtigen kulturwissenschaftlichen Diagnosen zum digitalen Kapitalismus. Während seit den 1990er Jahren regelmäßig das Ende des Kapitalismus, ermöglicht durch das Internet, herbeigerufen wird, beobachten wir spätestens seit dem "Web 2.0" eine Kommerzialisierung des World Wide Webs. Gleichzeitig wird das Internet für die Wirtschaft immer wichtiger, so dass von einer klar differenzierbaren »digitalen Ökonomie« kaum noch zu sprechen ist. Entwickelt sich mit der Digitalisierung ein neuer, andersartiger »digitaler Kapitalismus«, anstelle seines Endes? Welche wesentlichen Charakteristika sind diesem Kapitalismus zuzuschreiben, und wie unterscheidet er sich vom fordistischen und postfordistischen Kapitalismus? Das Seminar ist kein klassisches Lektüreseminar, wir orientieren uns jedoch sehr stark an gegenwärtiger Literatur und lesen und diskutieren in den Sitzungen gemeinsam Texte. Zentraler Text ist das Buch The Age of Surveillance Capitalism (auch in deutscher Übersetzung) von Shoshana Zuboff, das im letzten Jahr (2019) eine der bedeutendsten Diagnosen zum digitalen Kapitalismus vorgelegt hat. Wir diskutieren verschiedene Aspekte des Buches (zum Beispiel die Zentralität des Verhaltensmanagements und der Datenökonomie für den gegenwärtigen Kapitalismus, ihren Fokus auf den Konsum als Sphäre in dem Freiheit verhandelt wird, ihre Hoffnungen für den liberalen Kapitalismus, usw.) – im Austausch mit anderen Autoren und deren Diagnosen und Analysen (wie zum Beispiel zum Plattform-Kapitalismus, zum Capture-Kapitalismus, zum Kognitiven Kapitalismus, usw.). Inhaltlich wird, neben der ausgiebigen Lektüre von Zuboff, alternativen Texten zu wesentlichen Aspekten ihrer Theorie des digitalen Kapitalismus; alternativen theoretischen Ansätzen sowie ein Blick auf Paradebeispiele des digitalen Kapitalismus (andere Unternehmen als Google/Alphabet) insbesondere darauf eingegangen werden, wie der Überwachungskapitalismus gerade in der Corona-Pandemie zum Einsatz kommt und weiterentwickelt wird, zum Beispiel um Bewegungsprofile der Bevölkerung zu erstellen. Aufgrund der Corona-Pandemie findet die Lehre weitestgehend Online statt. Aufgrund meiner Abwesenheit von etwa Mitte November bis Mitte Januar finden a) in den ersten Wochen des Semesters wöchentliche Online-Treffen statt (Zoom), und für b) geblockte Termine Ende Januar wird Anfang Januar entschieden, ob diese in Präsenz stattfinden können oder auch Online stattfinden müssen.

Utopie vs. Dystopie - This Changes Everything (Seminar)

Dozent/in: Volker Kirchberg

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 10:15 - 11:45 | 12.10.2020 - 29.01.2021 | C 40.255 Seminarraum

Inhalt: Die Vorlesung und die Seminare des diessemestrigen Moduls Paradigmen der Kulturwissenschaften 2 beschäftigt sich mit kulturwissenschaftlichen Situationsbestimmungen zu den akuten Krisen, sei es die Corona-Pandemie, die Krise des Kapitalismus, des latenten und manifesten Rassismus oder der Klimakatastrophe. Dieses Seminar möchte die Perspektive der Utopie- und Dystopie-Diskurse auf diese akuten Krisen und Katastrophen anwenden. Woher kommt der Begriff der Utopie, was nützt uns die Anwendung von Utopie- und Dystopie-Konzepten in der Gegenwart und Zukunft? Wie wünschen wir uns die Zukunft und wie könnte sie sein? Gibt es auch rückwärtsgewandte Utopien? Im zweiten Teil des Seminars werden wir uns mit literarischen Konzepten der Utopie/Dystopie beschäftigen und dabei insbesondere die spezielle Literatur zur „Social (Science) Fiction“ besprechen. Dann geht es im dritten Teil des Seminars konkret um reale Umsetzungen, also um Realisierungen von Utopien in der Stadt, um die Anwendung utopischer Forderungen in der Realpolitik und um praktische Beispiele in Stadt und Land. In der letzten Sitzung wird dann auf den Zusatz zum Seminar „This Changes Everything“ eingegangen. Konkret wird diese Sitzung Texte von Naomi Klein in Ihrem gleichnamigen Buch (2014) behandeln und die Notwendigkeit utopischen Denkens und Handelns zur Bekämpfung der Klimakatastrophe erläutern. Es ist geplant (aber abhängig von den Corona-Bedingungen) im Sommersemester 2021 in einem Projektseminar reale Utopien in den Regionen in und um Hamburg und Lüneburg zu besuchen und die Bedeutung utopischen Denkens in diesen Projekten und Initiativen für die Bekämpfung der o.g. Krisen zu überprüfen.

Was geht uns der Tod an? (Seminar)

Dozent/in: Kristin Theresa Drechsler

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 14:15 - 15:45 | 12.10.2020 - 29.01.2021 | Online-Veranstaltung

Was wird Corona gewesen sein? Kulturwissenschaftliche Situationsbestimmungen (Vorlesung)

Dozent/in: Armin Beverungen, Susanne Leeb

Termin:
wöchentlich | Donnerstag | 12:15 - 13:45 | 12.10.2020 - 29.01.2021 | Online-Veranstaltung

Inhalt: Was wird Corona gewesen sein? Kulturwissenschaftliche Situationsbestimmungen Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt (Mai 2020) nicht, wie wir in fünf Monaten Corona diskutieren werden, wie von Corona welche Lebensbereiche noch betroffen sein werden. Was wir aber wissen ist, dass das Virus und seine Folgen die Gesellschaften noch lange beschäftigen werden. Denn die durch das Corona-Virus ausgelöste Pandemie und ihre Folgen werfen einen extremen Schlagschatten auf die komplette Bandbreite der kulturellen und gesellschaftlichen Verhältnisse – und zwar weltweit. Sie macht sichtbar, wie Regierungstechnik heißt, auf welcher (bio)politischen Grundlage überhaupt regiert wird, ebenso wie sie schon lange diskutierte gesellschaftliche Missstände eklatant ans Tageslicht bringt. Dies gilt für die Klimakatastrophe ebenso wie die Situation von Pfleger*innen und Carework. Sie zeigt die Angewiesenheit der Welt aufeinander ebenso auf wie die Gefahren der Globalisierung. Die Folgen betreffen grundsätzliche Fragen nach Demokratie- und Freiheitsverständnissen, nach Solidarität, nach Öffentlichkeit, nach Körperlichkeit oder evoziert die Sorge um oder die Akzeptanz von der kurzzeitigen oder längerfristigen Beschneidung von Grundrechten wie Bewegungs- und Versammlungsfreiheit. Sie bedingt einen Rückzug auf familiäre Strukturen – mit Folgen wie der Benachteiligung von Kindern aus ärmeren Haushalten bis hin zur Zunahme an häuslicher Gewalt. Sie zeitigt psychische Folgen von Trauer, Unsicherheit, Überforderung, Zusammenhalt, Verständnis und Sorge. Sie hat Effekte auf unsere Zeitwahrnehmung und unser Zeitverständnis. Sie macht deutlich, für wen die Pandemie lebbarer ist und treibt die vorhandenen gesellschaftlichen Unterschiede extrem hervor. In den USA ist die Sterblichkeit unter Afroamerikaner*innen um das Dreifache höher und dies bei geringeren Infizierungsraten. Man braucht kein*e Ökonom*in sein, um daran etwas über Verteilungsverhältnisse zu erkennen, aber man muss Ökonom*in sein, um die Mechanismen und Prinzipien der Verteilung zu verstehen. Man braucht keine Rassism usforscher*in sein, um in diesen Prinzipien Rassismus zu sehen. Aber es hilft, Rassismusforscher*in zu sein, um die strukturelle Funktion desselben für heutige Gesellschaften zu analysieren. Man braucht kein*e Stadtforscher*in zu sein, um zu sehen, welche Bevölkerungsgruppen besonders betroffene Stadtteile bewohnten. Aber es hilft, Stadtforscher*in zu sein, um diese Geschichte in die lange Geschichte der Segregation einzutragen. Man braucht kein*e Politikwissenschaftler*in zu sein, um die Rhetorik eines „Krieges gegen Corona“ befremdlich zu finden. Aber es hilft, ein*e solche*r zu sein, wenn man sehen will, welche politischen Mechanismen genau diese Rede in Kraft setzt. Die Pandemie hat dazu geführt, in einem unbekannten Ausmaß die Brüchigkeit so gut wie aller Vorannahmen und Lebensformen hervortreten zu lassen – möglicherweise um diese zu bekräftigen oder sie zu ändern. Der Schlagschatten, die Lupe oder das Brennglas sind unterschiedliche Metaphern dafür, was das Virus derzeit bewirkt. Dabei ist das, was das Virus bedeutet haben wird, ein eminent hermeneutischer Akt und unterliegt nicht nur wissenschaftlichen Fakten, von denen der Virologe Drosten sagt, dass die Wissenschaft sie gar nicht produziert. Vielmehr unterliegt es auch einer umkämpften Deutungsmacht der Situation, was Corona gewesen sein wird, was Verschwörungstheoreitker*innen auch für sich nutzen. Es gibt kaum jemand, der nicht auch darüber nachdenkt, wie diese Krise nutzbar gemacht werden kann. Dies gilt für die Abschaffung der Regierungsform der Demokratie ebenso wie für die Entlassung unliebsamer Mitarbeiter im britischen oder amerikanischen Universitätssystem. Dies gilt aber ebenso auch für das Aussetzen einer bestimmten Form des Kapitalismus oder die Frage nach einer Notwendigkeit von Verstaatlichungen. Was Corona gewesen sein wird, wird entsprechend heute mitentschkieden. In diesem Sinne unternimmt diese Ringvorlesung Situationsbestimmungen aus der Sicht der Kulturwissenschaften.