Der globale Süden. Zur historischen Semantik einer Himmelsrichtung - Lukas Böckmann
15. Jan.
Leuphana Universität Lüneburg I Raum C5.019
Do. 15 Januar 2026. 16:00 Uhr
Seit einigen Jahren erfährt die Rede vom Globalen Süden eine bemerkenswerte Konjunktur. In Wissenschaft oder Politik, Kunst und Kultur ist der Begriff längst zum festen Bestandteil des heuristischen Instrumentariums geworden. Seine ebenso auffällige Verbreitung wie meist völlig unhinterfragte Verwendung ist allerdings erklärungsbedürftig, sind ihr doch unterschiedliche Auffälligkeiten eingeschrieben. Entgegen der Semantik bezeichnet der Doppelbegriff nicht allein im geografischen Sinne den Raum südlich des Äquators. Vielmehr dient er als Metapher einer ganzen Reihe von relationalen, nicht selten auf binäre Fundamentaloppositionen zugespitzten Verhältnissen, zu deren Ursache ein aus europäischer Expansion und kolonialer Vergangenheit resultierendes Gefälle erklärt wird. Die auf die Neujustierung dieses Gefälles und seiner Implikationen zielende Ausdeutung jener Metapher nimmt dabei zunehmend konflikthafte Züge an. In ihnen deutet sich an, dass dem Begriff des Globalen Südens eine Schlüsselrolle für das Verständnis historischer Transformationsprozesse zukommen mag, die bis an unsere Gegenwart heranreichen. Der Vortrag beleuchtet die begriffs- und ideengeschichtlichen Tiefenschichten des Kompositums, seiner Herausbildung und ihm vorgelagerter Denominationen des kolonialen bzw. nachkolonialen Raums. Im Zentrum steht dabei eine doppelt gelagerte Fragestellung: nämlich einerseits welche geschichtlichen Umbrüche sich in der begrifflichen Transformation niederschlagen und inwiefern andererseits auf die Zukunft gerichtete Erwartungshaltungen mit dem Begriff verbunden sind.
Lukas Böckmann ist Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er hat Iberoamerikanische Geschichte, Romanistik und Politikwissenschaften an der Universität zu Köln studiert. Von 2013 bis 2024 war in unterschiedlichen Positionen am Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow tätig und hat sich mit einer Arbeit über die religiösen Tiefenschichten der lateinamerikanischen Guerilla an der Universität Leipzig promoviert. Seine Forschungsschwerpunkte finden sich in den Feldern von Ideengeschichte und Intellectual History sowie Lateinamerikanischer und Jüdischer Geschichte. Gegenwärtig arbeitet er an einer historischen Semantik des Begriffs vom Globalen Süden.
Organisation: Christina Wessely
Sprache: Deutsch