Prof. Dr. Marie-Luise Angerer

 

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Fellow Profile
 

 

Marie-Luise Angerer ist Professorin für Medien- und Kulturwissenschaften an der Kunsthochschule für Medien in Köln, an der sie von 2007-2009 auch Rektorin war. Zu ihren Forschungsfeldern gehören das Verhältnis von Technik und Affekt, Medientheorien des Affekts sowie die Gender Studies. Kürzlich erschienene Publikationen sind: „Die »biomediale Schwelle. Medientechnologien und Affekt«, in: Astrid Deuber-Mankowsky und Christoph F.E. Holzhey (Hg.): »Situiertes Wissen und regionale Epistemologie. Zur Aktualität Georges Canguilhems und Donna J. Haraways«, 2013 (Turia & Kant) S. 203-22; „Bewegte Körper. Von der Repräsentationskritik zur (Neuen) Materialität der Körper“, in: Marie-Luise Angerer, Yvonne Hardt, Ann-Carolin Weber (Hg.): »Choreographie-Medien-Gender«, 2013, S. 79-98; »Vom Begehren nach dem Affekt«. 2007 (diaphanes).

Marie-Luise Angerer is professor for media and cultural science at the Academy of Media Arts in Cologne where she also was president from 2007-2009. Among her main research interests are the question of media and affect, media theories of the affect and gender studies. Her most recent publications include: »Die ‚biomediale Schwelle‘. Medientechnologien und Affekt«, in: Astrid Deuber-Mankowsky und Christoph F.E. Holzhey (Hg.): »Situiertes Wissen und regionale Epistemologie. Zur Aktualität Georges Canguilhems und Donna J. Haraways«, 2013 (Turia & Kant) S. 203-22; »Bewegte Körper. Von der Repräsentationskritik zur (Neuen) Materialität der Körper«, in: Marie-Luise Angerer, Yvonne Hardt, Ann-Carolin Weber (Hg.): »Choreographie-Medien-Gender«, 2013 S. 79-98; »Vom Begehren nach dem Affekt«. 2007 (diaphanes).

 

 

FORSCHUNGSPROJEKT

Affektive Verschaltungen. Timing of affect and the question of the cerebral unconsciousness

„Que faire de notre cerveau?“, fragte die französische Philosophin Catherine Malabou 2003 (dt. 2006), um den „Handlungsbereich der Plastizität des Gehirns“ in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung zu rücken und diesem eine „offene Plastizität“ zuzuschreiben, die sie sodann in Les nouveaux blesses (2007; engl. The New Wounded, 2012), mit dem vielsagenden Untertitel From Neurosis to Brain Damage, nochmals zuspitzt. Was, so eine ihrer zentralen Fragen dort, wenn die Psychoanalyse nur Krankheiten erkennen bzw. bestimmen konnte, die sie zu Beginn  des 20. Jahrhunderts als psychische Krankheiten benannte, da Bau und Funktion des Gehirns nicht bekannt waren, und die wir heute nicht mehr länger als psychische, sondern als Gehirn(zer)störungen verstehen bzw. neu codieren müssen?

In The New Wounded unternimmt Catherine Malabou eine entscheidende Ersetzung vor: Anstelle von Sexualität (als Ursache für psychische Krankheiten) tritt das Gehirn mit seinen (Zer-)Störungen. Diese Ersetzung bestätigt die These, die ich in meinem Band Vom Begehren nach dem Affekt (2007) aufgestellt habe, dass sich nämlich das Dispositiv des Sexes zu einem des Affekts verschieben wird/verschoben haben wird. Damit geht eine neue Umordnung einher, die den psychischen Selbstbezug (Autoaffektion) zum einen sowie die libidinösen Besetzungen der Umwelt mit ihren jeweils anderen (Maschinen u.a.) neu zu begreifen zwingt.

Konnte Derrida (noch) die Stimme als das „Sich-im-Reden-Vernehmen“ analysieren, die ohne einen „die Selbstpräsenz unterbrechenden Signifikanten“ (Derrida 1974, 175) auskommt und daher „[d]as Bewußtsein als Erfahrung reiner Selbstaffektion“ (ebd., 174) bestimmen, muss diese auf dem Logos und seinen Signifikanten aufbauende Auto-Affektion aufgrund der besagten Ersetzung einer digital-technischen Revision unterzogen werden. Denn, wie Malaobou ausführt, zeigt sich die cerebrale Autoaffektion in einer paradoxalen Blindheit: „An inability of the subject to feel anything as far as it is concerned” (Malabou 2012, 42). Obwohl das Gehirn also der Grund ist, dass wir uns selbst ‚berühren‘ können, erscheint das Gehirn selbst nicht als Vorstellung im Bild von uns, als Teil des Körperbildes. »The brain absents itself at the very site of its presence to self. It is only accessible by means of cerebral imaging technology« (ebd., 43).

Freud griff auf die Technik des Wunderblocks zurück, um die Funktion des Unbewussten zu demonstrieren – Spuren, die im Wachs, obwohl wieder verwischt, bei entsprechendem Lichteinfall immer zu sehen sind – und dieses als atemporal zu setzen: Eine Instanz aus der Zeit, nicht in der Zeit. Die neue unbewusste Instanz – das cerebrale Unbewusste – operiert dem gegenüber völlig konträr – nicht nur zeitlich, sondern als Zeit. Nicht ganz überraschend taucht hier bei Malabou nun auch der Affekt auf: »Within the brain, affect does not detach from itself; it does not deprive itself of its own energy; it does not delegate itself; (...) Indeed, the ›self‹, at its very core, is not gathered; its manifestation is fundamentally temporal.« (Ebd., 44)

Der Affekt ist eine Bewegung vor der Zeit und nach der Zeit, ein Stillstand im Augenblick des Jetzt, eine übervolle/leere Zeitspanne, der die Medien-, Technik- und Gehirnforschung große Aufmerksamkeit zukommen lassen. Denn es ist hier, wo die Simulation der Gehirnfunktionen für ›Mensch und Maschine‹ gleichermaßen einsetzt: über computergenerierte Bilder lernt ›der Mensch‹ sich als Gehirnselbst zu begreifen, über Berechnungen dieser Funktionen werden Maschinen zu ›affektiven Maschinen‹, die mithilfe ihrer Sensoren sich in Umwelten erfahren sollen. In beiden Momenten zeigt sich ein Umstand, den A.N. Whitehead in seiner Prozessphilosophie 1929 bereits beschrieben hat, wenn er dort  Subjektivität als das beschreibt, das sich zu einer subjektiven Einheit als dem »Leben [...] in den Zwischenräumen jeder lebenden Zelle und in den Zwischenräumen des Gehirns« (Whitehead 1987, 206) formt.

Die Bearbeitung dieser Verbindung von Zeit, Medientechnologie, Affekt und cerebralen Unbewussten steht im Zentrum meines fellowships am mecs

 

Publikationen:

- Marie-Luise Angerer, Vom Begehren nach dem Affekt (Berlin-Zürich: diaphanes, 2007)

- Jacques Derrida, Grammatologie (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1974)

- Catherine Malabou, Was tun mit unserem Gehirn (Zürich-Berlin 2006: diaphanes, frz. Original 2003)

- Catherine Malabou, The New Wounded. From Neurosis to Brain Damage (New York: Fordham Univ. Press 2012, engl. Original 2007)

- Alfred N. Whitehead, Prozeß und Realität (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1987)