Neue Naturverhältnisse

NEUE NATURVERHÄLTNISSE IN DER GEGENWARTSLITERATUR?

 

EINE BESTANDSAUFNAHME


Tagung der Leuphana Universität Lüneburg in Zusammenarbeit mit der Nicolas Born-Stiftung im Künstlerhof Schreyahn, Wendland, 2.-4. Oktober 2012

Veranstalter: Prof. Dr. Sven Kramer, PD Dr. Martin Schierbaum

Die Literatur thematisiert schon seit ihren Anfängen das Verhältnis des Menschen zur Natur. Doch seit das Bewusstsein dafür wächst, dass die fortschreitende Unterwerfung und Ausplünderung der Natur den Fortbestand der Gattung gefährden könnte, scheinen sich neue Sichtweisen der Natur herausgebildet zu haben, und zwar sowohl außerhalb als auch in der Literatur. So hat sich das Schlagwort »Nachhaltigkeit« in den verschiedensten Diskursen etabliert, und so setzt sich auch im deutschsprachigen Bereich der Ecocriticism langsam durch. Handelt es sich lediglich um neue Trendbezeichnungen für längst bekannte Überlegungen? Oder befinden sich die Gesellschaft, die Literatur, die Ästhetik und die Literaturwissenschaft tatsächlich in einer Transformationsphase? Wie positionieren sich die literarischen Texte selbst zu diesen Fragen?

Die Tagung möchte eine Bestandsaufnahme anregen, in der die Frage nach den neuen Naturverhältnissen in der Gegenwartsliteratur im Mittelpunkt steht. Einerseits können die neuen Gesichtspunkte in Lektüren aktueller Texte aufgespürt werden. Andererseits soll die Kontextualisierung der neuen Naturverhältnisse auch an Überlegungen zur Ästhetik und zur Naturphilosophie anknüpfen, die jenseits aktueller Modethemen liegen. 

Wir möchten den Blick auch auf die Literatur lenken und fragen: Welchen Ort nimmt die Literatur selbst ein? Lässt sie sich für ein harmonistisches Bild vereinnahmen? Welche Bilder der Natur erzeugt sie, welche Mittel setzt sie dazu ein? In welchen Kontexten meldet sie sich zu Wort? Welche außerliterarischen Bezugspunkte rufen die literarische Auseinandersetzung mit der Natur hervor? – Uns erscheint es sinnvoll, die theoretischen Positionen zu diskutieren, um im Anschluss daran eine besondere Aufmerksamkeit auf die literarischen Positionierungen richten zu können. 

Geplant sind drei Schwerpunkte: 

Erstens: Die Frage nach den neuen Naturverhältnissen soll in theoretischer, ästhetisch-naturphilosophischer Richtung entwickelt werden. Dazu gehört eine Vergegenwärtigung und kritische Würdigung bestehender Positionierungen. Ein Thema, das einbezogen werden könnte, wäre zum Beispiel die Frage nach den Konsequenzen, die für das Verständnis von der Natur aus den Grenzen der technischen Moderne zu ziehen wären sowie die von manchen in diesem Zusammenhang geäußerte Skepsis gegenüber einem harmonistischen Naturbild. 

Zweitens: Ausgesuchte Gegenwartstexte sollen in historischer Perspektive gelesen werden. Gedacht ist an die Kontextualisierung der Literatur in den jeweils geführten Debatten, wobei ein besonderes Gewicht auf alle Aspekte gelegt werden soll, die mit dem Thema »Atom und Natur« zu tun haben. Der relevante Zeitraum beginnt somit in den vierziger Jahren und umfasst die Atombombe ebenso wie die Atomtodbewegung, die Anti-AKW-Bewegung, die Friedensbewegung und Tschernobyl. 

Drittens: Die Lektüre von Texten der Gegenwartsliteratur, in denen die neuen Naturverhältnisse herausgearbeitet werden, und zwar einerseits in thematischer Orientierung, andererseits in Bezug auf neue Schreibweisen. Hat die Postmoderne eine neue Schreibweise hervorgebracht? Wie erscheint die Natur in neueren Texten? Zeichnet sich mit Blick auf die Natur eine Post-Postmoderne ab?