Heinrich-Heine-Gastdozentin 2010: Juli Zeh

Juli Zeh schreibt seit ihrer Kindheit. Begonnen hat ihre Leidenschaft während unzähliger Urlaubsfahrten mit der Familie in einem überheizten Auto. „Das Schreiben war für mich immer schon ein gutes Mittel gegen geistige Langeweile“, erklärt Schriftstellerin. Mittlerweile hat die erfolgreiche Autorin elf Bücher in den vergangenen neun Jahren veröffentlicht. Ihr Debüt „Adler und Engel“ ist inzwischen in 29 Sprachen übersetzt worden.

Juli Zeh war 2010 als zweite Heinrich-Heine-Gastdozentin an der Leuphana Universität Lüneburg. Im Rahmen einer öffentlichen Antrittsvorlesung und eines Workshops mit Studierenden beleuchtete sie ihren aktuellen Roman „Corpus Delicti: Ein Prozess“.

Die 1974 geborene Zeh ist ausgebildete Juristin. Heute schreibt sie Romane, Essays und Theaterstücke. Die Literatur biete ihr die Möglichkeit „komplizierter zu werden“, erklärt Zeh während ihrer Antrittsvorlesung im vollbesetzten Hörsaal. Mit einer Mischung aus Lesung und Gespräch mit dem Moderator und ehemaligen Literaturchef des NDR Hörfunks, Wend Kässens, unterhält die Gastdozentin die Zuhörer, sinniert über ihre Anfänge literarischen Schaffens und reflektiert kritisch ihre Biografie. „Schreiben ist eigentlich furchtbar peinlich“, findet Zeh. Bis heute haben ihre Eltern die niedergeschriebenen Resultate ihrer Kindheit nicht gelesen. Jenseits ihrer zahlreichen Auszeichnungen versteckt sich die Autorin eher hinter ihren Erfolgen. „Abgesehen von E-Mails ist alles Niedergeschriebene für mich unangenehm, weil man nie wirklich das schreiben kann, was man sagen möchte“. Sie bezeichnet ihre Neigung zur Literatur schlichtweg als „leidenschaftlichen Dilettantismus“. Kässens kontert und bescheinigt Zeh, sie habe mit „Corpus delicti: Ein Prozess“ einen Roman verfasst, der „unter die Haut geht.“ In dem Werk, erschienen 2009, entwirft sie ein düsteres Science-Fiction-Szenario einer Gesundheitsdiktatur im 21. Jahrhundert. Sie zeichnet ein System, das alle und alles kontrolliert. Gesundheit ist zur höchsten Bürgerpflicht geworden. Zeh zeigt dem Leser einen Staat, der auf lückenlose Überwachung setzt. Hauptfigur ist eine Frau, die Widerstand gegen das System leistet.

Unterhaltsam und humorvoll führte die Autorin durch das anschließende Kompaktseminar zum Thema „Kreatives Schreiben“. Dabei bekamen die rund 30 teilnehmenden Studierenden nicht nur die Möglichkeit, in direkten Kontakt zu einer herausragenden Vertreterin der zeitgenössischen Literatur zu treten. In einer kleinen Gruppe konnten anschließend sogar eigene Schreibkenntnisse auf den Prüfstand gestellt werden.

Juli Zeh © Leuphana / Golubchykov ©Juli Zeh © Leuphana / Golubchykov
Juli Zeh © Leuphana / Golubchykov

Juli Zeh studierte Jura in Passau und Leipzig. Ebenfalls in Leipzig studierte sie von 1996 bis 2000 am Deutschen Literaturinstitut (DLL), an das sie später als Dozentin zurückgekehrt ist. Zahlreiche Auslandsaufenthalte u. a. für die UN in New York und Krakau und vor allem in Sarajevo, Bosnien und Herzegowina haben ihre Arbeiten geprägt. Juli Zeh wurde für ihre Arbeit vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Deutschen Bücherpreis, dem Rauriser Literaturpreis, dem Hölderlin-Förderpreis, dem Ernst-Toller-Preis und dem Solothurner Literaturpreis. Ihr erster Roman „Adler und Engel“ ist mittlerweile in 29 Sprachen übersetzt. Ihr Roman „Spieltrieb“ wurde 2006 am Hamburger Schauspielhaus für die Bühne dramatisiert. „Alles auf dem Rasen“ versammelt ihre Essays zu Gesellschaft, Politik, Recht und Literatur, die in großen deutschen Zeitungen und Magazinen erschienen sind. 2007 erschien ihr Roman „Schilf“, 2009 „Corpus Delicti“.