Was kann Commoning? Gesetze als Gestaltung von Gemeinschaft

Rechtswissenschaftlerin Isabel Feichtner, Fellow am New Institute, hält die LIAS Lecture des Herbstes

11.12.2023 Prof. Dr. Isabel Feichtner, Professorin für Öffentliches Recht und Internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Würzburg und Program Chair für „Reclaiming Common Wealth“ am THE NEW INSTITUTE in Hamburg, hielt in diesem Herbst die Lecture des Leuphana Institute for Advanced Studies (LIAS) in Culture and Society.

Isabel Feichtner bei der LIAS Lecture, Powerpoint im Hintergrund ©Julia Knop
Isabel Feichtner bei der LIAS Lecture, Dekoration im Hintergrund ©Julia Knop
Nahaufnahme von Isabel Feichtner bei der LIAS Lecture ©Julia Knop

Nach einer kurzer Einleitung durch LIAS Co-Direktor Prof. Dr. Erich Hörl, in der er moderne Herausforderungen herausstellte, welche beide Institute mit einem Mix von Idealen und neuen akademischen Werkzeugen anzugehen versuchen, sprach Feichtner über ihre eigene Forschung. In dieser geht es um die Praxis der Commons und die Frage, welche Rolle das Gesetz hierbei spielt, sowohl im Allgemeinen, als auch im Spezifischen. „Commoning“, wie sie es beschreibt, zielt darauf ab, privates Eigentum in ein Modell geteilter Ressourcen zu transformieren; die Verbindung zwischen Menschen und der nicht-menschlichen Welt neu zu denken sowie die Rolle des Staates in beiden Angelegenheiten zu re-evaluieren.

Aus Isabel Feichtners Perspektive nimmt das Gesetz in dieser Forschung mehrere Rollen ein. Es stellt den Rahmen der angewendeten Kritik, ist zur gleichen Zeit aber auch Kritik ausgesetzt. In einem ihrer Beispiele sprach Feichtner über den Meeresbodenbergbau in Regionen des Pazifischen Ozeans, wo lokale Gemeinschaften versuchen für die Erhaltung ihrer Umwelt zu kämpfen und wie die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA – International Seabed Authority) – die UN-Organisation, durch die Staaten Aktivitäten um mineralische Bodenschätze herum zum Wohle der Menschheit organisieren und prüfen – , versucht den Profitdrang von Firmen zu kontrollieren. Das Gesetz wird zu einer „Superstruktur“ der politischen Landschaft und eines Teils der Wirtschaft, wenn private Unternehmen sich um Meeresbodenerkundungslizenzen bewerben und Nationen zu deren Sponsoren werden, in der Hoffnung auf diese Weise mehr Einkommen zu generieren als durch die von der UN angestoßene „Teilungs-Doktrin“ um dieses „allgemeine Erbe der Menschheit“.

In ihrem anderen Beispiel nutzte Prof. Feichtner die Berliner Bewegung „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ um zu zeigen, wie das Gesetz dazu genutzt werden kann, Schlupflöcher zur Umgehung korrekter Besteuerung zu schaffen sowie um das das Eigentumsgesetz herumzukommen, welches andernfalls den Besitz von Immobilien regulieren würde. Diese Vorfälle zu verfolgen, zum Beispiel durch das Handelsregister, gestaltet sich schwierig, so Feichtner, da Datenschutzklauseln, welche eigentlich dazu gedacht waren, Individuen zu schützen, nun oft die Beteiligung von Unternehmen in derartigen Geschäften verschleiern. Sie wiederholte auch den Ruf vieler Aktivist*innen, die Gebäude nicht nur in die Hände des Staates zu legen, sondern tatsächlich eine Situation zu schaffen, in der die Gesellschaft den Besitz übernimmt.

Feichtner endete ihre LIAS Lecture mit einem erneuten Ruf danach, die Mittel des Gesetzes zu nutzen, um Fälle wie diese zu untersuchen und Gerüste zu bauen, die „commoning“ ermöglichen würden. Im Anschluss gab es eine lebendige Diskussion darüber, wie die Kategorisierung von Werten, auch solchen die nicht strikt monetär sind, kolonisierende Effekte haben könnte und wie dadurch verschiedene Fragen von Verantwortung aufkommen.