LIAS-Schwerpunktwoche: Zum Aufstieg der Rechten

13.-17. Januar 2025

Gemeinsam gestalten die Leuphana Universität und das Leuphana Institute for Advanced Studies (LIAS) in Culture and Society die Schwerpunktwoche „Zum Aufstieg der Rechten“.

In Deutschland wie in vielen anderen Ländern Europas und weltweit stehen Politik und Gesellschaft vor großen Herausforderungen von Rechts. Die wachsende Popularität ethnonationalistischer, autoritärer, oft anti-intellektueller und rassistischer Ideen setzt liberale Demokratien unter Druck. Rechte Parteien und Politiker propagieren politische Visionen nicht mehr nur in direktem Gegensatz zu denen der Mitte und der Linken, sondern  versuchen die Spielregeln der öffentlichen Auseinandersetzung zu unterminieren. Die verschiedenen Veranstaltungen im Rahmen der von LIAS Fellows in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen der Leuphana Universität initiierten Schwerpunktwoche möchten einen Raum bieten, diese Entwicklungen und den Umgang damit in verschiedenen Ländern zu diskutieren.

©LIAS
LIAS Schwerpunktwoche 2025

Diskursraum Leuphana

Montag 13. Januar 2025, 18–20 Uhr

Ort: Transformationsräume, Leuphana Universität Lüneburg, C25.019
Sprache: Deutsch

Wie kann angemessen auf die Herausforderung aus dem rechten politischen Spektrum reagiert werden? Auch für die Studierenden der Leuphana stellt sich diese brennende Frage. Denn die Zeiten in Europa und Deutschland sind rauer geworden.
Politische Extreme drängen in die Arenen der Dialoge – allen voran der Rechtsextremismus. Die akzeptierten und etablierten Verhaltensweisen, die politisch-gesellschaftliche Diskurse in Demokratien erst ermöglichen, geraten immer mehr unter Druck.
Der Diskursraum Leuphana wirkt direkt zum Start der Schwerpunktwoche mit und vernetzt die Studierenden mit dem Leuphana Institute of Advanced Studies (LIAS). 

Die Gesprächspartner*innen sind: 
Professorin Dr. Sarah Engler, Vergleichende Politikwissenschaft, Leuphana Universität Lüneburg
Dominique Haas, Rechtsextremismus-Beauftragter des Landkreises Lüneburg, Bildungs- und Integrationsbüro
Professor Dr. Markus Reihlen, Strategisches Management und Entrepreneurship sowie Vizepräsident für Entrepreneurship, Transfer und Internationalisierung, Leuphana Universität Lüneburg
Lio Pollmanns, Arbeitskreis Rechtspopulismus und Hochschule
Moderation:
Talja Blumenthal, Studium Individuale, Leuphana Universität Lüneburg
Martin Auer, Studium International Business Administration & Entrepreneurship, Leuphana Universität Lüneburg
Hier finden Sie das Poster zum Diskursraum.

Right-Wing Agitation From 4chan to MyPillow: 10 Years in the American Fachosphere

Dienstag, 14. Januar 2025, 16–18 Uhr

Ort: Leuphana Universität Lüneburg, Hörsaal 3
Sprache: Englisch

Vortrag von Simon Strick (ZeM Potsdam), Einführung: Alex Demirović (LIAS Senior Fellow)
Dieser Vortrag präsentiert eine Meme-zentrierte Chronik rechter Online-Agitation in den vergangenen 10 Jahren – von obskuren Messageboards bis zu Trumps wahrscheinlicher zweiter Präsidentschaft. In Anlehnung an Adorno, der sagte, dass „der Faschismus veraltet, aber aktuell ist“, wird er verschiedene Reartikulationen der alten faschistischen Ideologie in den neuen Formen der digitalen Kultur nachzeichnen. Rechte Agitation, eine reaktionäre Neubearbeitung politischer und populärer Kultur, wird als aktueller Mainstream der digitalen Öffentlichkeit aufgezeigt, eine Reihe kultureller Konventionen und Diskurse, die Lebenswelten, Aufmerksamkeiten und Empfindungen weit über die Grenzen dessen hinaus dominieren, was als „alt-right fringe“ bezeichnet wurde. Der Vortrag wird sich auf Traditionen der Medientheorie sowie der Kritischen Theorie stützen, um Einschätzungen darüber zu geben, was dies für unsere reaktionäre Gegenwart bedeutet, und wird mögliche alternative Vorstellungen jenseits faschistischer Ausbeutbarkeit erkunden. 
Simon Strick ist Medienwissenschaftler und Autor von Rechte Gefühle (2021). Seit Erscheinen des Buches forscht er zu rechten Strategien im Netz, insbesondere zur Vermischung von Lifestyle-Inhalten und rechter Propaganda im digitalen Alltag.

Rechte Memes, rechte Affekte, rechte Unternehmer

Dienstag, 14. Januar 2025, 18–20 Uhr

Ort: Leuphana Universität Lüneburg, Hörsaal 4
Sprache: Deutsch

Podiumsdiskussion organisiert von Vera Tollmann (CDC, Leuphana)
Diskussionsteilnehmer: Andrea Kretschmann (Leuphana), Laura Hille (Leuphana), Benjamin Hundertmark (Leuphana), Simon Strick (ZeM Potsdam), Moderator/Respondent: Michael Koß (Leuphana)
Rechte Firmen vertreiben Mode, Musik oder Yogavideos für eine rechte Alltagskultur, rechte Aktivist*innen organisieren Fight Camps und Festivals (z.B. „White Boy Summer“ in Finnland). Sie bieten Unterhaltung, Gruppenzugehörigkeit und Geborgenheit und zielen darauf ab, neue Mitglieder und Unterstützer*innen zu rekrutieren, zu radikalisieren und Geldspenden zu sammeln. Das Panel beschäftigt sich mit der Aufmerksamkeit für rechte Ideologien und untersucht rechte politische Erfolge anhand von Memes – den kleinsten gewöhnlich autorenlosen Text-Bild-Einheiten, die Emotionen instrumentalisieren. Denn rechte Netzwerke eignen sich digitale subkulturelle Kommunikationsstrategien an, versuchen mit Hilfe von KI-Bild- und Videogeneratoren popkulturellen Einfluss zu gewinnen, missbrauchen digitale Recherchetools und agieren mit ihren Inhalten an den Grenzen von Community Guidelines. Dieses Panel beschäftigt sich mit den Inhalten, Emotionalisierungsstrategien und Desinformationstechniken rechter Akteur*innen und deren potenziellen Medienwirkungen. Auch stellt sich die Frage, wie Entstehung, Zirkulation und Wirkung rechter Memes wissenschaftlich untersucht werden können.
Simon Strick ist Medienwissenschaftler und Autor von Rechte Gefühle (2021). Seit Erscheinen des Buches forscht er zu rechten Strategien im Netz, insbesondere zur Vermischung von Lifestyle-Inhalten und rechter Propaganda im digitalen Alltag.
Laura Hille ist Soziologin und Associate am CDC und hat sich zuletzt im Rahmen des abgeschlossenen CDC-Forschungsschwerpunkts „Silicon Valley Ideology“ mit den rechtsextremen Zukunftsvorstellungen einiger Tech-Unternehmer (und Meinungsführer?) in Kalifornien anhand ihrer Social-Media-Posts beschäftigt. 
Die Soziologin und Kriminologin Andrea Kretschmann untersucht in ihrem Forschungsprojekt „Alltag im Dissens: Eine Studie zum Gebrauch (imaginären) Rechts von Reichsbürger*innen“ die Rolle des Rechts als Medium für politische Interventionen. In einem Teilvorhaben des Projekts erforscht sie gemeinsam mit dem Kriminologen Ben Hundertmark die Memekulturen und Affektpolitiken der verschwörungsideologischen Szene sog. „Reichsbürger*innen“.
Der Politikwissenschaftler Michael Koß wird auf die Beiträge von Strick, Hille, Kretschmann und Hundertmark eingehen und die anschließende Diskussion moderieren.

The Extreme Right and Present-Day Capitalism: The Examples of Argentina and Spain

Mittwoch, 15. Januar 2025, 16–18 Uhr

Ort: Leuphana Universität Lüneburg, Hörsaal 3
Sprache: Englisch

Vortrag von Adrià Alcoverro (Leuphana, LIAS-Alumnus)
Das Wachstum der extremen Rechten findet in einem Kontext statt, der einerseits durch einen zunehmenden Wettbewerb zwischen Individuen um das Überleben und eine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber den Mitbürgern geprägt ist, die sich in das technozentrische Gewand der digitalen Wirtschaft kleidet. Andererseits wird dieser Kontext durch das Aufkommen einer Wut bestimmt, die in Atomisierung und Ungleichheiten wurzelt und eine Verlustangst auslöst, die sich leicht in Essentialismus und Hass verwandelt, sobald sie von der extremen Rechten ausgenutzt wird. Die argentinische Regierung von Javier Milei verstärkt auf diskursive und materielle Weise diese scheinbar widersprüchlichen Merkmale und verschmilzt sie zu einem neuen Modell der kapitalistischen Gesellschaft, in dem die menschliche Substanz und sogar die Idee des Fortschritts in diesem Nebel aus totalem Wettbewerb und Hass verschwinden und die Gegenwart in einem endlosen, totalisierenden Kampf ums Überleben gefangen ist.

The Israeli Far-Right: A Comparative View

Mittwoch, 15. Januar 2025, 18–20 Uhr

Ort: Leuphana Universität Lüneburg, Hörsaal 3
Sprache: Englisch

Vortrag von Charlotte Wiedemann (LIAS Public Fellow)
In Israel haben politische Parteien und gesellschaftliche Gruppen der extremen Rechten in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich an Einfluss gewonnen. Dies zeigt sich heute sowohl in der politischen Exekutive als auch in der Gesellschaft im Allgemeinen: Etwa 30 Prozent unterstützen rechtsextreme Meinungsmuster, wie aus jüngsten israelischen Umfragen hervorgeht. Einerseits weist der Rechtsextremismus in Israel einige Ähnlichkeiten mit dem gleichen Phänomen in anderen Ländern auf, vor allem aber sehen wir andererseits spezifische Merkmale, die aus den Besonderheiten eines jüdischen Staates, der jüdischen Vernichtungsgeschichte und dem israelisch-palästinensischen Konflikt resultieren. Das Thema „Land“ und das Recht auf Land spielen eine wichtige Rolle in einer ideologischen Landschaft, in der sich der Einfluss radikaler Siedler von den Rändern der Gesellschaft in ihre zentralen Institutionen verlagert hat.
In Deutschland, das aufgrund der Geschichte der Shoah eng mit Israel verbunden ist, ist die ernsthafte Forschung zu diesem Thema unterentwickelt. Wenn das Thema in den Medien oder im öffentlichen Diskurs angesprochen wird, werden in der Regel kritische israelische Wissenschaftler oder Aktivisten zu Vorträgen eingeladen – was einmal mehr auf eine Besonderheit hinweist: Trotz des wachsenden Einflusses der extremen Rechten besteht für jüdische Israelis nach wie vor weitgehend Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit. 

Ideologie – Propaganda – Faschismus

Donnerstag, 16. Januar 2025, 12–16 Uhr

Ort: Leuphana Universität Lüneburg, C40.601
Sprache: Deutsch, Englisch

Teilnahme nach vorheriger Anmeldung unter lias.event@leuphana.de. Die zu lesenden Texte werden nach der Anmeldung zugesandt.
Workshop organisiert von Alex Demirović (LIAS Senior Fellow)
Vom historischen Faschismus wird gesagt, dass er vor allem durch Propaganda und Gewalt bestimmt werden kann. Unter diesem Eindruck entstanden bemerkenswerte Studien zu Propaganda und zu faschistischen Agitatoren u.a. von Siegfried Kracauer, Theodor W. Adorno, Leo Löwenthal. Im Fall der Neuen Rechten werden ebenfalls immer wieder die Aktivitäten der Agitation beobachtet. Die Rechte nutzt dafür umfangreich die sozialen Medien, also YouTube, Facebook, Instagram, Telegram-Kanäle, Twitter (X) etc. Im Workshop sollen die älteren Studien diskutiert und ihr Beitrag für eine Analyse der heutigen Rechten geprüft werden.

Albert Toscano’s Fascism as Life Form and the Art Right

Donnerstag, 16. Januar 2025, 16–18 Uhr

Ort: Leuphana Universität Lüneburg, C40.704
Sprache: Englisch

Buchbesprechung und Diskussion mit Danny Hayward (LIAS Artist Fellow) & Kerstin Stakemeier (AdBK Nürnberg, LIAS Associate Fellow)
Alberto Toscanos Buch „Late Fascism“ (2023) ist ein bedeutender Beitrag zu den Debatten über die Beziehung zwischen Faschismus, Kapitalismus, race und Geschlecht. Es rekonstruiert faschistische Ideen rund um Zeit, Tod und Mythos und nähert sich auch der Frage der pluralen Antifaschismen, Fragen des Begehrens und der Beziehung zwischen defensiver und utopischer Politik. „Etwas optimistischer betrachtet“, schreibt Toscano, „könnten fortschrittliche oder liberale Reformen Rassisten und Reaktionären als Zeichen einer kommunistischen Dystopie erscheinen, die fast schon da ist, und auch als verzerrte Anerkennung utopischer Spuren interpretiert werden, die aus dem Kontinuum des Reformismus herausgesprengt werden müssen.“

Diese Diskussion des Buches, die von Kerstin Stakemeier und Danny Hayward geleitet wird, befasst sich mit der Frage nach den kulturellen Ausdrucksformen des Faschismus in der Gegenwart. Wir werden darüber sprechen, was es bedeutet, den Faschismus als „Lebensform“, als Mimesis zu betrachten, und über Antifaschismus als Methode, und betrachten Art Right als Beispiel dafür, wie sich die weiße Vorherrschaft des Faschismus in die vorgesehene Sphäre der ästhetischen Vorstellungskraft übersetzt.

Die Veranstaltung kann ohne Anmeldung besucht werden. Wenn Sie sich auf die Buchbesprechung vorbereiten möchten, schreiben Sie bitte eine E-Mail an  lias.event@leuphana.de., um einen Text zum Lesen zu erhalten.

Der Kuaför aus der Keupstraße

Freitag, 17. Januar 2025, 17–19:30 Uhr

Ort: Leuphana Universität Lüneburg, Hörsaal 3
Sprache: Deutsch mit englischen Untertiteln

Filmvorführung und Diskussion, organisiert von Monika Schoop (Leuphana, LIAS Faculty Fellow)
Podiumsteilnehmer: Abdulla Özkan (Überlebender, Zeuge), Karmen Frankl (Initiative „Keupstraße ist überall“), Moderatorin: Monika Schoop
Der Film erzählt die Geschichte des Nagelbombenanschlags vor einem türkischen Frisörsalon in der Kölner Keupstraße am 9. Juni 2004. Er konzentriert sich dabei auf die Folgen für die Opfer und ihre Angehörigen, gegen die als Hauptverdächtige jahrelang ermittelt wurde. Der Film rekonstruiert die Ermittlungen der Polizei anhand der Verhörprotokolle und es wird deutlich, dass für die Polizei als Täter vor allem die Opfer in Frage kamen. Ein ausländerfeindliches Motiv wurde weitestgehend ausgeblendet. Erst Jahre später wurde der Anschlag dem sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zugeordnet.
Auf eindrückliche Weise zeigt „Der Kuaför aus der Keupstraße“ wie tiefgreifend der Bomben-anschlag, aber auch die Verdächtigungen danach, das Leben im Kölner Stadtteil Mülheim erschüttert haben. So wie in Köln wurden auch in den anderen Städten, in denen der NSU gemordet hat, zumeist die Angehörigen und ihr Umfeld verdächtigt. Der Film eröffnet die Diskussion über die Frage eines strukturellen Rassismus in Deutschland auf eine neue Art, nämlich aus der Perspektive der Betroffenen.