LIAS Filmreihe: "Potential History of Francesc Tosquelles, Catalonia and Fear"
07. Mai
In der LIAS-Filmreihe in Zusammenarbeit mit dem Programmkino SCALA werden jeden Monat internationale Filme zu kultur- und gesellschaftskritischen Themen von Einführungen und Diskussionen begleitet.
Datum: Mittwoch, 7. Mai 2025, 19:00 Uhr
Ort: SCALA Programmkino | Apothekenstr. 17 | 21335 Lüneburg
Mit einer Einführung von Nancy Luxon. Eintritt frei.
In ihrem halbdokumentarischen Film geht Mireia Sallarès der verdrängten Geschichte eines außergewöhnlichen Psychiaters nach: Francesc Tosquelles, katalanischer Exilant, Revolutionär und Pionier einer radikal humanistischen Psychiatrie, floh in den 1940er-Jahren aus dem spanischen Bürgerkrieg während der Nazi-Besatzung und verwandelte ein Provinzkrankenhaus in der Abgeschiedenheit von Saint-Alban-sur-Limagnole in ein lebendiges, kreatives Experiment: ein „Asyl-Dorf“, das auf Gleichberechtigung, Gemeinschaft und Selbstverwaltung beruhte.
Sallarès greift dabei das Konzept der Potential History von Ariella Aïsha Azoulay auf – es gibt eine Vergangenheit, die in der offiziellen Geschichtsschreibung nicht berücksichtigt wird. Daher ist eine kritische Lektüre von Archiven erforderlich, um die nicht dokumentierten Geschichten zu erzählen. In diesem Sinne rekonstruiert sie Tosquelles’ Wirken als Beitrag zur Psychiatriegeschichte und als verdrängtes Kapitel katalanischer Revolutionsgeschichte, europäischer Kunstentwicklung und antikolonialer Denktradition. Seine Methoden beeinflussten nicht nur Frantz Fanon und Félix Guattari, sondern auch die Entstehung von Art Brut, der Kunst der „Außenseiter“, wie sie später von Jean Dubuffet gefeiert wurde.
Der Film verzichtet bewusst auf illustrative Bilder – Worte, Erzählungen, performative Momente und Archivmaterial stehen im Zentrum. So entsteht ein dichter, fordernder und zugleich faszinierender Essayfilm, der zeigt, wie radikal einfühlsame Fürsorge, politische Entschlossenheit und kreative Freiheit zusammenwirken können. Tosquelles steht hier nicht als historisches Relikt, sondern als Impulsgeber für ein anderes Denken – in der Psychiatrie, in der Kunst, im Umgang mit Geschichte.
2021 | Mireia Sallarès | USA

Rückfragen und Kontakt:
- Dr. Christine Kramer